09.10.2013

„Ob Journalisten profitieren, muss sich noch herausstellen“

Der Anwalt und Anti-LSR-Aktivist Till Kreutzer über den aktuellen Stand beim Leistungsschutzrecht und die Frage, ob und wie Journalisten tangiert werden.

Till Kreutzer ist Rechtsanwalt und Partner von i.e., dem Büro für informationsrechtliche Expertise in Hamburg und Berlin. Er berät unter anderem Medienunternehmen und öffentliche Institutionen in urheber-, persönlichkeits- und datenschutzrechtlichen sowie IT-Rechtsfragen. Er ist Initiator, Betreiber und Leiter der Informationsplattform IGEL, einer Initiative gegen das Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Im Gespräch mit torial spricht er über den aktuellen Stand der Entwicklung beim LSR.

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torial: Herr Kreutzer, um das Leistungsschutzrecht für Presseverleger scheint es vergleichsweise still geworden zu sein, seit dem es am 1. August in Kraft getreten ist. Von Rechnungen, die Verlage Aggregatoren oder Suchmaschinen ausgestellt haben, ist ebenso wenig zu hören wie von einer Abmahnwelle. Ist das eine Art von Ruhe vor dem Sturm?

Till Kreutzer: Eigentlich hat sich schon eine ganze Menge getan. Zunächst hat Google reagiert und Google News auf ein Opt-In-System umgestellt. Andere Aggregatoren – kleinere wie Rivva und große wie Yahoo-Nachrichten – haben Snippets von Verlagswebseiten vorerst gänzlich gesperrt. Bekanntlich hatte Googles Nachfrage zur Folge, dass die weitaus meisten Verlage – jedenfalls vorläufig – der weiteren Nutzung zugestimmt und im gleichen Zuge auf Vergütungsansprüche aus dem LSR verzichtet haben.

Im Übrigen wird hinter den Kulissen an einer Verwertungsgesellschaftslösung gearbeitet. Die VG Wort hat sich bereits in Stellung gebracht, die VG Media ist auch im Gespräch. Man wird davon ausgehen können, dass die Verlage abwarten, bis hier eine Lösung in Sicht ist, um dann über Vergütungszahlungen zu verhandeln.

torial: Sie selbst haben mit der Initiative IGEL lange gegen das LSR gekämpft. Hat es Sie überrascht, dass es trotz zahlreicher Proteste umgesetzt wurde?

Kreutzer: Ich würde sagen, es hat mich eher enttäuscht als überrascht. Ich hatte gehofft, dass die Politik sich nicht einfach über den massiven Widerstand von allen Seiten hinwegsetzt, um einer reinen Klientelforderung nachzukommen. Gerechnet habe ich aber mit allem. Letztlich ist das Ganze ein fauler Kompromiss. Man hat zwar ein LSR geschaffen – ob es aber überhaupt einen Anwendungsbereich hat, ob also irgendjemand davon profitieren kann, hat man jedoch bewusst offen gelassen. Das ist schlechte Politik.

torial: Unter Journalisten gab es ja unterschiedliche Auffassungen. Traditionelle Gewerkschaften wie der DJV waren für das LSR, solange Journalisten ihren Teil abbekommen. Jüngere Verbände wie die Freischreiber kritisierten es scharf. Profitieren Journalisten vom neuen Recht oder verlieren Sie Ihrer Meinung nach?

Kreutzer: Auch das muss sich erst noch herausstellen. Die Meinungen unter den Fachjuristen über die Frage, ob und wenn wovon und in welchem Ausmaß Journalisten von Erträgen aus dem LSR profitieren, hängt zunächst davon ab, ob überhaupt Zahlungen in nennenswertem Umfang geleistet werden. Ich habe daran große Zweifel und vermute eher, dass die großen potenziellen Zahler – allen voran Google – keinerlei Zahlungen leisten werden. Sie werden eher auf Snippets verzichten oder sie auf ein Mindestmaß kürzen. Das würde Journalisten wie Verlagen und auch den Nutzern, die Suchmaschinen verwenden, erheblich schaden.

Wenn denn doch Geld gezahlt werden sollte, hängt die Frage, ob und inwieweit Journalisten davon profitieren, gänzlich von der Verteilungspraxis ab. Verlagsnahe Juristen haben sich bereits in Stellung gebracht und argumentiert, dass die Journalisten von den Einnahmen aus der designierten Haupterlösquelle des LSR – die Nutzung von Snippets durch Suchmaschinen und Aggregatoren – gar nicht profitieren sollen, wie Stefan Niggemeier kürzlich ausgeführt hat.

torial: Nun hat sich ausgerechnet – sie haben es erwähnt – die VG Wort, die bereits Textrechte von Journalisten und Verlagen vertritt, als mögliche LSR-Verwertungsgesellschaft ins Gespräch gebracht. Ist das gut oder schlecht für Journalisten?

