06.06.2016

Wird spreadpress die eierlegende Wollmilchsau für Journalisten?

Was spreadpress uns Online-Journalisten verspricht, ist fast zu schön, um wahr zu sein. Jeder darf dort eigene Inhalte einstellen. Und zwar so viele und zu den Themen, die man sich selbst aussucht. Kein Ressort-Leiter kann die Artikel ablehnen. Kein Chef vom Dienst kürzt den Beitrag so sehr, dass er kaum mehr erkennbar ist. Und das Schönste daran: Die Bezahlung richtet sich alleine nach der Popularität des Artikels. Wer den Geschmack der Leserinnen und Leser trifft, soll sich über entsprechende Einnahmen freuen.

Die meisten Startups beginnen mit einer zündenden Idee. Doch spätestens nach ein paar Jahren trennt sich die Spreu vom Weizen. Dann zeigt sich, ob die Idee auch wirklich umsetzbar war und die für den Betrieb nötigen Umsätze generieren konnte. Viele erfolgsversprechende Unternehmen bleiben aber auf der Strecke. Oftmals entscheidet alleine das liebe Geld über Erfolg oder Misserfolg.

Wir möchten vom spreadpress-Geschäftsführer Richard Schöttl wissen: Kommt auf uns eine Demokratisierung des Journalismus zu? Kann die Monetarisierung der Inhalte auch unter Ausschluss der Verlage gelingen? Und wer sorgt ohne Redaktionsleiter für die Qualität, die die Leser selbstverständlich von jedem Medium erwarten?

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Wie kamen Sie überhaupt zu der Idee mit spreadpress?

Ich habe mich schon während dem Studium (Publizistik und Kommunikationswissenschaften) einmal mit dem Thema auseinandergesetzt und zwar im Zusammenhang von Agenturmeldungen in Printmedien. Im täglichen Konsum einzelner Printmedien und vor allem Onlinemedien ist mir aufgefallen, dass sich viele Meldungen sehr gleichen. Aus der anfänglichen Recherche zu dem Thema und der aktuellen Entwicklung der Medien hat sich dann diese Idee entwickelt.

Alexa und Similarweb bieten leider noch keine Daten zu den Zugriffszahlen von spreadpress an. Wie viele Unique Visitors hat die Webseite denn täglich?

Die Zugriffszahlen sind noch nicht der Rede wert. Für den Anfang benötigen wir zuerst möglichst viele Autoren auf überregionaler und regionaler Ebene, die Ihre Inhalte dann in den sozialen Medien teilen, um die Sache in Gang zu bringen.

Diese Aussage von Ihnen können wir glatt unterschreiben: Mindestens 30.000 freie Journalisten versuchen irgendwie, finanziell über die Runden zu kommen. Das Problem: Die meisten Auftraggeber verlangen eine exklusive Verwertung der Inhalte, die sie abnehmen. Das heißt, der Journalist müsste den gleichen Beitrag zweimal schreiben. Bringt das die Freien nicht noch mehr in Zeitnot, statt sie zu entlasten?

Unsere Idee ist es tatsächlich, die Journalisten dazu zu bringen, je nach Vertrag den Beitrag bei uns einer zweiten Verwertung zuzuführen oder die Rechercheergebnisse in einem weiteren Beitrag zu verwerten. Ich kann nicht beurteilen, ob es den Freien an Zeit fehlt oder an Möglichkeiten der Monetarisierung. Ist es natürlich die Zeit, gehen wir davon aus, dass es sich um einen erfolgreichen Journalisten handelt, der von seiner Arbeit leben kann.

Wir möchten vor allem auch junge Journalisten ansprechen, die vielleicht noch nicht so gut im Geschäft sind. Für diese Gruppe kann die Plattform ein Möglichkeit bieten, auf Ihre Arbeit aufmerksam zu machen.

Die Verteilung 70/30 zwischen Autor und Plattform ist offensichtlich sehr fair. Angenommen, ich erreiche täglich 1.000 Seitenzugriffe: Mit welchen Einnahmen könnte ich dann pro Artikel bei spreadpress rechnen?

Wir hoffen sehr stark auf möglichst viele regionale Berichterstatter, die in den meisten Fällen keine Vergütung erhalten, da sie die 250 Klicks nicht erreichen und dadurch einen enormen Traffic generieren, der zu Werbeeinnahmen führt und damit die Inhalte und Autoren stützt, die mehr Klicks erreichen. Im Schnitt liegen die Werbeeinnahmen pro 1.000 Klicks zwischen 2 und 12 Euro. Mit den sogenannten „lousy pennies“ aus den regionalen Inhalten möchten wir gerne einen Auszahlungsbetrag von 10 Euro pro 1.000 Klicks erreichen. Es gibt aber keinen fixen Auszahlungsbetrag, sondern der Betrag ermittelt sich täglich aus den Einnahmen.

Sind bei Ihnen auch Sponsored Posts geplant, die noch am meisten Umsatz im Bereich Online-Werbung generieren? Wie wäre dann die Verteilung des Umsatzes?

Ja, das ist geplant. Wir arbeiten an einem System, in dem Unternehmen Inhalte platzieren können. Auch hier werden wir 70% an die Autoren auszahlen. Der einzige Bereich, in dem wir die 70% nicht auszahlen, ist der Umsatzteil, der aus der Integration von Werbung direkt von Autoren kommt. Ein Autor (vor allem ein regionaler) kann Bannerwerbung von seinen eigenen Werbekunden integrieren. Der Autor kassiert dort vom Unternehmen einen Betrag X und wir erhalten davon 30%. 70% verbleiben beim Autor. Dieses Feature erlaubt auch kleinen regionalen Unternehmen Onlinewerbung in Ihrer Region zu schalten, und uns sichert es hoffentlich eine wirtschaftliche Basis.

