30.03.2015

YouTube für Journalisten: „Man braucht ein gutes Konzept“

Der Internet – Video – Experte Bertram Gugel spricht im torial-Interview über neue journalistische Darstellungsformen im Netz und die Frage, ob jeder Journalist auch zum YouTuber werden sollte.
Gugel ist Kommunikations- und Medienwissenschaftler und hat unter anderem beim Springer-Verlag und der Telekom gearbeitet. Er ist mit „Gugel Productions“ unabhängiger Berater für Internet-TV- und YouTube-Angebote und betreibt seit 2005 das Blog „Digitaler Film“.

Bertram Gugel by Anette Koroll

 

torial: Herr Gugel, was sagen Sie zu einem Journalisten, der aktuell im Geschäft ist und sich bislang noch nicht mit YouTube beschäftigt hat?

Bertram Gugel: Das hängt ein bisschen von seinem Ressort ab. Für Journalisten, die über Bewegtbild- beziehungsweise Internet-Themen recherchieren und in diesen Bereichen arbeiten, ist das natürlich Pflicht. Für andere hängt es natürlich sehr stark von ihrem Thema ab.

torial: Muss man heute wissen, wie man mit einem YouTube-Video einen Artikel illustriert?

Gugel: Wenn es sich anbietet. Es muss aber nicht alles Video sein. Es gibt viele Sachen, die machen filmisch illustriert auch überhaupt keinen Sinn. Es geht immer darum, welche Geschichte ich vermitteln will. Danach richtet sich die Darstellungsform.

torial: Wie hat sich die Wichtigkeit für YouTube im Journalismus in den letzten zwei bis drei Jahren verändert?

Gugel: Was wir auf jeden Fall sehen, ist die Tatsache, dass Video jetzt wirklich angekommen ist im Netz und es auch von den Nutzern sehr breit angenommen wird. Wir sehen ganz andere Reichweiten als noch vor wenigen Jahren. YouTube und Co. haben in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich an Gewicht gewonnen.

torial: Können Menschen vom Erstellen von YouTube Angeboten leben? Ist es eine Marktlücke für Journalisten?

Gugel: Generell ist es natürlich die Ausnahme, wenn man alle YouTuber nimmt, dass man davon leben kann. Die Großen verdienen natürlich Geld – und auch diejenigen, die Millionen von Abrufen generieren. Für andere ist es eher ein Weg dorthin, oder ein Hobby.

torial: Nehmen wir einmal einen Wissenschaftsjournalisten, der bislang über dieses Themengebiet nur schreibt. Wäre es für ihn sinnvoll, sich mit YouTube zu beschäftigen?

Gugel: Ich würde nicht grundsätzlich jedem raten, Video zu machen, weil die Produktion auf einem ordentlichen Niveau sehr aufwendig ist. Das kann man nicht einfach so nebenher machen.

Es muss auf jeden Fall ein Konzept dahinter stecken. Bei Wissenschaftsthemen kann man sich dann beispielsweise überlegen, was ein Format sein könnte, das auf YouTube funktioniert – und da gibt es auch sicherlich einige Beispiele dafür.

Auf der anderen Seite muss das Ganze natürlich einen Zweck haben, warum ich mich damit beschäftige. Ich brauche die notwendige Kompetenz – oder zumindest die Freiheit, mir diese Kompetenz anzueignen. Und das ist vielleicht nicht immer gegeben, wenn ich nebenbei noch andere Sachen machen muss, um Geld zu verdienen.

torial: Kennen Sie Beispiele von Journalist_innen, die auf YouTube gut verdienen? Im deutschsprachigen Raum vermutlich noch nicht.

Gugel: Es gibt sicherlich einige Journalist_innen, die auf YouTube experimentieren. Wenn man sich aber anschaut, was wir klassisch unter Journalismus hier in Deutschland verstehen, findet das noch nicht groß und breit auf YouTube statt. Das hat unterschiedliche Gründe. Einer dürfte sein, dass es beispielsweise noch sehr schwierig ist, Nachrichtenvideos zu refinanzieren.

torial: Große Medien experimentieren seit längerem mit YouTube, doch so richtig gelungen scheinen diese Experimente noch nicht.

Gugel: Einfach nur vorhandene Sachen verfügbar zu machen, funktioniert eigentlich nur bedingt. Da muss die Marke schon sehr stark sein. Ansonsten muss man wissen, wie man Material für YouTube adaptiert.

Aber man kennt das ja, wenn wir uns Zeitungen und Zeitschriften anschauen. Wie die über Jahre mit der Form ringen und überlegen: Was ist denn jetzt die richtige Adaption eines Artikels aus der Zeitung im Netz? Wie sieht der dort am besten aus? Wie muss er dargestellt sein? Und da reden wir einfach nur darüber, dass wir zwei Mal Text haben – einmal Print und einmal Online.

Wenn dann da auch noch Bild und Ton dazu kommen, wird es noch komplizierter. Diese Darstellungsformen entstehen gerade erst.

torial: Was würden Sie einem Journalisten raten, der in den Bereich einsteigen und sich Kompetenz aneignen möchte?

Gugel: Einfach eine Suche auf YouTube starten! Dort gibt es Tutorials für fast alle diese Fragen. Von „Wie filme ich mit dem iPhone?“ über „Wie schneide ich den Beitrag?“ bis hin zu „Wie mache ich eine gute Endcard?“. Es gibt für alles ein Video.

torial: Und dann einfach loslegen. Wenn man ein Konzept hat.

Gugel: Das sollte man vorher haben. Und eben auch ein Ziel. Und man muss es sich idealerweise auch leisten können, diese Zeit zu investieren.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in: Dynamik am Markt, JOURNALISMUS & NETZ, Neue Formate

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  1. Jonet Das Journalistennetz. Seit 1994. » Medienlog 3. April 2015 03 04 15