09.05.2016

„Die Teletext-Seite 100 sagt einem, ob die Welt noch steht.“

Vor allem kurz müssen Inhalte im Teletext sein. Kein Problem, meint Frauke Langguth von ARD-Text und verteidigt das Format, das in Diskussionen über Medien meist noch nicht einmal erwähnt wird.

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Frauke Langguth leitet seit acht Jahren die Teletext-Redaktion der ARD. (Foto: Jenny Sieboldt/rbb)

Etwa elf Millionen Menschen nutzen in Deutschland täglich den Teletext, vier Millionen den des Marktführers ARD. Frauke Langguth ist die Chefin eines zehnköpfigen Teams, das im Schichtbetrieb die Inhalte von ARD-Text erstellt. Nach Ihrem Vortrag auf der Digitalkonferenz Re:publica haben wir mit ihr über Gegenwart und Zukunft eines unterschätzten Mediums gesprochen.

Was für ein Medium ist der Teletext?
Ich sehe den Teletext als Kurznachrichtendienst. Wir liefern den schnellen Überblick. Wir decken alles ab, was an relevanten Nachrichten passiert. Die Teletext-Seite 100 sagt einem, ob die Welt noch steht.

Was, glauben Sie, zeichnet ihn gegenüber anderen Medienformaten aus?
Kurz heißt: es wird nicht zu viel herumgeschwafelt. Und kurz heißt auch schnell. Wir müssen keine Bilder einbauen oder Links raussuchen. Wir können fast in Echtzeit berichten, zum Beispiel beim Sport. Das bedeutet auch, dass Zuschauer keine Zeit unnötig verschwenden. Sie rufen den Teletext auf, die Meldung ist da, ohne eingebaute Videos und ohne weiterführende Links.

Wieso gibt es den Teletext überhaupt?
In Deutschland haben wir den Teletext seit etwas mehr als 35 Jahren. Erfunden wurde er aber in England. Man hatte entdeckt, dass bei der Ausstrahlung des Fernsehsignals eine Lücke entsteht, die so genannte Austast-Lücke. Die Idee war, die mit Informationen zu füllen, und auch mit Untertiteln für Menschen, die schwer oder gar nicht hören können.

In welchem formalen Rahmen müssen sich die Inhalte abspielen?
Es existiert ein weltweit gültiger technischer Standard für den Teletext. Der legt fest, dass es 40 Zeilen à 25 Zeichen und insgesamt 800 Seiten mit Unterseiten gibt. Die Schriftart ist festgelegt. Der Standard schreibt auch vor, dass nur sechs Farben möglich sind, dazu schwarz und weiß.

Wie wirken sich diese Vorgaben inhaltlich aus?
Auf jeden Fall passen keine Romane in den Teletext, keine langen Erklärstücke und eigentlich auch keine Kommentare. Im wesentlichen besteht der Teletext aus harten Nachrichten. Es gibt aber auch andere Inhalte. Einzige Bedingung ist, dass die kurz sind und sich technisch umsetzen lassen. Wir haben Teletwitter, wir hatten mal Kurzgedichte von Zuschauern veröffentlicht, und es gibt auch Pixel-Kunst im Teletext.

Existiert so etwas wie ein eigenständiger Teletext-Journalismus?
Höchstens sehr begrenzt. Es geht einfach um Kurznachrichten, und die folgen gewissen Regeln. Das besondere ist eher das technische Umfeld, zum einen die spezifische Sortierung der Inhalte. Hundert Seiten sind bei uns jeweils ein Magazin. Im ersten Hunderter-Magazin sind die Tagesschau-Nachrichten drin, die uns zugeliefert werden, die Wirtschaftsnachrichten und die aus aller Welt. Dann haben wir einen Block mit Sportnachrichten, mit Nachrichten aus Wissen und Umwelt, aus Kultur und Medien sowie Unterhaltung. Und dann gibt es natürlich noch den 300er-Bereich mit den Programmseiten. Besonders ist auch die Art der Navigation. Alles ist über dreistellige Seitenzahlen codiert. Wenn Sie die kennen, finden Sie die Inhalte irre schnell. Sie wissen einfach: 250, das ist die Bundesligaseite. Teletext-Seiten sind eigentlich die kürzesten Links der Welt.

