16.07.2014

„Als mutige und innovative Unternehmen habe ich die Verlage selten erlebt“

Der Medienberater und Medienkritiker Christian Jakubetz spricht im torial-Interview über die Medienkrise, neue Ansätze wie „Krautreporter“ und die Frage, ob Journalismus besser außerhalb der Verlage funktioniert.

Jakubetz arbeitet als Dozent unter anderem an der DJS und der Henri-Nannen-Schule und war als Redaktionsleiter bei renommierten Medien tätig. Er ist Mitherausgeber des Lehrbuchs „Universalcode“, das sich mit Journalismus im Internet-Zeitalter beschäftigt.

Foto/Copyright: Heike Rost

torial: Herr Jakubetz, Sie beobachten den Mediensektor in Deutschland als Berater und Dozent schon sehr lange und sind dafür bekannt, auch vor ernsten Worten nicht zurückzuschrecken. Auf den Punkt gebracht: Werden wir die Medienkrise irgendwann einmal wieder verlassen?

Christian Jakubetz: Auch wenn das auf den ersten Blick widersinnig klingt – ich spreche nur sehr ungern von einer Krise. Krise würde bedeuten, dass ein an sich funktionierendes Ding jetzt gerade mal nicht so gut funktioniert und man deswegen ein paar Reparaturen vornehmen muss. Tatsächlich aber erleben wir gerade den größtmöglichen Umbruch einer ganzen Branche. Das ist etwas ganz anderes als eine Krise.

Aber um die eigentliche Frage zu beantworten: Natürlich kommen wir da wieder raus. Nur ganz anders, als wie wir reingegangen sind. Wie das halt so ist mit Umbrüchen.

torial: Das Ende der „AZ“, Lokalzeitungen, die Tarifverträge verlassen, Konsolidierungen und Abo- und Werbegeldschrumpfung. Viele leiden nach wie vor am Ende der „FTD“ und der Pleite der „FR“. Das Klagelied scheint nicht zu enden.

Jakubetz: Mit Leiden und Klagen ist bis jetzt noch nie jemand weit gekommen. Die Realitäten sind nun mal aber so wie sie sind. Man kann lautstark darüber jammern. Oder man kann, wie zwei ehemalige Redakteure der „FTD“, ein neues Ding wie das Magazin „Substanz“ [siehe Interview mit torial, Anm. d. Red.] starten. Ich finde ja die zweite Alternative deutlich sympathischer. Und letztlich auch erfolgsversprechender.

torial: In einem Vortrag haben Sie kürzlich über die Resigniertheit gesprochen, die offensichtlich schon junge Kollegen erfasst. Was kann man dagegen tun?

Jakubetz: Dafür sorgen, dass das Arbeiten in diesem Job wieder Spaß macht. Natürlich müssen dazu die Rahmenbedingungen stimmen, das ist mir schon klar. Aber wenn ich manchmal sehe, wie grundstumpf manche Kollegen durch ihre Redaktionen laufen – also, ich glaube, da würde ich mich mich als 20-jähriger auch nicht gerade auf die kommenden Jahre in einem latent missmutigen Klima freuen.

torial: Mancher Beobachter bekommt das Gefühl, als seien die Verlage zwischen Print und Online auf ewig gefangen. Print schrumpft zwar deutlich, bringt aber noch Geld, Online wächst zumeist, erlöst aber zu wenig. Wie lange geht das gut?

Jakubetz: Weiß ich nicht – und will ich auch gar nicht wissen. Weil es der falsche Ansatz ist, irgendwo zwischen den Welten zu pendeln. Oder anders gesagt: Wenn Sie sich auf einem sinkenden Schiff befinden, sollten Sie sich irgendwann entscheiden, ob sie nicht doch lieber das Rettungsboot nehmen wollen.

Natürlich können Sie sich sagen: Das Schiff ist doch noch gar nicht gesunken. Und es ist viel größer als das Rettungsboot. Aber wenn Sie wissen, dass das Schiff trotzdem sinken wird, würde ich jetzt nicht mehr allzu lange zwischen Schiff und Rettungsboot pendeln. Oder noch simpler gesagt: Wenn du ein totes Pferd reitest, steig ab.

torial: Die journalistischen Online-only-Publikationen in Deutschland gibt es vor allem im Bereich der Fachmedien. Haben die Verlage zu wenig Mut gezeigt?

