10.04.2013

Herr der Fliegen – 10000flies zeigt, was die Netzgemeinde bewegt

Aprilscherze haben auch im Internet mittlerweile eine gewisse Beliebtheit erreicht. So verkündete Twitter am 1.April, seinen Dienst fortan nicht mehr uneingeschränkt kostenlos anbieten zu wollen, sondern sich die Verwendung von Vokalen bezahlen zu lassen. Auch Microsoft, Google und andere Internetgiganten beseelten die Netzgemeinde mit mal mehr mal weniger unterhaltsamen Aprilscherzen. Welche fingierten Nachrichten am 1. April aber wirklich in den sozialen Netzwerken Verbreitung fanden, kann man bei dem neuen News-Charts-Dienst 10000flies.com nachschauen. Patrick Stegemann vom Redaktionsbüro Kooperative Berlin hat sich den Dienst für uns angesehen.

Dieser wertet jeden Tag über 4.000 Seiten aus und verfolgt, wie erfolgreich die Artikel bei Facebook, Twitter und Google+ sind. Welche Seiten genau unter die Lupe genommen werden, ist Betriebsgeheimnis, laut Gründer Jens Schröder (aka popkulturjunkie) wird jedoch ein breites Spektrum von Geek-Blogs über die Seite der Bundesregierung bis hin zu großen Nachrichtenmedien verfolgt.

Das Prinzip ist einfach: Mittels der offiziellen API-Schnittstellen von Facebook, Twitter und Google+ werden die Karrieren der gesammelten Artikel in den Netzwerken verfolgt. Gezählt wird jeder Like und Kommentar, jeder Tweet und jedes +1. Die so ermittelten Zahlen werden addiert und heraus kommt, wie viele sprichwörtliche Fliegen um einen Gegenstand kreisen: Viel Aufmerksamkeit, viele Fliegen (also flies).

Stimmungsbild und Archiv der Netzwerke 

So entsteht eine Art Einschaltquote fürs Netz; die Liste mit den 50 in den Netzwerken meist erwähnten Artikeln erscheint täglich um neun Uhr. Im Gegensatz zu dem ähnlichen und bereits etablierten Service rivva.com wird also auf eine Echtzeitdarstellung verzichtet. Das Ziel ist eher ein klar strukturiertes Ranking des Vortages zu erstellen und ein Archiv anzubieten. So können nämlich nicht nur die aktuell am regsten diskutierten Inhalte eingesehen, sondern auch nachgeschlagen werden, welche Themen seit dem 1. Januar (dem Launch der Seite) die Gemüter der Netzgemeinde erhitzten.

Journalisten, Blogger oder Redakteure können ein Stimmungsbild der Netzgemeinde einholen 

Mehr noch: Die Seite bietet Monats- und Jahresansichten, zudem können Listen jeweils für Facebook, Twitter und Google einzeln angezeigt werden – mit durchaus interessanten Einsichten. So sind die in den jeweiligen Netzwerken als besonders wichtig angesehnen Themen teilweise sehr unterschiedlich: Während bei Facebook Artikel traditioneller Nachrichtenseiten wie Spiegel-Online oder Bild dominieren, finden sich bei Twitter viel häufiger auch kleine Blogs mit eher abseitigen oder technisch versierten Themen. Größer noch als die thematischen Unterschiede zwischen den verschiedenen Netzwerken sind die Differenzen in der Verbreitung: Während der in den bisherigen Jahrescharts auf Platz 1 rangierende Artikel „Dann mach doch die Bluse zu“ bei Facebook 135.436 flies einbrachte, waren es bei Twitter 1.264 und bei Google+ nur 759 flies.

Selten rangieren auf der 10000flies-Liste jene Themen weit oben, die auch klassische Medien als relevant ansehen. Besonders häufig erfreuen sich emotionale oder humoristische Themen (vor allem des Postillons) oder Artikel über Fußball und Tierschutz großer Beliebtheit. Pro Monat wertet die Seite rund 250.000 Artikel aus, wobei nur etwa die Hälfte der Artikel überhaupt die Aufmerksamkeit der Nutzer weckt.

Hauseigener Blog bietet Analysen

Neben den täglichen Charts bietet 10000flies in seinem leider nur unregelmäßig gepflegten Blog auch einige Datenanalysen. Gründer Jens Schröder wertet darin beispielsweise exemplarisch die Daten des Monats Februar aus. Das Ergebnis: Facebook generierte  in einem Monat 6,1 Millionen Fliegen (Likes, Kommentare, Teilen) und beherrscht mit einem Anteil von 81,4% den Markt der Social Networks; Google+ hingegen mit seinen oftmals kolportierten Abermillionen Nutzern macht nur 3,2% aus.

Zu finden ist auf dem Blog eben auch der Artikel über den beliebteste Aprilscherz in diesem Jahr. Der kam nämlich von 11Freunde.de und behauptete, die UEFA hätte dem Protest des FC Schalke stattgegeben und das Spiel gegen Galatasaray Istanbul nachträglich für die Knappen gewertet. Trotz über 10.000 Fliegen an einem Tag: Die Nachricht war – leider – fingiert.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in: JOURNALISMUS & NETZ, JOURNALISMUS & TECHNIK, NEU, Neue Formate, Suchen & Finden
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    Die Kooperative Berlin ist ein Redaktionsbüro und Netzwerk für digitale Kulturproduktion. Unter anderem produziert die Kooperative Berlin den täglichen Netzreporter für Dradio Wissen und den wöchentlichen NetScout für Deutschlandradio Kultur, die Werkstatt - Digitale Bildung in der Praxis, das Montagsradio - Netzgespräche zur Zeitgeschichte u.v.a. Markus Heidmeier ist als Netzjournalist bei der Kooperative zuständig für digitale und zeitbasierte Medien, schreibt neben dem DRadio Wissen-Netzreporter unter anderem auch für ZEIT Online und gehört zum Redaktions- und Moderatorenteamteam von Breitband. Jochen Thermann ist als Autor und Dramaturg unter anderem für mehrere Theater, für DRadio Wissen und den Tagesspiegel tätig.

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