Kreutzer: Das hätte immerhin den Vorteil, dass keine neue VG gegründet werden müsste, was Zeit und Geld kosten würde. Die VG Wort hat natürlich viel Erfahrungen auf dem Gebiet und nach ihren Verteilungsplänen werden die Einnahmen aus der Rechteverwertung zu jeweils 50 Prozent an Autoren und Verlage ausgeschüttet. Ob diese Praxis auch in Bezug auf das LSR eingeführt würde, ist natürlich nicht sicher.

Ein weiterer Vorteil wäre, dass die meisten Journalisten ohnehin schon Mitglied der VG Wort sind, sie müssten also nicht einer weiteren VG beitreten, bei der die Bedingungen für die Mitgliedschaft zunächst unklar sind. Aber letztlich hängt auch diese Antwort davon ab, ob überhaupt Einnahmen erzielt werden – und wenn, ob und wie viel die Journalisten davon abbekommen.

torial: Was erwarten Sie in den nächsten Monaten von Verlagsseite – wird es erste juristische Schritte gegen „LSR-Verletzer“ geben?

Kreutzer: Von den – richtigen – Verlagen m.E. zunächst nicht, sie werden auf eine VG-Lösung warten und wenn die nicht funktioniert, im Zweifel Musterprozesse gegen Google führen. Das Verhalten von Pseudo-Verlagen, die möglicherweise versuchen, mit Abmahnungen gegen Suchmaschinen-Betreiber ein neues Geschäftsmodell zu etablieren, ist schwer vorherzusehen. Das LSR bietet für solche Dinge jedenfalls eine Menge Einfallstore.

torial: Es hat viele Beobachter erstaunt, dass diverse Verlage, darunter auch der LSR-Champion Springer, Google die Genehmigung erteilt haben, ihre Inhalte weiterhin bei Google News zu übernehmen. Erweist sich dadurch das LSR an sich nicht als unnötig? Oder handelt es sich nur um ein Zwischenspiel?

Kreutzer: Die großen Verlage bezeichnen das als Zwischenspiel, das nur solange läuft, wie eine VG noch nicht zur Verfügung steht. Ich bin gespannt, was passiert, wenn eine VG-Lösung nicht funktioniert, sich also herausstellt, dass mit dem LSR kein Geld eingetrieben werden kann. Dann wird sich herausstellen, ob Dienste wie Google News oder gar Suchmaschinen aus Sicht der Verlage tatsächlich mehr Nach- als Vorteile haben.

Denn dann besteht nur noch die Wahl, entweder auf Ansprüche zu verzichten und weiterhin gefunden oder ausgelistet zu werden. Ich bin mir sehr sicher, dass wenn die Wahl lautet, entweder LSR oder in Suchmaschinen und Aggregatoren mit Snippets gefunden werden, die Entscheidung für Letzteres ausfallen wird.

torial: Auf wen ist das LSR, das verabschiedet wurde, letztlich gemünzt, nur Aggregatoren und Suchmaschinen? Oder könnte es auch eine Bloggerin oder einen journalistischen Autor treffen, wenn er Verlagsinhalte übernimmt?

Kreutzer: Wenn es nur um die Verwendung von Snippets geht, glaube ich das nicht. Unklar ist allerdings die Verwendung von eingebundenen Suchfunktionen in Blogs, die Google-Funktionen implementieren und mit denen man neben der eigenen Seite auch das Netz durchsuchen kann. Solche sind weit verbreitet, es ist aber unklar, ob ein Blogger durch Verwendung einer solchen Funktionalität zum Anbieter einer Suchmaschine wird.

torial: IGEL wurde auch von Google unterstützt. Dort hat man seine Anti-LSR-Kampagne mittlerweile sang- und klanglos eingestellt. Arrangiert sich der Konzern einfach und kämpft nicht mehr für ein „freies Netz“, wie er es anfangs behauptete?

Kreutzer: Das kann ich nicht sagen, weil ich keinen Einblick in die Entscheidungsprozesse bei Google habe. Allerdings stellt sich die Frage, was man jetzt dort anders tun sollte, als mit der Einführung der Opt-In-Lösung bereits geschehen ist. Mit diesem Schachzug hat das Unternehmen schließlich dafür gesorgt, dass sich faktisch nichts geändert hat.

torial: Wie geht die Entwicklung beim LSR weiter? Könnte eine große Koalition es noch kippen?

Kreutzer: In einer anderen Regierungskonstellation wäre das m.E. denkbar. Dass eine CDU-geführte Regierung das Thema in der nächsten Legislaturperiode noch einmal anfasst, halte ich aber für sehr unwahrscheinlich.

torial: Wir danken für das Gespräch.

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