03.02.2015

Kleine Anfragen – ein Recherche-Instrument mit großem Potenzial

Kleine Anfragen sind eine ergiebige Themen- und Recherchequelle für Journalisten. Und sie sind ein Geheimtipp, denn viele der Anfragen gehen medial unter. Gerade deswegen lohnt ein Blick auf diese alternative Informationsquelle.

Kleine Anfragen in der Bundestags-Datenbank

Nicht schick, aber informativ: die Bundestags-Datenbank zu Kleinen Anfragen

Auf 680 Kleine Anfragen kommt die Linkspartei in dieser Wahlperiode, das sind etwa zehn pro Woche, eine respektable Schlagzahl. Die Grünen sind mit insgesamt 450 etwas zurückhaltender.

Aktuell wollen die Linken beispielsweise wissen, wie es mit der deutschen Unterstützung für den kurdischen Widerstand im Irak steht und welche Erkenntnisse es über rechtsextreme Aufmärsche gibt. Die Grünen interessieren sich für den Einsatz von Recyclingpapier in der Bundesverwaltung und die Arbeitsförderung von Flüchtlingen.

Die Antworten sind stets offizielle Regierungsstatements. Anders als bei Pressemitteilungen wird die inhaltliche Agenda ihrer Mitteilungen aber nicht von den verantwortlichen Ministerien vorgegeben, sondern von der Opposition. Die kann der Regierung Fakten und Statements aus der Nase ziehen, die die nicht von sich aus preisgeben würde. Für Journalisten bieten die Kleinen Anfragen deswegen einen alternativen Zugang zur politischen Realität.

Parlamentarische Waffe der Opposition
Kleine Anfragen sind eines von mehreren parlamentarischen Frageformaten. Sie können von jedem Abgeordneten kommen, formell müssen sie aber von 5% des Parlaments gestellt werden, was meist über die Fraktion geschieht. In der Praxis wählt überwiegend die Opposition dieses Instrument. Die Antwort gibt es stets als Vorabformular, das die Fragesteller oft schon selektiv Organisationen oder Medien zur Verfügung stellen. Kurze Zeit später wird die Anfrage und die dazu gehörige Antwort in die öffentlich einsehbare Datenbank des Parlaments eingepflegt.

Während es in den frühen Jahren der alten Bundesrepublik nur wenige hunderte Anfragen pro Jahr gab, stieg die Zahl ab Ende der 80er stieg die Zahl rapide an. Im Jahr 2014 waren es etwa 1.000. Das bedeutet: zu jedem halbwegs relevanten Politikfeld gibt es mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Kleine Anfrage, oft auch mehrere zu verschiedenen Aspekten. Wer etwa nach alternativen Informationen zur Ukraine-Krise sucht, findet allein 19 explizite Anfragen zu dem Konflikt seit Beginn des Jahres 2014. Darüber gibt es auch noch Anfragen auf Landesebene.

Dieser ergiebige Themenpool führt allerdings ein Schattendasein in der Wahrnehmung von Journalisten. Ab und zu werden besonders schillernde Anfragen durch die Medienlandschaft gereicht, die meisten werden aber nicht beachtet. Während beispielsweise aus jeder Mini-Neuigkeit beim Aufreger-Thema Leistungsschutzrecht Dutzende Presse-Artikel werden, wurden die Kleinen Anfrage von der Linken und von den Grünen im Juli 2014 kaum medial gespiegelt.

Datenbanken für Kleine Anfragen
Wer sich für Kleine Anfragen im Bundestag interessiert, kann auf verschiedene Arten recherchieren. Über die erweiterte Suche des Dokumentations- und Informationssystems des Bundestags lässt sich ein Zeitraum eingrenzen und im Titel oder im Text der Anfragen nach Stichworten suchen. Alternativ gibt es eine chronologische Ansicht aller Drucksachen des Bundes mit Suchfunktion. Ein eigener RSS-Feed für kleine Anfragen wird nicht angeboten. Allerdings lässt sich ein RSS-Kanal zu allen Aktuellen Drucksachen abonnieren, der jedoch auch viele andere Anträge, Empfehlungen und Berichte enthält.

Die Linkspartei führt eine eigene Übersichtsseite mit allen Anfragen der Fraktion. Auf der Fraktionsseite der Grünen gestaltet sich die Suche mühsamer. Es gibt eine Liste aller parlamentarischen Initiativen, ob Kleine Anfrage, Gesetzentwurf oder Entschließungsantrag. Filtern kann man nur eingeschränkt nach Abgeordneten und vorgegebenen Themenkategorien. Zudem ist die Übersicht nicht immer aktuell. Bei der Linken und bei den Grünen lässt sich jeweils ein RSS-Feed zu Parlamentarischen Initiativen abonnieren, in dem auch die Kleinen Anfragen aufgelistet sind.

Das Portal OffenesParlament von der Open Knowledge Foundation Deutschland aggregiert alle parlamentarischen Dokumente des Bundes und bietet auf der Basis eine Suchmaschine an. Konkrete Suchen lassen sich praktischerweise abonnieren, so dass man sich über neue Anfragen zu bestimmten Themen per Mail informieren lassen kann.

Interessiert man sich für einzelne Bundesländer, muss man die unterschiedlich gut navigierbaren Verwaltungsportale der jeweiligen Landesregierungen abklappern, beispielsweise die Parlamentsdokumentation von Berlin oder die Dokumentensuche von Sachsen. Eine gemeinsame Datenbank für Bundes- und Landesdokumente gibt es noch nicht. Mit kleineAnfragen.de hat ein Programmierer unabhängig von der Open Knowledge Foundation etwas derartiges begonnen, zur Zeit fragt er die Dokumente des Bundes und von Bayern, Berlin und Brandenburg ab.

Viel Potenzial für Journalisten
Die Mühe beim Recherchieren ist kein Grund, sich entmutigen zu lassen. Die kleinen Anfragen sind ein spannender Fundus. Auch wenn sich die Ministerien oder Behördenleiter kaum dazu verleiten lassen, Staatsgeheimnisse auszuplaudern, ermöglichen es die mal substanziellen und mal eher ausweichenden Antworten, der Regierungspolitik und aktuellen Ereignissen eine alternative Sichtweise hinzuzufügen.

Und die geringe Aufmerksamkeit, die die Anfragen genießen, hat auch einen Vorteil. Bei Pressekonferenzen der Regierung stürzt sich oft die halbe Journalisten-Crowd auf einen einzigen Informationsfetzen. Gräbt man als Journalist hingegen eine spannende Kleine Anfrage aus, ist es gut möglich, dass man die jeweiligen Informationen und Statements faktisch exklusiv hat.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in: NEU, Suchen & Finden

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