29.09.2014

„Schriftstellerei ist sehr auskömmlich, man muss einfach nur ganz viele Bücher verkaufen“

Der Ex-Journalist Tom Hillenbrand spricht im torial-Interview über seine Wandlung zum Schriftsteller – und die Frage, ob Medienmacher zu Romanautoren taugen.

Photo: Benne Ochs

torial: Herr Hillenbrand, als was würden Sie sich mittlerweile bezeichnen? Sind Sie noch Journalist oder vor allem Buchautor?

Tom Hillenbrand: Ganz klar als Buchautor. Das einzige journalistische Projekt, das ich noch habe, ist meine Kundenkolumne „Warteschleife“ bei Spiegel Online.

torial: Sie haben eine durchaus signifikante Redakteurskarriere hinter sich. „Financial Times Deutschland“, Wirtschaftsjournalist und dann Ressortleiter bei „Spiegel Online“. Warum sind Sie nicht dabei geblieben?

Hillenbrand: Ich schreibe gerne. Dummerweise habe ich Karriere gemacht, zumindest ein kleines bisschen. Und wie jeder Journalist weiß: je höher die Hierarchiestufe, desto weniger darf man schreiben. Stattdessen muss man anderer Leute Gestammel geradebiegen. Da hatte ich keine Lust mehr drauf. Dennoch denke ich gerne an die Zeit zurück, vor allem Spiegel Online war ein fantastischer Arbeitgeber mit tollen Kollegen.

torial: Die Buchbranche ist ja auch nicht mehr das, was sie einmal war. Was ist also prekärer: Feste Journalistenstellen, die, wie wir gelernt haben, regelmäßig gestrichen werden können – oder die Schriftstellerei?

Hillenbrand: Ich glaube, dass eine Festanstellung per Definition nicht prekär sein kann. Schriftstellerei ist sehr auskömmlich, man muss einfach nur ganz viele Bücher verkaufen. Am schlimmsten ist meines Erachtens freier Journalismus. Macht zwar Spaß, macht aber auch viel Arbeit und bringt nix ein.

torial: Sie haben selbst in Ihrem Blog geschrieben, dass Sie diese und ähnliche Fragen dauernd gestellt bekommen.

Hillenbrand: Anders als andere Freiberufler werden Schriftsteller dauernd auf ihren Erfolg abgeklopft und gefragt, wie viele Bücher sie dieses Jahr schon verkauft haben – und was eigentlich ihr richtiger Job ist. Das liegt vermutlich daran, dass ich die meisten Menschen unter dieser Tätigkeit überhaupt nichts vorstellen können.

torial: Wie viel hat das Verfassen von Romanen mit Journalismus zu tun? Helfen Recherchekenntnisse?

Hillenbrand: Kommt auf den Roman an. Bei sehr literarischen Romanen oder bei Fantasy sind Recherchekenntnisse relativ schnurz. Aber Krimis und Thriller haben ja ein bestimmtes Sujet – Sterneküche, Flüchtlingsdrama, Wirtschaftsbetrug – da hilft das total. Journalisten kommt es immer selbstverständlich vor, dass jemand 500 Seiten durchackert und die wesentlichen Punkte rauszieht, aber viele Leute können das nicht. Routiniert schreiben können hilft auch.

torial: Hat es Ihnen bei der Agenten- und Verlagssuche geholfen, dass Sie aus den Medien kamen?

Hillenbrand: Entscheidend ist eher, dass man mit einem guten Manuskript um die Ecke kommt. Zumindest im belletristischen Bereich ist das so. Bei Sachbüchern sind Journalisten als Autoren bei den Verlagen allerdings durchaus beliebt – schlichtweg, weil man da weiß, dass die zum vereinbarten Zeitpunkt die vereinbarte Seitenzahl abgeben und das Ergebnis halbwegs lesbar ist. Meistens zumindest.

torial: Manche Kollegen setzen auf den Selbstvertrieb, Plattformen wie Amazon machen das leicht. Sie sind dagegen klassisch bei Kiepenheuer & Witsch. Was ist besser?

Hillenbrand: Das ist keine Entweder-Oder-Frage. Bei einem Krimi für den Mainstream haben Verlage wie Kiwi über 50 Jahre Erfahrung – die haben Vertriebspower, exzellente Pressekontakte, eine starke Marke. Von meinen Krimis werden noch über 70 Prozent im klassischen Buchhandel verkauft, das geht folglich am besten mit einem Verlag. Aber in anderen Genres, Science-Fiction oder Fantasy beispielsweise, ist das nicht unbedingt so. Außerdem gibt es mitunter einfach Texte, vor allem Kurzgeschichten, die kein Verlag haben will. Oder Bücher wie „Drachenväter“ Da setze ich dann auf Selbstverlag.

torial: War es anfangs schwer für Sie, den richtigen „Romanton“ zu finden? Journalistische Texte sind ja schließlich etwas ganz anderes als Prosa.

Hillenbrand: Ich hatte den Vorteil, dass ich schon immer viele Kolumnen und solches Zeug geschrieben habe – für jemanden, der nur Reuters-Meldungen kloppt, ist der Umstieg vielleicht schwieriger. Wenn Journalisten Bücher schreiben, machen sie, verallgemeinert gesagt, zwei Fehler. Erstens wollen sie ihren Lesern alles haarklein erklären. Und zweitens überspitzen sie zu stark, heischen zu sehr nach Aufmerksamkeit. Das macht in einem Magazinartikel vielleicht Sinn, beim 500-seitigen Buch nervt es nur.

torial: Ihre Bücher spielen bislang nicht im journalistischen Milieu. Wäre das etwas für die nächsten Bücher?

Hillenbrand: Eher fährt der Teufel auf Schlittschuhen zur Arbeit.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in: Produzieren, Publizieren

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