27.05.2014

Brafus 2014 – das WM Blog der anderen Art

torial unterstützt Brafus2014. Wie schon in Südafrika berichten Kai Schächtele und Christian Frey (dieses mal unterstützt von Birte Fuchs) direkt vom Ort des Geschehens. Warum das anders ist, als normale WM-Berichtestattung und es nur bedingt um Fußball geht, erklärt Kai in einem Interview mit Marcus Jordan.

Bitte unterstützt Brafus2014!
Hier gehts zur Website.
Hier zur Facebook-Seite.brafus2014_300px
Und hier zum Blog aus Südafrika.

torial: Wie viel Prozent eurer Reise ist Sportjournalismus, wie viel Kulturjournalismus und wie viel persönliche Befriedigung?

Kai Schächtele: Sportjournalismus: null. Für uns ist die WM mehr ein Flirt-Trick, der uns dabei hilft, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Wir wollen nicht darüber berichten, wie es der Wade von Miroslav Klose geht oder wie es um das innere Gefüge der brasilianischen Nationalmannschaft steht. Was wir erzählen wollen, ist, was die WM mit diesem Land anstellt und was Brasilien mit der WM.

torial: Seid Ihr fußballbegeistert?

Schächtele: Wir sind sehr fußballbegeistert und ich hoffe, dass wir auch mal in ein Stadion kommen. Vor vier Jahren haben wir zum Beispiel Ghana gegen Uruguay erlebt, was eines der unfassbarsten Spiele war, das ich jemals live sehen durfte. Und ich glaube, dass das auch in Brasilien passieren wird. Ohne eine solche Begeisterung für diesen Sport sollte man so ein Blog auch nicht machen. Aber der Fußball ist nicht der Zweck unserer Unternehmung.

torial: Welche Rolle spielen bei Eurer Reise Journalisten vor Ort? Habt Ihr vorab Kontakte gemacht oder seid Ihr weniger daran interessiert, andere Journalisten zu treffen?

Schächtele: Die Journalisten, die jetzt schon vor Ort sind oder zur selben Zeit fliegen wie wir, haben ja alle einen eigenen Job. Ich weiß von Kollegen, die sich schon seit Monaten, manche seit Jahren auf diese WM vorbereiten. Und wir fänden es unehrenhaft, wenn wir sie jetzt anriefen und sagten: Wisst ihr was, wir treffen uns mal auf einen Kaffee. Sie würden zwangsläufig denken, dass wir nur an ihrem Wissen interessiert sind. Deshalb haben wir nicht andere Journalisten angesprochen, es sei denn, sie kamen auf uns zu und boten uns an, uns zu melden, wenn wir da sind. Wir sind stattdessen auf Menschen zugegangen, die wir über andere Kanäle gefunden haben. Wir kooperieren zum Beispiel mit dem Institut für Lateinamerikanistik der FU Berlin, die uns dabei helfen, mit interessanten Gesprächspartnern ins Gespräch zu kommen. Es gibt aber auch Deutsche, die in Brasilien leben und die uns über Freunde und Kollegen vermittelt wurden bzw. die wir selbst kennen.

torial: Wenn man so eine Reise plant, ist das Hauptproblem Geld. Danach frage ich jetzt nicht. Aber welche Erfahrungen habt Ihr bei den Vorbereitungen gemacht: Sind Euch die Herzen zugeflogen oder musstet Ihr viel Überzeugungsarbeit leisten?

Schächtele: Wir haben diesmal den großen Vorteil, dass wir nicht mehr lange erklären müssen, was wir vorhaben. Wir haben das vor vier Jahren ja schon einmal gemacht. Das kann man sich ansehen. Man bekommt ein Gefühl für die Geschichten, die wir erzählen wollen, und für die Atmosphäre unserer Reise. Man weiß danach, wie die Brille aussieht, durch die wir auf Brasilien blicken werden. Andererseits ist es eine ganz schöne Unternehmung, ein solches Vorhaben auf eigene Faust zu realisieren. Das liegt zum einen daran, dass wir keine gelernten Unternehmer sind. Es war ein ordentlicher Crashkurs in den vergangenen Wochen, mit Menschen zu sprechen, die uns natürlich fragen: Was habe ich davon, wenn ich ein Partner von Brafus2014 werde? Und zum anderen, und das war von vornherein klar, wird bis zum Abflug nicht zu kalkulieren sein, wie weit unser Geld reicht. Ein wesentlicher Pfeiler unserer Finanzierung besteht darin, dass es uns gelingt, möglichst viele Menschen für unsere Arbeit zu begeistern. Sie sollen zu einer Brafus2014-Community werden, die sich nicht nur als unser Geldgeber begreift, sondern auch wirklich Lust hat, Teil dieser Reise zu sein. Nur wenn Leute wirklich sagen, ich bin dabei, ich kommentiere, ich will jeden Tag sehen, was die drei heute wieder erlebt haben, werden die Leute auch Lust haben, uns mit ihrem Beitrag bei unserer Arbeit zu unterstützen.

torial: Vor vier Jahren wart Ihr noch zu zweit. Jetzt reist Birte Fuchs mit? Warum?

