16.06.2014

„Wenn Verlage so am Personal sparen, dass es der Leser merkt, ist es eigentlich schon zu spät“

Wolfgang Seufert, Professor für Kommunikationswissenschaft mit Schwerpunkt Ökonomie und Organisation der Medien an der Uni Jena, spricht im Interview mit torial über die Frage, wie Verlage auch in der Medienkrise profitabel geblieben sind.

Seufert_300pxtorial: Herr Seufert, Sie haben eine wirtschaftliche Gesamtbilanz der deutschen Medienbranche von 1991 bis 2011 erstellt. Was hat Sie dabei besonders überrascht?

Wolfgang Seufert: Insgesamt lässt sich aus den wirtschaftsstatistischen Daten ableiten, dass die Medienwirtschaft seit 2000 nicht mehr so stark gewachsen ist wie die Gesamtwirtschaft. Das Bild von den Medien als wirtschaftlicher Wachstumsmotor hat in den 1980er- und 1990er-Jahren gestimmt, seitdem aber nicht mehr.

Dies gilt insbesondere für die Verlagsbranche, d. h. Zeitungs-, Zeitschriften-, Buch- und Softwareverlage, die seit 2000 unter zurückgehenden Werbeeinnahmen und einer Stagnation der Konsumausgaben für Printprodukte leiden. Überraschend ist aber vor allem, dass es den Verlagen seit 2006 in der Summe trotzdem gelungen ist, ihre Gewinneinkommen wieder zu steigern.

torial: Wie haben es die Unternehmen geschafft, trotz schrumpfender Auflagen und einbrechender Werbemärkte rentabel zu bleiben?

Seufert: Generell gibt es drei Möglichkeiten: erstens durch den Bezug von mehr Vorleistungen bei anderen Unternehmen, d.h. ich kaufe lieber bestimmte Leistungen billiger bei anderen Unternehmen ein, als sie selbst herzustellen. Zweitens durch niedrigere Preise für die Inputs, die ich für mein Produkt brauche, z. B. niedrigere Lohnkosten. Drittens durch Rationalisierung, z.B. weniger Arbeitskräfte, indem ich modernere Produktionsverfahren anwende.

torial: Auf welche Arten haben es z.B. die Verlage geschafft, profitabel zu bleiben?

Seufert: Die Daten zum Wirtschaftssektor „Verlagswesen“ zeigen, dass in den letzten Jahren vor allem zwei Faktoren eine Rolle gespielt haben: Abbau von Arbeitsplätzen (von 1991 bis 2011 ist die Zahl aller Beschäftigten in Verlagsunternehmen um insgesamt ein Viertel auf 266.000 zurückgegangen, teilweise als Ersatz von festen durch freie Mitarbeiter) und eine günstige Lohnkostenentwicklung. Während 1996 das Durchschnittseinkommen der Verlagsbeschäftigten noch 10 Prozent über dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt gelegen hat, lag es 2011 knapp unter dem Durchschnittseinkommen.

torial: Bekommen die Verlage eine adäquate Rendite?

Seufert: Im Jahr 2011 war die Verteilung zwischen Lohn- und Gewinneinkommen in der Gesamtwirtschaft etwa 6 zu 1, in der gesamten Medienwirtschaft 1,5 zu 1 und im Verlagswesen lag sie bei nahezu 1 zu 1. Das bedeutet natürlich nicht, dass alle Verlage sehr profitabel sind. Aber neben den Verlagen, die Verluste bzw. nur geringe Gewinne machen, muss es auch Verlagsunternehmen geben, die weit überdurchschnittliche Gewinne einfahren.

torial: Zusammengelegte Redaktionen, verkleinerte „Content Desks“ – an der Qualität wird gespart. Hat das Einflüsse auf die wirtschaftlichen Erträge, weil die Leser das merken?

Seufert: Wenn Printverlage aufgrund ihrer wirtschaftlichen Schwierigkeiten so sehr am Personal sparen, dass es der Leser merkt, ist es eigentlich schon zu spät. Dann stellt man sich zwar kurzfristig finanziell besser. Die Leser, die deswegen ihr Zeitungs- oder Zeitschriftenabonnement kündigen, bekommt man aber wahrscheinlich nie wieder zurück.

torial: Gibt es bereits eine Tendenz, wie sich die Zahlen nach 2011 entwickelt haben? Die Printbranche gilt als in einer schweren Krise, die sich zu beschleunigen scheint.

Seufert: Aktuellere Daten aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung gibt es bislang nicht. Aber die aktuellen Zahlen zur Entwicklung der Gesamtauflagen, der Buch-, Zeitungs-, Zeitschriftenverkäufe und der Umsätze aus Zeitungs- und Zeitschriftenwerbung deuten darauf hin, dass die Printumsätze weiter zurückgegangen sind.

torial: Wie haben sich die Mitarbeiterzahlen verändert?

Seufert: Die Zahl der Sozialversichert-Beschäftigten in den Printverlagen hat von Ende 2011 bis Ende 2014 noch einmal um 2,5 Prozent abgenommen.

torial: Würden Sie einem jungen Menschen heute noch raten, in den Journalismus zu gehen?

Seufert: Auf alle Fälle – wenn er sicher ist, dass er im Wettbewerb um die besten Journalisten mithalten kann. Qualitativ hochwertiger Journalismus ist letztlich die Überlebensgarantie für Informationsmedien – seien sie national oder lokal verbreitet.

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