14.04.2014

Stiftungsjournalismus in den USA

Achim Fehrenbach beleuchtet den Einfluss verschiedener Stiftungen auf die amerikanische Medienlandschaft.


Die deutsche Medienlandschaft hatte in den letzten Jahren einige Hiobsbotschaften zu verkraften. 2012 meldete die Frankfurter Rundschau Insolvenz an, die Rettung durch FAZ und Frankfurter Societät GmbH war mit einem starken Personalabbau verbunden. Im selben Jahr erwischte es die chronisch defizitäre Financial Times Deutschland, sie wurde komplett eingestellt. Im April 2013 wurde die Nachrichtenagentur dapd insolvent, hundert Festangestellte verloren ihren Job. Derzeit kämpft eine ganze Reihe deutscher Medien ums wirtschaftliche Überleben, die wegbrechenden Vertriebs- und Anzeigenerlöse machen Verlagen schwer zu schaffen. Immer mehr Leser und Zuschauer wandern ins Netz ab – ein wirklich überzeugendes Erlösmodell für Online-Inhalte wird aber noch gesucht.

Der Medienwandel in Deutschland mag harsch erscheinen. In den USA ist er aber noch weitaus drastischer. Das Zeitungssterben hat dort viele Printmedien von der Bildfläche verschwinden lassen, Seiten wie newspaperdeathwatch.com veröffentlichen Nachrufe auf Tageszeitungen. Selbst in manchen größeren Städten gibt es kaum noch Medien, die über lokale Entwicklungen berichten. Besonders hart trifft die Krise den investigativen Journalismus, denn der kostet die Verlage viel Zeit und Geld. Anstatt in harte Recherche zu investieren, schaffen Zeitungsmanager lieber ein „wirtschaftsfreundliches“ Umfeld, um wenigstens noch die verbleibenden Anzeigen zu sichern. Der Mangel an kritischem, fundiertem Journalismus wird noch dadurch verschärft, dass es keinen landesweiten öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit Informationsauftrag gibt.

Als Reaktion auf fehlenden Qualitätsjournalismus sind in den USA schon früh gemeinnützige Organisationen auf den Plan getreten. Seit den 1960er Jahren stellen große US-Stiftungen erhebliche Summen für Non-Profit-Journalismus zur Verfügung. Genaue Zahlen zum Umfang der Förderung gibt es zwar nicht. Die Autoren einer Studie von 2011 schätzen jedoch, dass in der vorangegangenen Dekade mehr als eine Milliarde US-Dollar gespendet wurde. Allein die Knight-Stiftung habe unabhängigen Journalismus mit 400 Millionen US-Dollar gefördert, schreibt Prof. Lewis Friedland vom Center for Communication and Democracy. Das Engagement der Stiftungen habe sich deutlich auf die Medienlandschaft ausgewirkt, so Friedland; besonders Lokaljournalismus, investigativer Journalismus und Themen-Journalismus (u.a. über Gesundheitspolitik) hätten davon erheblich profitiert. Die Fördermittel ermöglichten die Einrichtung von Redaktionen, Netzwerken und Journalistenschulen.

Knight-Foundation

Die Studie listet eine ganze Reihe von Stiftungen auf, die Non-Profit-Journalismus fördern. Die bereits erwähnte John S. and James L. Knight Foundation nimmt dabei eine Sonderstellung ein; 2010 verfügte die in Florida beheimatete Stiftung über ein Vermögen von 2,3 Milliarden US-Dollar. 2011 verteilte sie ihre Fördergelder (104 Mio. USD) auf vier Bereiche: das Journalism and Media Innovation Program, das Communities Program, das Arts Program und das National Program. Wichtigstes Projekt der Knight-Stiftung ist das Institute for Interactive Journalism (J-Lab), beheimatet an der American University in Washington D.C.. Schwerpunkt des 2002 gegründeten J-Lab ist die Förderung der Lokalberichterstattung: Das Institut vergibt Startkapital, Preise und Auszeichnungen an örtliche Medien-Initiativen, die sich durch neue Ideen und technische Innovation auszeichnen. Bis heute hat das J-Lab landesweit mehr als 120 Pilotprojekte und Startups gefördert. Neben der Projektfinanzierung veranstaltet das Institut auch Workshops, betreibt E-Learning-Websites und entwickelt Tools für interaktiven Journalismus.

