15.05.2013

Ansprüche gegen die Presse. Was tun, wenn’s knallt?

Hier ist der „Erste-Hilfe-Kasten“ für den Ernstfall! Von Lars Sobiraj.

torial-Reaktionen-auf-Berichterstattungen

Das ist der Alptraum eines jeden Journalisten. Der Betreiber erhält das Telefax eines Anwalts oder sogar Post vom zuständigen Amtsgericht. Dann spielt es keine Rolle mehr, wie viel Mühe man sich im Vorfeld mit der Recherche gemacht hat. Ist der gegnerische Jurist am Abzug, schnellen Blutdruck und Puls in die Höhe. Leider nicht nur die eigenen, sondern zumeist auch die Vitalzeichen der Verantwortlichen, denen weitere Kosten drohen.
Egal ob Radio- oder TV-Sender, Buch, Zeitung, Zeitschrift oder Online-Portal: Es kann immer wieder passieren, dass sich jemand durch die Berichterstattung in seinen Rechten beschnitten fühlt. Warum uns das drohen kann? Ganz einfach! Der Gesetzgeber möchte erwirken, dass niemand den Medien hilflos ausgesetzt ist. Jeder soll dazu in die Lage sein, sich erfolgreich gegen eine unzulässige Berichterstattung zu wehren. Grundsätzlich bedürfen viele presserechtliche Fragen einer Abwägung der Pressefreiheit auf der einen und des Persönlichkeitsrechts auf der anderen Seite. Der gesetzliche Schutz der Persönlichkeit und die Freiheit der Presse kommen sich deswegen häufiger in die Quere. So können Veröffentlichungen privater Details einer prominenten Person erlaubt sein, sofern diese Informationen für die Öffentlichkeit von besonderem Interesse sind.

Egal ob das Thema oder der Tonfall im Artikel kritisch war: Jeder Journalist sollte bei seiner Arbeit viel Sorgfalt aufwenden und möglichst nur das veröffentlichen, was sie oder er nach gründlicher Recherche beweisen kann. Wer das kann, muss sich bei Forderungen der gegnerischen Partei keine Sorgen machen. Im Gegenteil: Die Klagefreudigkeit ist umso geringer, umso stichhaltiger die Beweise für die eigene Story sind.

Doch von welchen Ansprüchen kann man überhaupt betroffen sein? Wenn sich ein Anwalt an ein Online-Portal oder an einen Verlag wendet, verlangt er entweder eine Gegendarstellung, eine Unterlassung, die Berichtigung des Artikels oder er stellt im Extremfall Geldforderungen. Diese Ansprüche können einzeln oder kombiniert beantragt werden. Um eine Waffengleichheit herzustellen, sollte jemand von der hauseigenen Rechtsabteilung oder ein beauftragter Fachjurist in Anspruch genommen werden. Vor allem kleinere Unternehmen verzichten gerne aus Kostengründen auf die Anstellung eines Juristen. Manchmal wird die Verantwortung der Auseinandersetzung anfangs sogar komplett auf den Redakteur abgewälzt. Doch ohne Juristen können Laien mangels Fachwissens nicht überprüfen, ob die Forderungen der gegnerischen Partei berechtigt sind. Eile ist geboten, ansonsten droht ein Verstreichen der gesetzten Fristen.

Doch in der Waffenkammer der Juristen gibt es noch schärfere Waffen. Die Ansprüche können auch mithilfe einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. Was man auf jeden Fall wissen sollte: Im dazugehörigen Eilverfahren des Gerichts werden die Ansprüche nicht im vollen Umfang inhaltlich geprüft. Dies geschieht erst später, sollte der Fall ordnungsgemäß vor Gericht verhandelt werden. Von daher stellt eine einstweilige Verfügung noch lange kein reguläres Gerichtsurteil dar. Sie soll binnen kürzester Zeit dafür sorgen, dass ein bestimmtes Fehlverhalten abgestellt und möglicherweise nicht mehr wiederholt werden kann.

 

Die Gegendarstellung

Gibt es berechtigte Zweifel an den Tatsachenbehauptungen des eigenen Artikels, kann der Abdruck einer Gegendarstellung eine gehbare Lösung darstellen. Dabei präsentiert der vom Artikel Geschädigte die Faktenlage in der Form, wie er sie für richtig hält. Der Gesetzgeber möchte damit erreichen, dass niemand von der Öffentlichkeitswirkung eines Artikels „überrollt“ wird. Redaktionen sind aber gut beraten, sich stattdessen auf einen formlosen Leserbrief oder die Veröffentlichung eines Interviews zu einigen. In jedem Fall sollte ein Jurist die Prüfung vornehmen, ob die vorgeschlagene Gegendarstellung den gesetzlichen Vorschriften entspricht. In der Praxis zeigte sich häufiger die Unart mancher juristischer Gegner, dass ihre Forderungen bei der Abwesenheit eines eigenen Anwalts in die Höhe schnellten. So sind beispielsweise Forderungen nach einer umfangreichen Gegendarstellung nichtig, wenn der eigene Artikel deutlich kürzer war. Die Gegendarstellung darf den Artikel folglich nicht durch ihren Umfang „erschlagen“. Auch darf die Gegendarstellung inhaltlich nicht komplett vom Thema abweichen.

