08.04.2014

24 h Jerusalem – Think big!

24 Stunden Jerusalem – BR und ARTE nehmen das am 12. April wörtlich. Ebenso wichtig ist das mächtige Second-Screen-Angebot – das voll auf Nutzerbeteiligung setzt.

24Jerusalem.BerndOswald.780pxBU: Egal, ob auf Smartphone, Tablet oder Computer: auf http://www.24hjerusalem.tv/ kann man sich jederzeit auf den neuesten Stand der Dokumentation bringen.

Jerusalem – ein Kulminationspunkt verschiedenster Kulturen und dreier Weltreligionen, politisch umkämpft zwischen Israelis und Palästinensern. Beide Nationen beanspruchen sie als Hauptstadt, es gibt kaum ein komplizierteres Problem in der Weltpolitik. Jerusalem hat schon viele Revolutionen gesehen. Am 12. April kommt eine weitere hinzu – dieses Mal eine mediale: der Bayerische Rundfunk und ARTE senden in ihrem Fernsehprogramm 24 Stunden lang eine Dokumentation über diese schillernde Stadt und ihre Bewohner, die im Alltag auf jedem Meter an neue Grenzen stoßen.

Doch beim Fernsehen allein darf es ein Fernsehsender heute nicht mehr belassen, 24h Jerusalem ist als transmediales Erlebnis konzipiert. “24h Jerusalem ist nicht nur ein formatsprengendes, dokumentarisches TV-Programm, sondern zugleich eine ganze Welt, in die man eintauchen kann”, sagt Silke Kützing, die beim BR in der Kinofilm und Zulieferungskoordination mit ARTE arbeitet.

Vines sind gefragt
Und zu dieser Welt gehört natürlich auch ein interaktives und multimediales Online-Angebot. Think big, ist die Devise. Regelmäßig erscheint im TV-Programm unten links die Angabe, wie spät es ist. Wenn der Online-Nutzer diese Uhrzeit auf http://www.24hjerusalem.tv/ eingibt, kann er seinen zweiten Bildschirm mit den bisherigen Handlungen synchronisieren und sehen, was in der Zwischenzeit passiert ist. Die Second Screen-Inhalte sollen helfen, das Geschehen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, und vertiefende und erklärende Informationen liefern. Im Angebot sind kurze Texte, Karten, Quizzes, biographische Infos zu den Protagonisten und Vines.

Vines? Ach ja, das waren die sechssekündigen Twitter-Videos. Am 12. April “vinen” zum einen Regisseure, Fotografen und Künstlern direkt vor Ort in Jerusalem und transportieren so ihre Eindrücke aus nächster Nähe, visuelle Gedichte oder experimentelle Bilder. Zum anderen sind auch die Nutzer explizit aufgerufen, Vines mit Jerusalem-Bezug mit dem #24hjerusalem zu twittern, egal, ob man selbst in Jerusalem ist oder nicht. Die User-Vines sollen am besten in eine der Kategorien #Familie #Arbeit #Erziehung #Traum #Angst #Essen #Religionen #Grenzen #geteilte_Stadt oder #Geschichte passen. Die besten „Vines“ werden ausgewählt und auf 24hjerusalem.tv veröffentlicht. “Der Austausch mit anderen Usern und dem Team wird zur kollektiven Erfahrung: informativ, poetisch und spielerisch zugleich”, verspricht Silke Kützing.

Den ganzen Aufwand betreiben der BR und ARTE natürlich nicht nur für 24 Stunden. Zwei Monate lang geht das Second Screen-Erlebnis noch weiter, können die Nutzer sich also weiter einbringen. Danach bleiben die Inhalte als “dokumentarisches Kulturarchiv” im Netz: Filter erlauben die Suche nach Themen, Orten und Protagonisten und den passenden Texten, Fotos und Videos dazu.

Schon online: das Videotagebuch des Regisseurs
Gedreht wurde am 18. April 2013, sage und schreibe 70 Filmteams begleiteten insgesamt rund 90 Protagonisten. Rund um den Dreh waren insgesamt etwa 500 Personen vor und hinter den Kameras beschäftigt. Das Mammut-Projekt hat 2,4 Millionen Euro gekostet. Dafür haben die Koproduktionspartner ARTE, Bayerischer Rundfunk, zero one 24, Alegria Productions & upian zusammengelegt, und auch die Filmförderung Frankreich CNC sowie die Film- und Medienstiftung NRW haben 24h Jerusalem finanziell gefördert.

Seit Mitte März berichtet Regisseur Volker Heise zur Einstimmung auf 24h Jerusalem in einem 24-teiligen Videotagebuch von den enormen Schwierigkeiten bei den Recherchen. Ursprünglich sollte schon im September 2012 gedreht werden, doch die palästinensische Seite boykottierte den Dreh damals, weil sie befürchtete, Jerusalem würde nur aus israelischer Sicht dargestellt. Volker Heise und ARTE haben schon Erfahrung mit Mega-Dokus: 2009 lief auf ARTE 24h Berlin, das allerdings deutlich weniger interaktiv angelegt war. Insofern schlagen ARTE und der BR jetzt ein neues Kapitel des transmedialen Storytellings auf.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in: JOURNALISMUS & NETZ, Kommunizieren & Dialog, Neue Formate
  • Über Bernd Oswald

    Bernd Oswald, Jahrgang 1974, ist Autor und Trainer für digitalen Journalismus. Mich fasziniert es, wie die Digitalisierung (nicht nur) den Journalismus verändert: mehr Quellen, mehr Transparenz, mehr Interaktion, ganz neue Möglichkeiten des Geschichtenerzählens, vor allem visuell und mit Daten. Über diese Phänomene schreibe, blogge, twittere und lehre ich seit 2009.

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