Nicht nur das J-Lab konnte im US-Lokaljournalismus einiges bewegen. Auch Projekte wie die Voice of San Diego oder die Minnpost wurden mit Fördergeldern zum Erfolg. Bürgerstiftungen werden in den kommenden Jahren weitere Millionen zuschießen, die Knight Foundation übernimmt auch hier die Führungsrolle. In der Förderung des investigativen Journalismus ist ihre Rolle weniger dominant – hier ist sind noch andere Geldgeber sehr aktiv. Das renommierte Netzmagazin ProPublica (siehe torial-Porträt) wurde 2007 von Herbert und Marion Sandler gegründet, deren Vermögen aus der Golden West Financial Corporation stammt. Inzwischen hat ProPublica auch schon Gelder der MacArthur Foundation, des Pew Charitable Trust, der Ford Foundation, der Carnegie Corporation und von anderen Stiftern erhalten. Rund 35 Journalisten arbeiten in Vollzeit für ProPublica, die entstandenen Artikel werden Medienpartnern wie ABC World News oder der New York Times zur Verfügung gestellt. Die Unabhängigkeit der Investigative-Reporter zahlt sich aus: 2010 gewann ProPublica den Pulitzer-Preis für eine Reportage über die Zustände, die in einem Krankenhaus in New Orleans direkt nach Hurrikan Kathrina herrschten. Der zweite Pulitzer-Preis folgte nur ein Jahr später: Die Reporter Jesse Eisinger and Jake Bernstein wurden für ihre Recherchen über Wall-Street-Machenschaften ausgezeichnet.

ProPublica

ProPublica ist keineswegs die erste Non-Profit-Organisation, deren investigativer Journalismus gefördert wird. Das Center for Public Integrity (CPI) wurde bereits 1989 gegründet und zählt mit rund 50 Mitarbeitern zu den größten Organisationen dieser Art. Einen Namen gemacht hat sich das CPI unter anderem mit Reportagen über die chemische Industrie, über Kriegsgewinnler im Irak („Windfalls of War“) und über den weltweiten Zigaretten-Schmuggel. Mit Stiftungsgeldern gefördert wird auch das Pulitzer Center on Crisis Reporting, das seinen Schwerpunkt auf die internationale Berichterstattung legt – weit jenseits dessen, was die US-Mainstream-Medien senden und schreiben. Ein Projekt mit zunehmender Bedeutung ist das von eBay-Gründer Pierre Omidyar geförderte Unternehmen First Look Media.

CPI

Vom Stiftungsjournalismus nach US-Format ist Deutschland noch weit entfernt. Die Förderung von qualitativ hochwertigem, kritischem Journalismus sei hierzulande noch sehr konservativ, schreibt Prof. Holger Wormer von der TU Dortmund in der bereits mehrfach zitierten Studie: „Der Großteil der vergebenen Förderungen konzentriert sich auf die Unterstützung einzelner, besonders begabter oder kompetenter Personen (Ausbildungsstipendien und Preisverleihungen), während die Einrichtung oder Unterstützung ganzer Institutionen zur Förderung von beispielsweise investigativer Berichterstattung noch nicht stattfindet.“ Gleichwohl gibt es vielversprechende Ansätze, die Wormer in der Studie (S. 40ff.) auflistet.

Für die Non-Profit-Organisationen der USA stellt sich zunehmend die Frage, wie sie sich von Stiftungsgeldern zumindest teilweise emanzipieren können. Entsprechende Diskussionen werden mit Eifer geführt. Einer Studie des Pew Research Center zufolge stellt Fundraising für viele Organisationen eine personelle Herausforderung dar. Immer mehr geht es aber auch darum, wie sich journalistischer Erfolg messen lässt. Umsatz und Gewinn seien für Non-Profit-Unternehmen schließlich keine relevanten Maßstäbe, sagt ProPublica-Präsident Richard Tofel; er sieht „Wirkung“ als entscheidendes Erfolgskriterium. Einerseits könne man dafür harte Fakten heranziehen: Wie oft ein bestimmter Artikel veröffentlicht wurde, wie viele Menschen ihn gelesen haben und wie häufig der Artikel in sozialen Netzwerken geteilt wurde. All diese Fakten ließen sich gut erheben und stünden ProPublica in einem regelmäßigen Tracking Report zur Verfügung. Weitaus schwieriger zu messen sei jedoch der gesellschaftliche Einfluss, den eine bestimmte Story hat. Veränderungen zeigten sich zumeist anekdotisch: als Statements oder Gesetzesentwürfe staatlicher Stellen, als Anhörungen oder als personelle Konsequenzen aus aufgedeckten Affären.

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