20.10.2011

torial vor Ort – Eröffnung der Münchner Medientage 2011

Ich hatte mich darauf gefreut, diesen Bericht damit zu beginnen, dass ein Mensch namens Seehofer erstmal alles gesagt hat, was alle hören wollten. Aber er kam nicht und sein Vertreter Herr Marcel Huber, Leiter der Staatskanzlei, entschuldigte ihn mit Eurorettung und sagte dann alles, was alle hören wollten. Gerade weggedämmert, riss mich der Satz „…und es ist völlig egal, wo auf der Welt diese Surfer stehen…“ zurück ins Leben.

Weiter wurde noch vollmundig eine starke und präsente Medienpolitik angekündigt, die wir brauchen, weil die neuen Medienunternehmen, eben auch Unternehmen sind und zwar sehr starke und hier der Wettbewerb sichergestellt werden muss. Dann wurde betont, dass der Bildungsauftrag des deutschen Fernsehens funktioniert und dass „das Bild, das wir alle vor Augen haben, von der türkischen Satellitenschüssel, die auf türkische Sender gerichtet ist, so nicht mehr stimmt“, sondern auch Migrationshintergründige schauen jetzt deutsches Fernsehen und deutsches Internet. Ach ja, und dann natürlich noch die Feststellung, dass ein Blogger eben einen ordentlich recherchierenden Journalisten nie und nimmer ersetzen kann. Alles in allem recht unterhaltsam also und wer hätte gedacht, dass ich mal Herrn Seehofer vermissen würde.

Siegfried Schneider, Chef der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, forderte eine Initiative bei der Ausbildung von mehr Medienkompetenz für die Bürger. Da sei zukünftig so wichtig wie Rechnen und Schreiben. Lesen bleibt also doch noch wichtiger.

Und dann ging es wirklich los. Florian Haller, Chef der Werbeagentur Serviceplan sprach die Keynote. Er fühle sich „wie Eva Hermann im literarischen Quartett“. Aber seine Rede war durchaus interessant. Seine Aussicht auf die Veränderungen der Werbewirtschaft durch Internet und vor allem social media ist durchaus rosig. Er sieht die Chance, dass durch die immer genauere und lokalere Definition von Zielgruppen, die inhaltliche Qualität von Werbung steigen muss. Werbung sagt er, muss zum „story-telling“ werden, sie muss etwas leisten an ihrem individuellen Rezipienten. Der Werber entwickelt sich vom copywriter zum Erzähler oder Journalisten. Das fühlt sich doch warm an!

Die anschließende Podiumsdiskussion beendete der gescheite Modertor Roland Tichy, Chefredakteur der WirtschaftsWoche, mit der Aussage, dass wir jetzt ein, zwei Schritte weiter sind mit dem Nichtwissen, wie wir auf die Veränderungen am Medienmarkt reagieren sollen. Was war passiert? Die erste Stunde hatte dem Standard-Schlagabtausch zwischen den Privaten und den ÖRs gehört. Erstere schreien nachvollziehbarer Weise nach einem „ebenen Spielfeld“, mit „gleichen Regeln für alle“ und wollen nicht mehr mit einem „Rucksack voller Steine“ antreten müssen. Die Zweiteren sagen noch nachvollziehbarer Weise, dass es solange es den Bildungsauftrag für ÖR gibt, sie natürlich nicht von dem Medium ausgeschlossen werden können, das ständig an Bedeutung gewinnt. Wir hatten das doch schon mal gehört alles.

Tichy versäumte es leider an dieser Stelle, die Diskussion auf eine etwas höhere Ebene zu ziehen. Können die Privaten eigentlich überhaupt etwas anfangen mit dem Gedanken, eine informationelle Grundversorgung dem Marktdruck zu entziehen und damit dauerhaft einseitige Einflussnahme zu vermeiden? Wird diese letzte mediale Bastion sozialer Marktwirtschaft noch als Wert empfunden oder wünscht man sich auch hier die reine Herrschaft des Marktes? Angesichts der aktuellen Diskussionen, um die supranationale Regulierung der Finanzmärkte, hätte sich eine solche Betrachtung angeboten. Hier wie dort geht es um einen zunehmend globalisierten Markt und den tragischen Umstand, dass er jeweils keine globalen Regeln hat.

Zumal dann auch deutlich wurde, dass sich beide Parteien, vor allem aber die Vertreter der Privaten, scheinbar immer mehr vor unregulierten, internationalen Konkurrenten fürchten und weniger vor ihren nationalen Widersachern. So war man sich denn abschließend auch einig, dass dringender Neuregulierungsbedarf besteht und die Politik bitteschön endlich handeln möge.

Wie beim Finanzmarkt, weiß man nicht so recht, wo das herkommen soll. Die anwesenden politischen Vertreter machten nicht den Eindruck, dass sie in dem Spiel ohne Steilvorlage zum Schuss kommen werden. In ihrer Mannschaft müssten beide spielen: die ÖR-Intendanten und die Geschäftsführer der Privaten.

 

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