06.06.2012

Aggregieren und Filtern

pixelio.de Fotograf © Thomas Siepmann

Über einen der bekanntesten deutschen Newsaggregatoren, Rivva.de von Frank Westphal, hatten wir ja bereits umfangreich berichtet. Heute wenden wir uns den vielen anderen Aggregatoren zu. Was können? Wie helfen sie im journalistischen Alltag? Und welcher Aggregator past zu meinen Bedürfnissen. Jochen Thermann, Kooperative Berlin, hat drei Aggregatoren getestet. Unter ihnen ein Klassiker und zwei Außenseiter, die Erstaunliches leisten.

 

Nachrichten sind in Zeiten des Internets im Überfluss vorhanden. Klassische Papierzeitungen haben letztlich deshalb Probleme bekommen, weil eines ihrer Hauptgeschäftsfelder – die Nachricht – im Datenmeer des Netzes nahezu wertlos zu werden droht. Denn Nachrichten sind so etwas wie der Schmierstoff im Getriebe des Internets, der Botenstoff, der die Aufmerksamkeit des Users weckt und bindet.

Gerade weil Nachrichten inflationär werden, steigt die Bedeutung der Auswahl. Irgendjemand muss den Strom filtern. Noch immer haben Redaktionen einen maßgeblichen Anteil an der Auswahl dessen, was für relevant gehalten wird und die Kommunikation einer Gesellschaft regelt. Doch mit den digitalen Medien hat sich ein zweites Verfahren etabliert, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Es ist der Newsaggregator, der Nachrichten sammelt und ordnet. Diese Filter arbeiten anders als Redaktionen maschinell, auf der Grundlage von Algorithmen. Das klingt nach technologischem Diktat, faszinierend werden die Aggregatoren jedoch, wenn man Einstellungen an ihnen vornehmen kann. Dann werden sie zu mächtigen Explorationsgeräten, die einem neue Quellen öffnen. Drei Aggregatoren sollen vorgestellt werden: Newsstral, Google News und Alltop.

Beginnen wir mit Newsstral. Der Aggregator ist simpel und darin liegt seine Stärke. Newsstral versammelt die wichtigsten deutschen und internationale Medien. Neben den deutschen Leitmedien sind das zum Beispiel die New York Times, BBC, Japan Times, Le Monde, El Pais, Guardian, Haaretz, Al Jazeera und The Times of India. Außerdem finden sich Exoten wie Fefes Blog, Titanic und indymedia oder Regionalzeitungen wie die Ruhr-Nachrichten oder die Ostsee-Zeitung. Von all diesen Portalen werden jeweils die drei Top-Nachrichten angezeigt. Wer einen Account anlegt, kann aus den zahlreichen Quellen seine Favoriten anordnen.

Newsstral bietet einen Blick wie auf einen internationalen Bahnhofskiosk: man erhält einen Überblick darüber, was die Welt bewegt. Es gibt zwar keine Filterfunktionen, aber die reiche Auswahl internationaler Quellen von Japan, über Indien und Israel bis zu den USA und den europäischen Medienhäusern macht das Portal zu einem  nützlichen Tool für das Gesamtbild der Nachrichtenlage.

Anders als beim großen Marktführer Google News. Hier werden zunächst Schlagzeilen verschiedener deutscher Leitmedien von Spiegel, über FAZ, Stern und Bild angezeigt, die beim Herunterscrollen klassischen Ressorts zugeordnet werden. Die Rangordnung erstellt Google News mittels eines Algorithmus, ohne dass ganz klar ist, warum welcher Artikel gerade oben erscheint.

Was Google News jedoch wirklich interessant macht, ist die Skalierbarkeit. Wer über ein Google Konto verfügt, kann sich auf diese Weise eine eigene maschinelle Nachrichtenagentur basteln. Einstellbar sind dabei sowohl Themen als auch die Häufigkeit der Quellen. Wer Bild oder Focus nicht in seinem Newsstream haben möchte, kann sie herausfiltern. Wer mehr FAZ lesen will, kann sie auf „häufig“ stellen. Zudem lassen sich dauerhaft Nachrichtenströme zu bestimmten Themen einrichten: ob Urheberrecht oder Borussia Dortmund, ob Energiewende oder Heinrich von Kleist, Google News wird auf diese Weise zu einem stark personalisierbaren Nachrichtenfilter, der gerade für Spezialgebiete praktisch ist. Derzeit lassen sich die Quellen jedoch nur global für alle Themen skalieren und nicht für jedes Themengebiet spezifisch, was die Funktionalität noch erhöhen würde. Denn während Bild vielleicht etwas zu Transfergerüchten beitragen kann, würde man sie beim Kleiststream vielleicht doch lieber ausblenden.

Als drittes Beispiel für die Einsatzmöglichkeiten von Aggregatoren soll der amerikanische Dienst Alltop.com vorgestellt werden. Alltop wirkt ein wenig wie die Mitte zwischen Newsstral und Google News. Auch bei Alltop finden sich ähnlich wie bei Newsstral Medienportale mit ihren fünf Topschlagzeilen, die sich je nach Vorlieben zur eigenen Nachrichtenseite hinzufügen lassen. Auf diese Weise lässt sich auch hier ein eigenes Nachrichtenportal einrichten, wobei die Quellen extrem vielseitig sind, da Alltop einige bemerkenswerte Journale und Blogs aus der vielseitigen amerikanischen Blog- und Medienlandschaft nach oben spült, wenn man Nachrichten und Stories zu einem bestimmten Thema sucht. Wer zum Beispiel über Neurologie arbeitet, findet über Alltop zahlreiche Spezialblogs und akademische Zeitschriften. Dadurch erschließen sich Quellen, die über Google weniger schnell erreicht werden. Hier zeigt sich, dass die Verbindung eines eigenen Algorithmus mit den Empfehlungen der Twitter-Community und Blogospähre ein hochqualitatives Angebot erzeugen kann. Allerdings sind die Themen eingeschränkt. Anders als bei Google News existieren die Quellen- und Nachrichtensammlungen nur zu bestimmten Themen. Dennoch kann die individuelle Auswahlmöglichkeit der Quellen helfen, jenseits der Leitmedien auf Überraschungen zu stoßen. Lediglich die Werbung wirkt bei allen Newsaggregatoren zum Teil etwas aufdringlich. Aber neben Nachrichten ist eben Werbung der zweite, große Schmierstoff, der das Web zusammenhält.

  • Über Kooperative Berlin

    Die Kooperative Berlin ist ein Redaktionsbüro und Netzwerk für digitale Kulturproduktion. Unter anderem produziert die Kooperative Berlin den täglichen Netzreporter für Dradio Wissen und den wöchentlichen NetScout für Deutschlandradio Kultur, die Werkstatt - Digitale Bildung in der Praxis, das Montagsradio - Netzgespräche zur Zeitgeschichte u.v.a. Markus Heidmeier ist als Netzjournalist bei der Kooperative zuständig für digitale und zeitbasierte Medien, schreibt neben dem DRadio Wissen-Netzreporter unter anderem auch für ZEIT Online und gehört zum Redaktions- und Moderatorenteamteam von Breitband. Jochen Thermann ist als Autor und Dramaturg unter anderem für mehrere Theater, für DRadio Wissen und den Tagesspiegel tätig.

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