Schächtele: Wir haben über all die Monate, in denen wir dieses Blog vorbereiten, immer wieder darüber gesprochen, dass wir uns nicht so im Land werden bewegen können wie in Südafrika. Zum einen hatte ich vor unserer damaligen Reise ein halbes Jahr dort gelebt und kannte mich aus, zum anderen kamen wir mit Englisch überall durch. In Brasilien gibt es dagegen große Hürden. Die wenigsten Menschen sprechen Englisch. Eine Bekannte aus Brasilien schrieb mir, dass sie in akademischen Kreisen unterwegs sei und selbst da 95 Prozent nicht des Englischen mächtig seien. Wir haben seit Januar zwar Portugiesisch-Unterricht genommen, aber unsere Fähigkeiten reichen gerade aus, um unsere Namen und unsere neuen portugiesischen Spitznamen sagen zu können und dass wir gern Bohnen essen. Und zudem wissen wir nicht, was auf uns zukommt, weil weder Christian noch ich jemals in Brasilien waren. Der normale Weg wäre ja gewesen, im Frühjahr für einige Wochen dorthin zu reisen, um uns umzusehen und erste Kontakte zu machen. Aber dafür hatten wir schlicht kein Geld. Dann kam irgendwann Birte ins Spiel. Christian und sie kennen sich, weil sie neben ihrem Studium in einer Bar arbeitet, in der er gelegentlich sitzt. Die beiden kamen ins Gespräch und Birtes Ohren und Augen wurden immer größer, weil sie zwei Jahre in Sāo Paulo gelebt und in Sozialprojekten gearbeitet hat. Seitdem hat sie den Traum, von den vielen Menschen zu erzählen, die sie dabei kennengelernt hat. Also haben wir zu ihr gesagt: Birte, wenn wir es uns leisten können, kommst du mit. Denn sie passt darüber einfach perfekt ins Team. Über Viventura, einen Reiseveranstalter aus Berlin, und neben torial ein weiterer Partner unseres Blogs, konnten wir einen Flug für sie organisieren. So haben wir sie nicht nur ins Boot geholt, sondern auch in den Flieger. Dadurch haben wir schon jetzt für mindestens die ersten eineinhalb Wochen so viele Kontakte, dass wir wahrscheinlich in die Verlegenheit kommen werden, Leuten absagen zu müssen, weil wir einfach keine Zeit mehr für sie haben.

brafus_760px

torial: Geht Ihr vor Ort eher nach einer akribischen Planung vor oder heißt Euer Motto: Wir sind auf alles vorbereitet, aber auch zu allem bereit. Kurz: Oper oder Jazz?

Schächtele: Ich antworte darauf mit einem ebenso schönen Bild. Der Fotograf Michael Poliza, der in seinem Leben schon alles Mögliche war, Schauspieler, Unternehmer, Millionär, hat mir mal das Prinzip verraten, nach dem er arbeitet: Glück ist die Kombination aus Vorbereitung und Zufall. Und genau mit der Devise gehen wir auch vor. Wir haben Vieles geplant, gerade für die ersten Tage, in denen alles losgeht, sowohl was die WM betrifft als auch unser Blog. Aber ab einem gewissen Zeitpunkt werden wir uns treiben lassen und gucken, was die Brasilien nicht nur mit der WM macht, sondern auch mit uns. Manchmal stehen die interessantesten Geschichten ja einfach an der nächsten Straßenecke.

torial: Reist Ihr auch nach Manaus im Norden?

