15.05.2014

„Wir wollen über Strukturen schreiben, nicht über Ausnahmen“

Rob Wijnberg, Gründer der niederländischen Journalismus-Website „De Correspondent“, über erfolgreiche Crowdfunding-Medien und die Frage, wie man den journalistischen Status-quo bricht.

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Quelle: DeCorrespondent

torial: Herr Wijnberg, die Niederlande scheint ein interessanter Ort für die Entwicklung der Zukunft des Journalismus zu sein. Es gibt ein iTunes für Zeitungen, genannt Blendle, und dann gibt es Ihr erfolgreiches Crowdfunding-Projekt, „De Correspondent“. Ist das alles nur den Notwendigkeiten des Marktes geschuldet oder sind die Holländer einfach innovative Leute?

Rob Wijnberg: Ich würde nicht sagen, dass es besonders holländisch ist, dass diese Innovationen hierzulande entstehen. Aber es stimmt schon, dass die Niederländer ein eher antiautoritäres Völkchen sind. Entsprechend ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie Initiativen unterstützen, die den Status-quo ändern wollen, größer. Das gilt auch für Blendle und „De Correspondent“.

torial: Können Sie uns kurz einen Überblick geben, worum es bei „De Correspondent“ überhaupt geht? Und wie kam es zu der Idee?

Wijnberg: „De Correspondent“ will grundsätzlich eine Lösung für die Probleme sein, die von dem, was derzeit im allgemeinen Nachrichtengeschäft abläuft, hervorgerufen werden. So ist ein zentrales Defizit, dass Medien fast nur über Ausnahmen schreiben, aber nie über den Ist-Zustand, das Reguläre. Das heißt, dass die Medien uns im Grunde nur ein absurdes Bild der Welt liefern.

„De Correspondent“ will über den Ist-Zustand schreiben, nicht über die Ausnahmen, über die Strukturen in der Gesellschaft, die mehr Einfluss auf unser Leben haben als die Ausnahmen, von denen wir in den Nachrichten heute lesen.

Wir machen das, indem wir unseren Journalisten all die Freiheiten geben, die sie brauchen, um ihre eigene Newsagenda zu bestimmen. Wir sagen ihnen nicht, dass sie der allgemeinen Nachrichtenlage folgen sollen, wie das in traditionellen Nachrichtenmedien der Fall ist.

Die Initiative dazu startete als Crowdfundign-Projekt, wo es uns gelungen ist, die Unterstützung von 18.000 Abonnenten zu erhalten, bevor die Plattform überhaupt existierte. Das machte es für uns möglich, eine komplett unabhängige, werbefreie Seite zu bauen, ohne dass wir Investoren oder Kredite brauchten.

 

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torial: Sie haben rund eine Million Euro von 15.000 Spendern innerhalb sehr kurzer Zeit eingesammelt. War das überraschend? Wie haben Sie es geschafft, dass die Leute Ihnen dieses Geld gegeben haben?

Wijnberg: Ja, das war natürlich überraschend. Ich denke, der wichtigste Grund, dass die Leute uns Geld gegeben haben, war, dass die Idee hinter „De Correspondent“ gut ist und einfach notwendig. Zweitens war die Integrität sehr wichtig. Wir haben das getan, was wir versprochen haben [–] beispielsweise, in dem wir tatsächlich vollständig werbefrei sind und uns dafür entschieden haben, eine Gewinnkappung zu etablieren. Das heißt, dass Gewinne für die Anteilseigner nur bis zu einer gewissen Grenze fließen, Neuinvestitionen in den Journalismus aber garantiert sind.

torial: Das Abo kostet 60 Euro im Jahr. Welche Inhalte bekommen Ihre Abonnenten dafür?

Wijnberg: Abonnenten bekommen mehrere Dinge. Die drei wichtigsten sind: Erstens vier oder fünf tiefgehende Geschichten pro Tag, zweitens die Möglichkeit, zu Geschichten beizutragen und ihr Wissen und ihre Expertise zu teilen und drittens die Erlaubnis, all unsere Artikel kostenlos mit Nichtabonnenten über Social-Media-Kanäle und E-Mail zu teilen.

torial: Trotzdem sind die Inhalte grundsätzlich hinter einer Bezahlmauer, die Leute müssen sich einloggen, um sie anzusehen. Wie wurde das Problem gelöst, trotzdem relevant zu sein? Schließlich ist nur dann eine breitere Diskussion möglich, wenn man die Artikel auch lesen kann.

Wijnberg: Alle Mitglieder haben die Möglichkeit, alle Artikel per Social Media und via E-Mail zu teilen. Da gibt es keine Einschränkungen.

torial: Denken Sie, dass „De Correspondent“ in zehn Jahren noch existieren wird?

Wijnberg: Da kann ich nur Niels Bohr zitieren. Er hat einmal gesagt, dass Vorhersagen sehr schwierig sind, besonders, wenn es um die Zukunft geht.

torial: Was würden Sie anderen Journalisten raten, die sich für Crowdfunding interessieren? Ist das etwas, das man tun sollte, statt zu einem Großverlag zu gehen?

Wijnberg: Crowdfunding ist eine tolle Methode, ohne störende Einflüsse von Investoren ein Projekt aus der Taufe zu heben. Ein Geschäftsmodell ist Crowdfunding aber nicht.

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  1. torial Blog | “Ich versuche einfach, so viele Kanäle wie möglich zu bespielen” 05 06 14