Inwiefern ist Teletext als Medium durch die Digitalisierung und das Internet bedroht?
Das Web hat dem Teletext gar nicht so sehr zu schaffen gemacht. Es ist eher der Medienwandel durch Smartphones. Immer mehr Leute haben keinen Fernseher mehr. Wir haben auch Konkurrenz durch Anbieter, die manches besser können als wir, zum Beispiel, da sie Location-basiert arbeiten. Das Wetter bekommen Sie heute selbst im Radio nicht mehr so gut wie möglicherweise über Ihre Wetter-App. Und Programminformationen sind mittlerweile auch in den elektronischen Programm-Guides hinterlegt.

Wie reagieren Sie darauf?
Wir fragen uns immer, welche Inhalte zum Medium Teletext und auch zur Zeit passen. Teletwitter war eine Idee, die funktioniert. Wir posten Tweets aus Twitter parallel zur Fernsehsendung, das machen wir auch bei Fußballspielen. Alle sprechen vom Second Screen. Teletext ist der Second Screen im First Screen. Und unsere Strategie ist auch, Inhalte einmal zu produzieren und zu verteilen, auch auf unsere Webseite, aufs Smart TV und in eine Smartphone-App. Die Nachricht wird nicht verlängert oder verkürzt, und navigiert wird überall über die gleichen Seitenzahlen.

Wie sollte jemand den Teletext als App wollen?
Die Leute, die die App nutzen, finden die gut, weil sie wirklich unheimlich schnell und schlank ist. Sie können die Inhalte auch in Gegenden Deutschland bekommen, wo noch kein guter Internet-Empfang ist. Und wenn Sie die Seitenzahlen kennen, finden Sie die Inhalte möglicherweise schneller als bei anderen Nachrichtenangeboten.

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0 Kommentare zu diesem Artikel


  1. Support! Der ARD-Videotext ist für mich weiterhin die erste Anlaufstelle für aktuelle Informationen. In puncto Relevanz, Aktualität, Sachlichkeit und Übersichtlichkeit kann keine anderes (Internet-)Angebot mithalten. Was da nicht steht, kann ich – ausführlicher und geklärter – am nächsten Tag in den Zeitungen lesen. Der Videotext des ZDF fällt inhaltlich und technisch (im Internet immer noch mit Flash umgesetzt!) klar ab.

  2. Warum Teletext? Die Chefin des ARD-Teletext meint: „Die Leute, die die App nutzen, finden die gut, weil sie wirklich unheimlich schnell und schlank ist. Sie können die Inhalte auch in Gegenden Deutschland bekommen, wo noch guter Internet-Empfang ist. Und wenn Sie die Seitenzahlen kennen, finden Sie die Inhalte möglicherweise schneller als bei anderen Nachrichtenangeboten.“

    Ich halte das für deutlich zu optimistisch.

    Teletext scheint mir doch eher das „Internet“ der Generation 60+++ zu sein, entsprechend dem Durchschnittslebensalters der ARD/ZDF-Zuschauer. Natürlich ist das bei dieser Zielgruppe bekannt und bewährt, warum also was neues? Wenn diese Zuschauer aussterben (im wahrsten Sinne des Wortes) wird es mit Teletext vorbei sein, auch, wenn man sich heute noch Vorteile gegenüber dem Internet erträumt.

    Technik der 80er hält eben nicht ewig. Wir haben ja (außer als Hobbyprodukte) keine Mailboxen mehr.

  3. „Sie können die Inhalte auch in Gegenden Deutschland bekommen, wo noch guter Internet-Empfang ist“ –> Sollte es nicht „noch kein guter Internet-Empfang“ heißen? Gerade weil die App „schnell und schlank“ ist, eignet sie sich doch für Gegenden mit schlechter Internet-Versorgung.


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