19.07.2013

Wie Behörden beim Informationsfreiheitsgesetz tricksen

Recht und Realität bei der Informationstransparenz zwischen Behörden und Journalismus.

Ausnahmen als Regel

Als der Bundestag das Informationsfreiheitsgesetz  2005 verabschiedete, hatten Interessengruppen das Gesetz bereits durch eine Vielzahl von Ausnahmetatbeständen verwässert. So kann man auf Grundlage des IFG keine Auskunft von Geheimdiensten erhalten, was gerade in Zeiten von NSU, PRISM und Tempora für Journalisten von Interesse wäre. Der Auskunftsanspruch ist nach dem Gesetz auch ausgeschlossen, wenn „internationale Beziehungen“ berührt sind, „sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr“, die „innere oder äußere Sicherheit“, die Finanzkontrolle, der Außenwirtschaftsverkehr, und und und. Die Liste ließe sich ewig fortsetzen (www.gesetze-im-internet.de/ifg/__3.html). Organisationen wie der Deutsche Journalisten-Verband oder die Humanistische Union kritisieren daher seit Langem die vielen Ausnahmeregeln im Gesetz und fordern eine Novelle des IFG.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar kritisierte bereits im Mai 2010 vor der Bundespressekonferenz (Beitrag ab Stelle 6:58 Min.): „In vielen Fällen stellen wir fest, stellen auch die Antragsteller fest, versuchen die Behörden Ausnahmetatbestände zu finden, die es ihnen ermöglichen zu begründen, weshalb sie den Informationszugang versagen.“

 

Stellen entziehen sich dem Gesetz

Das Tricksen der Behörden fängt aber schon an, bevor es überhaupt zur Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes kommt. Manchmal meinen Behörden zu Unrecht, das IFG finde auf sie keine Anwendung. So stellte ich im Jahr 2006 einen IFG-Antrag beim WDR. Dieser behauptete, er unterliege als Rundfunkanstalt nicht dem Gesetz. Die Landesdatenschutzbeauftragte war anderer Auffassung und sprach eine sogenannte formelle Beanstandung, eine Rüge gegen den WDR bei der Staatskanzlei, aus (siehe hier, S. 12 f.). Nach mehreren Jahren Rechtsstreit bestätigte das Bundesverwaltungsgericht nun, dass der WDR dem IFG unterliegt (siehe hier).

Als ich kürzlich einen IFG-Antrag bei der Deutschen Welle stellte, teilte mir die Rechtsabteilung des Senders mit, „dass die Deutsche Welle nicht unter den Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes fällt“. Beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit nachgefragt, bestätigte man mir, dass auch die Deutsche Welle sehr wohl nach dem IFG auskunftspflichtig ist, wenn sie „außerhalb ihres Programmauftrags und der Wahrnehmung der Rundfunkfreiheit handelt“, also etwa, wenn es um eine Anfrage zu Baumaßnahmen gehen würde.

 

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

Zum Lieblingsinstrument der Behörden, wenn es darum geht, IFG-Anfragen zu unterlaufen, gehören Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Sie werden selbst dann bemüht, wenn gar keine vorliegen. Etwa als eine Antragstellerin wissen wollte, wie viele Videoüberwachungskameras es auf deutschen Bahnhöfen gäbe und das Innenministerium sich auf das Betriebsgeheimnis der Bahn berief.

Damit ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vorliegt, müssten nach juristischer Definition nämlich Tatsachen gegeben sein, die nicht nur subjektiv nach dem Willen des Unternehmens, sondern auch objektiv nach dessen wie es heißt „berechtigten und schutzwürdigen wirtschaftlichen Interessen“ geheim gehalten werden sollen. An letzterem Kriterium fehlt es aber häufig. Sobald überhaupt Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse berührt sind, weigern sich Pressesprecher oft sofort pauschal, den Informationszugang zu gewähren.

