30.04.2014

„Sie können mit Online-Journalismus Geld verdienen“

Watson.ch versucht in der Schweiz, eine neue journalistische Marke im Netz aufzubauen. torial sprach mit Gründer Hansi Voigt über die Ideen hinter der Seite.

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Quelle: watson.ch

torial: Für alle, die Watson.ch noch nicht kennen – welches Konzept verfolgt die neue Schweizer Nachrichtenseite? Ist es eine Mischung aus Buzzfeed und Huffington Post? Und wenn ja, was bedeutet das?

Hansi Voigt: Wir versuchen, den Spagat zwischen Informationsbedürfnis und Zeitvertreib hinzubekommen und verstehen uns als Newsportal, das durchaus relevante Themen bringt, aber auch unterhalten darf. Dazu haben wir uns von verschiedensten Plattformen etwas abgeschaut. Buzzfeed und HuffPost gehören sicher auch dazu. Aber es wäre wohl falsch, einfach vermeintliche US-Erfolgsrezepte zu kopieren. Ich vergleiche uns gerne mit einer gut gemachten Radiosendung. Am Anfang haben Sie die Nachrichten, dann kommt viel Musik, unterbrochen von moderierten journalistischen Beiträgen und Serviceleistungen.

torial: In der Schweiz gab es einen enormen Hype um Watson.ch. Woraus speiste der sich?

Voigt: Ich denke, wenn 2014 jemand sagt, „wir glauben an redaktionelle Inhalte und versuchen da was größeres Redaktionelles“, genügt das zurzeit schon, um zum Sehnsuchtsort der Branchenfantasien zu werden. Das ist leider ein etwas trauriges Statement zum Gesamtgemütszustand der Medienschaffenden.

torial: Man könnte Watson.ch auch als journalistisches Start-up bezeichnen – es steckt keine große Medienmarke dahinter und sie haben trotzdem eine Vollredaktion. Woher kommt das Geld?

Voigt: Peter Wanner ist der Hauptinvestor. Er besitzt das viertgrösste Verlagshaus der Schweiz [AZ Medien, Anm. d. Red.]. Watson startet aber als eigenständiges Unternehmen, bewusst außerhalb der Verlagsstruktur und auf der grünen Wiese. So ist die Flexibilität und die Agilität gegeben, die es wohl für so ein Unterfangen braucht.

torial: Welche Erwartungen haben Ihre Investoren an Sie? Journalismus im Web gilt ja nicht grundsätzlich als Gewinnbringer.

Voigt: Sie können mit Online-Journalismus Geld verdienen. Ich war acht Jahre lang bei „20 Minuten Online“. Dort wurden und werden Jahr für Jahr erhebliche Gewinne erzielt. Watson soll in vier Jahren in die Gewinnzone kommen.

torial: Soll Watson.ch rein auf Werbung basieren oder soll es auch andere Einnahmequellen geben?

Voigt: Die Werbung ist die Haupteinnahmequelle. Wir können uns aber vorstellen, dass wir irgendwann andere Erwerbsquellen erschliessen, zum Beispiel Teile unseres selbst entwickelten Content-Management-Systems in Lizenz vergeben. Aber noch sind wir nicht soweit.

torial: Wie stehen Sie zu den umstrittenen „Native Ads“, bei denen Werbung und Inhalt verschwimmen können?

Voigt: Das ist für mich nur eine Frage der Transparenz. Wenn klar gekennzeichnet wird, welche Interessen hier verfolgt werden, ist das meiner Meinung nach weniger problematisch als die meisten Auto-Tests oder Reise-Reportagen.

torial: Was ist der Unterschied zwischen einem Text bei einem „regulären“ Online-Medium und einem typischen Watson.ch-Stück?

Voigt: Watson-Artikel werden nicht gedruckt. Wir können also Bilder, Textpassagen, Video-Integration kombinieren wie wir wollen. Andere Online-Medien können das natürlich auch, opfern diese Möglichkeiten aber wohl manchmal im Zuge der Konvergenzüberlegungen, die in vielen Verlagshäusern zurzeit gemacht werden. Mit zunehmender Leserschaft wollen wir auch die User-Inputs noch verstärkt einbauen, das kommt aber noch zu kurz.

torial: Unterscheiden sich die redaktionellen Prozesse bei Watson.ch von anderen Online-Publikationen? Achten sie besonders auf Viralität?

Voigt: Als nagelneues Portal können Sie nicht davon ausgehen, dass vom ersten Tag an eine Million User auf ihre Front kommen. Für uns ist es deshalb sehr wichtig, dass sich eine Story über die sozialen Medien fortsetzt. Ausserdem finde ich, dass die Sharing-Rate einer Story ein wesentlich besseres Qualitätsindiz ist als etwa reine Klickzahlen. Grundsätzlich sollten Medien sowieso sozialer werden und entsprechend nicht nur senden, sondern vermehrt auch empfangen.

torial: In Ihrer Selbstbeschreibung heißt es, Sie hätten auch keine Scheu davor, Nutzer per Link zu anderen Seiten „wegzuschicken“. Das war lange für viele Online-Medien mit Printhintergrund ein größeres Problem.

Voigt: User nutzen heute eine Vielzahl an Quellen und es stehen unendlich viele Informationen zur Verfügung. Eine Übersicht zu schaffen, eine Auswahl zu bieten und auch mal zu guten Informationen zu verweisen ist letztlich ein journalistischer Service. Diesen Empfehlungsservice sollten wir nicht ausschliesslich Twitter oder anderen sozialen Netzwerken überlassen.

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torial: Sie haben eine „Content-Partnerschaft“ mit „Spiegel Online“. Worin besteht die?

Voigt: Wir können grosse Teile der Spiegel-Online-Artikel integral übernehmen und auf Watson präsentieren. Für die übernommenen Artikel fließt Geld. Außerdem tauschen wir uns sehr offen mit den Kollegen von Spiegel Online über unsere Erfahrungen und Learnings aus. Was für uns als kleine Schweizer natürlich zunächst ein Riesenkompliment war.

torial: Glauben Sie, dass Spiegel Online von der Machart von Watson.ch lernen kann?

Voigt: Also wir können bestimmt auch viel von Spiegel Online lernen. Man muss hier aus Watson-Sicht natürlich auf dem Teppich bleiben. Wir haben vor allem das Privileg des naiven Neulings. Wir können uns als kleiner No-Name eine große Experimentierfreude leisten, die die Leserschaft einer großen Marke nie verzeihen würde – von den professionellen Betrachtern der Medienbranche mal ganz abgesehen! Die Resultate unserer Selbstversuche teilen wir gerne mit den Spiegel-Kollegen. Die Positiven wie die Negativen.

torial: Bislang sind US-Größen wie Buzzfeed oder Upworthy noch nicht im deutschsprachigen Raum vertreten. Wird sich das ändern? Und wenn ja, welche Chancen haben Sie?

Voigt: Ich gehe davon aus, dass Buzzfeed bald in Deutschland startet. Interessant wird vor allem sein, ob eine 1:1-Kopie funktionieren wird. Die Medienprägung im deutschsprachigen Raum ist doch sehr anders als in den USA. Hier waren wir alle vor nicht all zu langer Zeit Zeitungsleser. Entsprechend hoch sind die Qualitätsansprüche an unsere Medienmarken. In den USA gab,s nie wirkliche nationale Printtitel und man schaut seit drei Generationen nur TV. Ich glaube, da ist man weniger verwöhnt.

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