Schächtele: Nach Manaus werden wir es nur schaffen, wenn wir genügend Unterstützer zusammenbekommen. Denn dorthin müssen wir fliegen. Es liegt von den Städten im Süden, wo wir starten werden, ein paar tausend Kilometer weit weg. Wir fangen in Sāo Paulo an und bewegen uns dann in Richtung Belo Horizonte und Salvador da Bahia fort. Wenn wir dort nach etwa zwei Wochen angekommen sind, werden wir wissen, ob wir uns den Ausflug in den Norden leisten können. Um den 7. Juli wollen wir dann in Rio de Janeiro sein.

torial: Manaus ist ja sozusagen das Auge des Wahnsinns…

Schächtele: Ich glaube auch, das wir dorthin müssen. Das wird ein ganz eigenes Licht auf diese WM werfen. Ich war vor einigen Wochen bei einer Veranstaltung in der Heinrich-Böll-Stiftung, bei der der Leiter des Brasilien-Büros, Dawid Bartelt, erzählte, dass die FIFA nur acht bis zehn Stadien verlangt hatte. Brasilien aber hat zwölf gebaut und gerade das in Manaus steht exemplarisch für die Verschwendung von Ressourcen bei dieser WM. Dieses Stadion wird mit dem Schlusspfiff des letzten Spiels niemand mehr brauchen. Das ist, was viele Brasilianer so wütend macht. Sie sind weniger sauer auf die FIFA als darauf, wie sehr sich ihre Regierung für diese WM verausgabt.

torial: Habt Ihr in Deutschland ein Backbone oder macht Ihr alles vor Ort?

Schächtele: Wir hatten überlegt, ob wir in Deutschland eine Einheit formieren sollten, eine Art Redaktion, die uns von hier aus zuarbeitet. Wir haben aber gemerkt, dass das keinen Sinn hat. Das würde zum einen bedeuten, dass wir Daten hin und her schicken müssen. Und zum anderen wissen wir aus eigener Erfahrung, wie wir arbeiten und ticken. Wir werden bestimmt wieder oft bis tief in die Nacht am Computer sitzen, an Texten arbeiten und Videos schneiden, bis das letzte Komma und der letzte Schnitt sitzen. Dafür braucht man einen Flow. In Südafrika sind wir nach zwei, drei Tagen von einer Welle erwischt worden, die uns bis nach Johannesburg getragen hat. Wir standen unter einem Dauer-Hormonrausch. So etwas kann man gar nicht nach Berlin transportieren. Das heißt natürlich, dass wir alles Equipment immer bei uns haben. Sollten wir je überfallen werden, und es gibt ernstzunehmende Warnungen, dass die Kriminalität ein ernstes Problem werden wird bei dieser WM, müssten wir per Telepathie weiter bloggen.

torial: Wo steht Ihr denn jetzt mit Euerem Budget?

Schächtele: Wir fliegen los mit einer Finanzierung, von der wir nicht wissen, wie weit sie reichen wird. Wir wissen zum Beispiel noch nicht, wie viel wir für Übernachtungen und Verpflegung werden ausgeben müssen. Nach der Planung für den ungünstigsten, also teuersten Fall, steht etwa ein Viertel des veranschlagen Budgets. Und wir werden sehen, was unterwegs passiert. Wir werden das im Lauf der Reise transparent machen. Es gibt auf unserer Seite eine Reisekasse, bei der man sowohl in einem schnellen Überblick sehen kann, wo wir stehen, als auch in einer detaillierten Übersicht. Da kann man dann nachvollziehen: Was kostet es, ein Abendessen, ein Busticket in Sāo Paulo oder ein Flug nach Manaus? Wir werden dort auch dokumentieren, was wir eingenommen haben.

torial: Gibt es noch Aussichten auf weitere Sponsoren?

Schächtele: Ein Antrag auf eine Förderung läuft noch, über den zufälligerweise am Abend vor unserem Abflug am 4. Juni entschieden wird. Außerdem haben wir eine Paid Wall eingerichtet. Die muss man sich vorstellen wie die Wände, die hinter Fußballern aufgebaut werden, bevor sie interviewt werden. Dort kann man ab einer bestimmten Höhe sein Logo oder Foto platzieren. Noch stehen dort Platzhalter. Worauf wir auch gespannt sind, ist eine andere Idee. Wenn Leute entweder selbst 1000 Euro überweisen oder in ihrem Bekannten-, Freundes- oder Kollegenkreis das Geld einsammeln, kann man uns buchen. Dann kommen wir nach unserer Rückkehr nach Hause, ins Büro oder in eine Bar und werden einen Abend lang von unserer Reise erzählen und Fotos und Videos zeigen. Wir haben das auch nach Südafrika gemacht. Wir saßen in mehreren Buchhandlungen und haben das Blog zum Leben erweckt. Über einen Beamer haben wir einige unserer Filme gezeigt und darüber gesprochen, was wir alles erlebt haben. Wir werden sehen, wie viele Leute darauf Lust haben Weden. Wir zumindest haben sehr große, und das liegt nicht allein an den 1000 Euro. Es macht einfach großen Spaß, nicht nur per Facebook, Twitter und Blog mit der Community zu interagieren, sondern auch von Angesicht zu Angesicht.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in: JOURNALISMUS & NETZ, Neue Formate

Comments are closed.