 

Die Unterlassung

Dabei fordert der Betroffene im Rahmen der strafbewehrten Unterlassungserklärung, dass das angeschriebene Medienunternehmen sein Verhalten nicht wiederholt. Die wiederholte Veröffentlichung von Falschaussagen, beleidigenden Werturteilen, Videos oder Fotos soll damit in jedem Fall vermieden werden. Um dies sicherzustellen, wird eine Vertragsstrafe vereinbart, die bei jedem weiteren Verstoß gezahlt werden muss. Daneben gibt es auch den vorbeugenden Unterlassungsanspruch, um eine Erstveröffentlichung zu verhindern.

Als rechtliche Voraussetzung muss erfüllt sein, dass das Medienunternehmen aufgrund von falschen Tatsachenbehauptungen den Betroffenen in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt hat. Das können neben beleidigenden Aussagen auch Details aus dem Privatleben einer Person oder nicht zur Veröffentlichung genehmigte Fotos oder Videos sein. Sollte sich das Medienunternehmen weigern, die Unterlassungserklärung abzugeben, wird vor Gericht geprüft, ob die Berichterstattung tatsächlich fehlerhaft war. Das muss der Kläger dann vor Gericht glaubhaft machen.

 

Berichtigung (Widerruf, Richtigstellung, Ergänzung)

Sollte der Artikel von vorne bis hinten unwahr sein, kann von der Redaktion verlangt werden, den Artikel mithilfe eines Widerrufs komplett zurückzuziehen. Meistens wird aber eine Richtigstellung der falschen Aussagen oder eine Ergänzung bisher nicht erwähnter Tatsachen angestrengt. Das kann auch der Fall sein, sofern durch den Bericht ein falscher Eindruck vom Betroffenen vermittelt wird. Auch hier darf die geforderte Berichtigung oder Ergänzung den Umfang des ursprünglichen Artikels nicht um ein Vielfaches übersteigen. Wurde wirklich fehlerhaft berichtet, so sollte im Idealfall freiwillig eine Korrektur des Artikels vorgenommen werden. Dadurch erspart man sich unnötige Anwalts- und Gerichtskosten. Allerdings spielt hierbei die Platzierung des Artikels eine große Rolle. Stand der ursprüngliche Artikel weiter hinten in einer Zeitungsausgabe, so kann niemand verlangen, die Aufmerksamkeit aller Leser durch eine Platzierung der Korrektur auf der Titelseite zu erreichen. Sind Tatsachenbehauptungen im Kern wahr, werden Richter es zumeist ablehnen, dass Korrekturen kleinerer Ungenauigkeiten vorgenommen werden müssen.

Manchmal gerät man allerdings an Anwälte, die sogar nach erfolgter mehrfacher Korrektur versuchen, weitere Ansprüche zu stellen. Gerät man an einen „Spezialisten“, der versucht, einen zu weiteren Zugeständnissen zu drängen, so sollte man zum Ausgleich der Waffengewalt unbedingt einen eigenen Anwalt einschalten. Wenn dieser statt der Redaktion antwortet, werden oftmals alle Forderungen auf ein normales Maß zurückgefahren.

 

Geldzahlungsansprüche (Schadenersatz, Schmerzensgeld)

In besonders schweren Fällen werden sogar Geldzahlungsansprüche beansprucht. Zumeist stellen Unternehmen derartige Forderungen, weil sie glauben, dass durch die unzulässige Berichterstattung ein Geschäftsschaden entstanden ist. Vor Gericht muss das klagende Unternehmen dann den durch den Artikel erlittenen Schaden beweisen. Die Forderung ist zudem nur gültig, sofern dem Journalisten schuldhaftes Verhalten bewiesen werden kann, weil er gegen die Sorgfaltspflicht verstoßen hat.

Privatpersonen können bei schweren Verletzungen ihrer Persönlichkeit oder Ehre Schmerzensgeld fordern, sofern kein anderer als ein finanzieller Ausgleich möglich ist. Dafür muss die Beleidigung oder sonstige Persönlichkeitsverletzung aber sehr tief greifend sein.

 

Ausnahmen

Glücklicherweise muss dank des deutschen Presserechts nicht auf jede Forderung eingegangen werden. Alle Ansprüche gegenüber der Presse setzen nämlich voraus, dass es sich bei der strittigen Passage um keine Meinungsäußerung handelt. Ansprüche aufgrund der Veröffentlichung der Unwahrheit dürften gestellt werden. Die Veröffentlichung der eigenen Meinung muss hingegen nicht korrigiert oder widerrufen werden. Wenn ein Redakteur beispielsweise zum Urteil kommt, dass er ein bestimmtes Produkt für unzweckmäßig hält, so darf er dies auch in seinem Bericht zum Ausdruck bringen, dafür muss sich niemand entschuldigen.

 

Fazit

Zwar ist es unter dem Strich gut zu wissen, welche Rechte man als Journalist hat und welche Konsequenzen auf einen zukommen können. Doch spätestens wenn es nach einer gescheiterten Einigung ans Eingemachte geht, muss man sich die kompetente Hilfe eines Anwalts für Medienrecht holen. Egal ob es einen selbst oder seinen Arbeitgeber betrifft: Es macht aufgrund der erheblichen Risiken keinen Sinn, sich ohne juristischen Beistand eigenhändig einen Pfad durch den Paragrafendschungel zu schlagen. Bei dem Versuch sind schon so manche vom Weg abgekommen.

 


 

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