06.08.2014

Golem.de: Bezahlter Content einmal anders

Bei der Berliner Klaß & Ihlenfeld Verlag GmbH läuft seit dem gestrigen Montag ein Experiment. Da alle bisherigen Aufrufe an die Nutzer, für Inhalte zu bezahlen oder ihre Adblocker abzuschalten, ins Leere liefen, startete Golem.de gestern ein neues Bezahlmodell. Wer zwischen 2,50 und 4 Euro monatlich bezahlt, kann alle Videos herunterladen und die Artikel ohne Tracking oder Werbung beziehen.

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Photo: Steven Depolo via flickr, CC BY 2.0-Lizenz

Die Berliner Betreibergesellschaft ist dafür bekannt, immer mal wieder etwas Neues auszuprobieren. So gibt es dort seit etwa einem Jahr ein Honorarmodell auf Erfolgsbasis. Freie Autoren können sich abhängig von den Zugriffszahlen wahlweise einen Festbetrag oder ein Erfolgshonorar auszahlen lassen. Da das IT-Portal Golem.de monatlich zwischen einem und drei Millionen Pageimpressions aufweist, kommen schnell 400 Euro und mehr zusammen. Abgerechnet wird pro eintausend Zugriffen. Umso mehr Interesse ein Interview oder Artikel binnen einer Woche generieren kann, umso höher fällt das Honorar aus. So viel verdient man als Online-Journalist sonst nirgends.

Nichts desto trotz ist der Verlag auf der Suche nach geeigneten Modellen, um 20 Mitarbeiter und alle freien Journalisten zu bezahlen. Im Mai 2013 bat man alle Leser um eine Abschaltung ihrer Adblocker. Die Erträge der Online-Werbung richten sich danach, wie oft eine Anzeige an die Surfer ausgeliefert wird. Wenn mangels Leser oder aufgrund von Adblockern sehr wenige Anzeigen übertragen werden, fallen die Werbeeinnahmen entsprechend gering aus. Der Appell an die Einsicht der Leser hatte leider den gegenteiligen Effekt. Zwar haben einige Surfer ihr Plug-in abgeschaltet. Dafür haben durch die Aufforderung zahlreiche Personen von der Existenz eines Adblockers erfahren und diesen installiert. Der angekündigte freiwillige Verzicht auf besonders nervige aber dafür besonders gut bezahlte Werbung konnte die Quote der Werbeverweigerer nicht nach unten drücken. Der Appell lief unter dem Strich ins Leere, die Kosten sind aber die gleichen geblieben.

Flattr & Co. bringen wenig ein

Die Einführung des Micropayment-Dienstes Flattr war anfangs verheißungsvoll, darüber spendet aber nur ein Bruchteil der Leser. Eine erste Statistik ergab, dass von rund 1,5 Millionen Besuchern nur etwa 460 Personen Flattr in Anspruch genommen haben. Das liegt einerseits an der geringen Nutzung des Dienstes, andererseits an der mangelnden Zahlungsbereitschaft vieler Leser. Auf die Einführung des Konkurrenten Kachingle wurde bei Golem komplett verzichtet. Der Grund? Flattr und Kachingle kommen sich technisch gesehen gerne ins Gehege. Bei Kachingle sind zudem noch weniger Personen angemeldet. Für Laterpay wurde vor wenigen Tagen das erste Plug-in für WordPress vorgestellt. Doch Laterpay funktioniert völlig anders. Bei “Golem pur“ muss man erst bezahlen, um die Inhalte nutzen zu können. Bei Laterpay ist es genau anders herum.

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Paywalls funktionieren nur selten

Die Tageszeitung (taz) hat statt einer Paywall eine technische Hürde erschaffen, die den Lesern noch immer die freie Wahl lässt. Wer will, kann die taz-Redaktion finanziell unterstützen. Alle anderen sind nur einen Mausklick vom gewünschten Artikel entfernt. Sie werden zumindest nicht künstlich vom Konsum der Inhalte abgehalten. Hinterher gibt es sogar neben anderen Optionen die Möglichkeit, die Redaktion per Handy (Mobilfunkrechnung bzw. Prepaid-Guthaben) oder Bitcoin zu unterstützen. Ganz so modern funktioniert das Bezahlmodell von Golem.de nicht.

Oder zumindest noch nicht. Die Rechnung des IT-Newsportals kann bislang lediglich mittels Kreditkarte oder Lastschrift beglichen werden. Wer will, kann sich nach vorheriger Registrierung auf der Seite selbst einloggen. Alle anderen nutzen dafür ihren Account bei Twitter, Facebook oder Google Plus. Das Bezahlmodell kommt ohne Werbung, Tracking oder Profilbildung aus. Daneben gibt es zusätzliche Komfortfunktionen, wie die ungekürzte Auslieferung des RSS-Feeds, die komplette Anzeige des Artikels auf einer Seite und den Download aller bei Golem angebotenen Videos. Wer sich für ein Jahr verpflichtet, zahlt 2,50 Euro pro Monat, die Preise für sechs oder nur einen Monat sind entsprechend höher. Weitere Features von “Golem pur“ sind in Arbeit. Alle Leser werden dazu aufgefordert, sich inhaltlich zu beteiligen. Man will auf die Wünsche der Leser „hören“, dies betrifft sowohl Technik als auch das Angebot der verfügbaren Zahlungsoptionen.

Den Spieß umdrehen?

Die Kollegen von Worldbit.de fragen, warum man den Spieß in Berlin nicht einfach umdreht. Warum blockiert die Webseite nicht automatisch alle Leser, deren Browser einen AdBlocker einsetzt? Technisch gesehen ist das machbar, allerdings wäre es sehr radikal. Im Gegensatz dazu ist es wert, darüber nachzudenken, warum jemand freiwillig für werbefreie Inhalte bezahlen soll, wo es diese dank AdBlocker schon umsonst gibt?

Das Experiment läuft, torial drückt die Daumen! Allerdings steht zu befürchten, dass “Golem Pur” nur dann gut laufen wird, wenn man diesem Modell noch einige zusätzliche Features mit auf den Weg gibt. Da wird sich die Betreibergesellschaft noch einiges mehr ausdenken müssen. An der Bereitschaft zu Experimenten wird es zumindest nicht scheitern. Kaum ein Betreiber war in den letzten Jahren so experimentierfreudig, wie die Klaß & Ihlefeld Verlag GmbH.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in: JOURNALISMUS & NETZ, JOURNALISMUS & TECHNIK, NEU

0 Kommentare zu diesem Artikel


  1. Die Paywall ist letztlich ein Schritt zurück ins analoge Zeitalter: http://www.slampoet.de/text_omapaywall.php

    • pay per Artikel ist gut nur es geht hier wiederum um Masse statt um Klasse. Erst bei 1000 Aufrufen bekommt man Geld. Fördert nicht gerade den Qualitätsjournalismus. Skandale, nackte Haut, Sex and Crime-Themen schaffen die Klicks und damit erst ein Honorar. Kritische Themen werden so nicht bedient. Ein falscher ANSATZ: Aber so denken Verleger heute Masse statt Klasse, geiz ist geil. Sieht man bei den Honoraren für Freie.