18.05.2015

Vorratsdatenspeicherung: Massive Bedrohung der Pressefreiheit

Mit seinen Leitlinien zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfristen für Verkehrsdaten hat Bundesjustizminister Heiko Maas ein Rebranding versucht, dass nicht über den Kern hinwegtäuschen kann: die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Diese betrifft Journalist/-innen in einer noch nie zuvor dagewesenen Art und Weise. Tobias Schwarz beantwortet einige Fragen, die in der Praxis relevant werden können.

CC BY SA 2.0 by stallkerl

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Werden alle Journalist/-innen überwacht?

Ja, denn die Verkehrsdaten aller Bürgerinnen und Bürger werden anlasslos erfasst, auch die von Journalist/-innen. Ein Abruf der erfassten Daten von sogenannten Berufsgeheimnisträgern soll zwar nicht stattfinden, doch wie das funktionieren soll, ist bisher unklar. Betroffene Journalist/-innen sollen vor dem Abruf der Daten benachrichtigt werden, denn der Vorgang ist keine s.g. verdeckte Maßnahme. An diesem Punkt müssten sich Berufsgeheimnisträger dann allerdings auch als solche zu erkennen geben. Wer Journalist/-in ist und von der Ausnahme vermeintlich profitiert, ist jedoch nicht klar zu sagen, da die Berufsbezeichnung nicht geschützt ist.. Die Kategorien, die die Richtlinien bisher vorsehen, sind also alles andere als klar definiert.

Wird es einen Richtervorbehalt geben?

In den jetzigen Leitlinien soll es „einen umfassenden Richtervorbehalt für den Abruf der Daten durch die Strafverfolgungsbehörden“ geben. Was dieser allerdings wert sein wird ist zu diesem Zeitpunkt reine Spekulation. Denn auch „eine heimliche Verwendung [ist] nach gerichtlicher Prüfung ausnahmsweise zulässig“. Die vorgesehene nachträgliche Benachrichtigung kann ebenfalls durch richterliche Bestätigung wegfallen. Bereits jetzt gibt es außerdem erste Anzeichen, die darauf hinweisen, dass der in den Leitlinien erwähnte richterliche Vorbehalt in der Praxis nicht viel wert sein wird.

Gilt weiterhin das Zeugnisverweigerungsrecht?

Bei der Vorratsdatenspeicherung der letzten Großen Koalition wurde das Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten, durch das diese nicht als Zeugen vor Gericht zu einer Auskunft gezwungen werden können, herabgestuft. Gerichte konnten anordnen, dass auch Journalisten verdeckt überwacht werden, und entscheiden, ob die Erkenntnisse verwertbar waren. Journalisten waren dadurch Berufsgeheimnisträger zweiter Klasse. Der jetzige Entwurf von Heiko Maas geht noch einen Schritt weiter, denn es sollen auch die Verkehrsdaten von Mitgliedern der Presse anlasslos erfasst werden. Entscheiden dann Gerichte, dass die Verwertung zulässig ist und die Journalisten nicht darüber benachrichtigt werden müssen, ist das Zeugnisverweigerungsrecht nur noch reine Makulatur.

Der Gesetzgebungsprozess kommt erst noch

Die jetzigen Leitlinien sind nur die Skizze eines möglichen Gesetzes. Es ist deshalb möglich, dass der durch das Grundgesetz eingeräumte Schutz von Journalisten noch weiter ausgehöhlt wird. Vertreter der Gewerkschaft der Polizei z.B. fordern schon jetzt längere Speicherfristen. Dass die Vorratsdatenspeicherung kommt, ist bei den geltenden Mehrheitsverhältnissen nahezu sicher. Wie sie ausgestaltet wird, hängt von den politischen Kräfteverhältnissen innerhalb der Regierung ab. Ob die den jetzigen Entwurf zu verantwortenden Sozialdemokraten den koalitionsinternen Burgfrieden für grundlegende Rechte der Presse gefährden, scheint unsicher. Sicher ist: Schon die Leitlinien stellen eine massive Bedrohung der Pressefreiheit dar.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in: Gesetze, Regeln, Urteile, JOURNALISMUS & NETZ
  • Über Tobias Schwarz

    Tobias Schwarz ist Projektleiter des Online-Magazins Netzpiloten.de. Er schreibt für verschiedene Medien über Themen des digitalen Wandel in der Politik, der Gesellschaft und im Journalismus.

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