 

Gebühren als Abschreckung

Das IFG sieht in bestimmten Fällen vor, dass auch Gebühren erhoben werden können. Obergrenze: 500 Euro. Diese Möglichkeit reizen Behörden gerne aus. Das bekannteste Beispiel sind die Recherchen der Journalisten Daniel Drepper und Niklas Schenck zum Medaillenspiegel, bei denen das Innenministerium die Anträge der Rechercheure in viele Einzelanträge aufsplittete und so am Ende eine Gebührenforderung über 14.952 Euro (Laudatio von Georg Mascolo zur „Geschlossenen Auster“) herauskam.

Als Antragsteller sollte man die Behörde bitten, einen vorher zu informieren, wenn Gebühren erhoben werden, da sonst eine Maschinerie in Gang gesetzt wird, die teuer für den Antragsteller werden kann. Deshalb stellte ich IFG-Anträge stets „unter dem Vorbehalt, dass keine Gebühren erhoben werden“. Eines Tages weigerte sich das Bildungsministerium der inzwischen zurückgetretenen Annette Schavan mit der Begründung, ein Antrag könne nicht unter Vorbehalt gestellt werden, einen IFG-Antrag von mir zu bearbeiten. Seitdem verwende ich eine andere Formulierung.

Das Justizministerium schickte mir vor einiger Zeit einfach ohne Zwischennachricht einen Gebührenbescheid, obwohl ich zuvor ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass ich nur an einer gebührenfreien Auskunft interessiert wäre und andernfalls um Nachricht bäte. Nachdem ich Beschwerde beim Bundesdatenschutzbeauftragten einlegte, musste ausgerechnet das Justizministerium seinen Bescheid zurücknehmen.

Das ebenfalls FDP-geführte Wirtschaftsministerium verlangte bei der Recherche für eine MEEDIA-Story von mir gar Gebühren für das „Ziehen der Akte, Suchen des Schriftstücks … sowie Wiedereinheften des Schriftstücks“. Der Bundesdatenschutzbeauftragte teilte mir daraufhin mit, er halte diese Tätigkeiten „für nicht gebührenpflichtig“ nach der IFG-Gebührenverordnung.

 

Illegale Forderung nach Vorkasse

Weder das IFG noch die dazugehörige Gebührenverordnung sehen vor, dass Behörden von einem Antragsteller Vorkasse bei den Gebühren verlangen können. „Vorkasse entspricht nicht dem Grundgedanken des Informationsfreiheitsgesetzes, Verwaltungshandeln transparenter zu gestalten“, so der Bundesdatenschutzbeauftragte in seinem vorletzten Tätigkeitsbericht. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Stellen nicht auch das machen würden. Als ich von der Bundestagsverwaltung unter anderem wissen wollte, welche Gastgeschenke angeschafft wurden, forderte ein Sprecher für eine Auskunft zu einem Teil meiner Fragen 360 Euro Gebühren, die ich auch noch im Voraus überweisen sollte. Dabei dürfen Behörden nach geltendem Recht nur Vorkasse verlangen, wenn ein IFG-Antragsteller zuvor schon einmal nicht gezahlt hat, was bei mir aber nicht der Fall war. Nicht anders beim Arbeitsministerium, das kürzlich von mir die Zahlung von 228,40 Euro IFG-Gebühren per Vorkasse verlangte. Als ich auf die Rechtslage hinwies und eine Begründung für die Forderung nach Vorkasse verlangte, verzichtete das Ministerium plötzlich auf Vorkasse.

 

An den Beispielen merkt man, dass es sicherlich noch einige Zeit dauern wird, bis der Geist des Informationsfreiheitsgesetzes in den Köpfen angekommen ist, sich ein entsprechender Mentalitätswandel vollzogen hat und Transparenz und bürgerfreundliches Handeln in allen deutschen Amtsstuben Einzug halten.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in: Gesetze, Regeln, Urteile, NEU

0 Kommentare zu diesem Artikel


  1. Christopher Schmidt

    Danke für das Mitteilen der persönlichen Erfahrungen zum IFG. Ein wirklich sehr informativer Blogeintrag.

  2. Danke!


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