Jakubetz: Es gibt ja immer die berühmten Ausnahmen, die wie immer die Regel bestätigen. Aber alles in allem: Als mutige und innovative Unternehmen habe ich die Verlage in Deutschland jetzt eher selten erlebt…

torial: Rettung soll von eher boulevardesken Angeboten kommen. So gibt es nun schon seit längerem die deutsche Ausgabe der „Huffington Post“ und „Buzzfeed“ steht offenbar ebenfalls kurz vor dem Start. Ist das für Sie Journalismus? Und wenn, wie hilfreich ist er?

Jakubetz: Sie könnten jetzt auch fragen: Ist die „Bild“ Journalismus? Und wenn ja, wie hilfreich ist er? Fakt ist, dass es solche Angebote gibt und dass sie genutzt werden.

Aber die Antwort darauf kann ja jetzt nicht sein, dass wir alle zu kleinen Buzzfeeds werden. Den Markt für sowas hat es immer gegeben. Den Markt für „richtigen“ Journalismus auch. Aber damit wir uns nicht falsch verstehen: Das ist jetzt keine Aufforderung zu einem fröhlichen „Weiter so!“. Dass sich der Journalismus verändern muss, steht ja völlig außer Frage.

torial: Neue journalistische Projekte im Internet kommen mehr und mehr von den Journalisten selbst. Sie haben die „Krautreporter“ während ihrer Fundingphase teilweise scharf kritisiert, zuletzt sogar für gescheitert erklärt. War das verfrüht?

Jakubetz: Wenn sich die Frage auf die Tatsache bezieht, dass die „Krautreporter“ ihr Finanzierungsziel dann doch erreicht haben: Ja, dann war das verfrüht. Aber darum ging es mir in diesem Beitrag gar nicht so sehr. Sondern mehr darum, was der Anspruch der „Krautreporter“ war und was in den ersten Wochen des Projekts herausgekommen ist. Das fand ich enttäuschend und dazu stehe ich auch weiterhin.

torial: Was erwarten Sie von den „Krautreportern“ jetzt?

Jakubetz: Mich stört diese „Retter“-Attitüde ganz ungemein. Diese Haltung: Wir wissen ja, wie es geht, lasst uns nur mal machen. Das finde ich bemerkenswert in einer Zeit, in der großartige Journalisten wie beispielsweise der „Zeit Online“-Chefredakteur Jochen Wegner oder auch Kollegen beim „Guardian“ oder der „New York Times“ ganz offen einräumen, dass sie es langfristig betrachtet auch nicht so genau wissen.

Und bevor Sie mich jetzt als Schlaumeier bezeichnen: Ich sage bei nahezu jedem öffentlichen Vortrag, dass ich es auch nicht so genau weiß. Ich hätte mir von den Krautreportern mehr Laborcharakter und mehr gemeinsames Entwickeln mit der Community gewünscht. Bisher ist da lediglich Geld eingesammelt worden und jetzt macht man halt dann eine Webseite mit Geschichten draus. Das ist völlig legal, aber die Rettung des Journalismus erkenne ich da noch nicht so ganz. Deshalb würde ich mir was ganz Banales wünschen: etwas mehr Demut bitte. Und etwas mehr Laborcharakter.

torial: Wenn das Projekt funktioniert, könnte es vielen anderen Journalisten als Inspiration dienen. Schließlich fragen sich mittlerweile viele, ob es denn auch ohne die „Fesseln“ der Verlage geht, wie sie sagen.

Jakubetz: Deswegen war ich am Anfang ja auch so begeistert von der Idee der „Krautreporter“. Ich halte die grundsätzliche Idee auch immer noch für richtig. Und dass es das ganz große Verdienst der „Krautreporter“ ist, dass sie gezeigt haben, dass es eben auch anders geht, bestreitet niemand. Nicht mal ich.

torial: Und was wäre, wenn „Krautreporter“ nicht das hält, was versprochen wurde?

Jakubetz: Dann geht die Welt auch nicht unter.

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