Mit welchen Vermarktern von Online-Werbung arbeiten Sie zusammen? Welche Werbeformen sind geplant? Auch Affiliate, CPC oder primär TKP? Was ist mit Newsletter-Marketing? Bei torial gibt es zum Thema Monetarisierung von Webseiten einen ausführlichen Beitrag.

Zur Zeit nutzen wir Adsense und Plista und die eigene Integration von Werbung durch Autoren. Wir möchten alle anderen Werbeformen ebenfalls nutzen. Diese Formen machen jedoch erst Sinn, wenn genügend Visitors die Seite besuchen. Schon jetzt ist es möglich, dass Autoren ihren eigenen Affiliate-Link einfügen. Da jedoch der Konsument entscheidet, was zu viel Werbung oder was noch okay ist, kann der Konsument uns solche Beiträge melden und wenn innerhalb des Beitrages übertrieben wird, dann sperren wir den Beitrag.

Auch Newsletter werden wir anbieten. Da wir den Konsumenten, die sich registrieren, die Funktion anbieten, dass sie sich ihre Inhalte ganz nach ihren Wünschen zusammenstellen können, haben wir die Präferenzen unserer Konsumenten. Auf Basis dieser Information können wir eine Zusammenstellung von interessanten Inhalten als Newsletter an unsere Leser verschicken.

Wie ist die bisherige Verteilung regionaler Berichte aus Deutschland bzw. Österreich?

Wir starten mit dem Ende dieser Woche eine Werbekampagne, um regionale Berichterstatter zu motivieren, auch auf unserer Plattform regionale Inhalte zu veröffentlichen. Bis jetzt gibt es noch zu wenige Autoren.

Welche Voraussetzungen muss ich für die Premium-Variante erfüllen? Reicht ein Presseausweis? Wenn ja, von welcher Organisation? Es gibt ja auch viele Aussteller von Ausweisen, die keinerlei Kontrolle der journalistischen Tätigkeit übernehmen. Oder ist eine Mitgliedschaft bei der Künstlersozialkasse ausreichend?

Es muss keine Voraussetzung für die Premium-Variante erfüllt werden. Erstens ist auch ein Presseausweis nicht aussagekräftig was die Qualität eines Journalisten angeht. Zweitens glauben wir stark daran, dass der Konsument sehr wohl Qualität von Spam unterscheiden kann. Wir nehmen auch an, dass nur jemand die Premium-Variante wählt, dem es wirklich ernst ist.

Sie bieten die internationale Verbreitung der Beiträge an. Doch wie soll das im Detail geschehen? Welche Vorteile habe ich von der Anerkennung eines professionellen Journalisten bei spreadpress?

Ein Premium Publisher kann seine Beiträge in allen Ländern veröffentlichen in denen spreadpress aktiv ist und das in mehreren Sprachen. Zurzeit ist das DE, AT und CH. Das steigert die mögliche Öffentlichkeit für einen Inhalt. Die Inhalte der Premium-Publisher werden außerdem am Start besser gereiht, als die von nicht Premium-Publishern. Wir möchten erreichen, dass auch ein Inhalt aus Norddeutschland hochskalieren kann, wenn er eben für jemanden aus dem Süden Österreichs interessant ist. Die Mehrsprachigkeit hat mehrere Effekte. Erstens können anderssprachige Volksgruppen in einem Land angesprochen werden (z.B: 2.000.000 Russischsprachige in DE, oder vier Sprachen in CH). Zweitens kann dadurch wieder eine größere Öffentlichkeit angesprochen werden und drittens kann der Konsument an die Plattform gebunden werden.

Leider ist das Video über die eigene Vermarktung von Inhalten noch nicht verfügbar. Wie muss ich mir das im Detail vorstellen? Warum sollte ein Journalist dafür spreadpress und nicht seinen eigenen Blog oder Webseite benutzen?

Das Video wird erst produziert. Wie Sie in ihrem Blog schreiben, ist der zehnte Blog zum Thema iPhone kaum erfolgreich zu vermarkten. Veröffentlicht nun dieser Autor seine Inhalte auf unserer Plattform, hat er die Möglichkeit, sofern er schnell ist und einen guten Blogbeitrag verfasst, innerhalb der Plattform Follower zu finden und sich damit innerhalb der Plattform mit seinem Blog zu platzieren und eine Stammleserschaft aufzubauen.

Geht unser Plan auf, konsumieren User mehr als den einen Inhalt, von dem sie über die sozialen Medien erfahren haben. Von dieser Verweildauer und den Impressionen profitieren auch Blogger.

Werden Zählmarken der VG Wort beziehungsweise einer der österreichischen Verwertungsgesellschaften in die Beiträge eingebunden?

Noch nicht, das ist aber ein guter Einwand den wir in die weitere Entwicklung einbinden werden. Derzeit gilt es einmal überhaupt Inhalte und Konsumenten zu motivieren.

Die Leser sollen über die Relevanz von Themen bestimmen. Was werfen Sie den Verlagen bzw. den Chefredakteuren denn im Detail vor? Dass zu viel Geld auf dem Weg zu den Freien auf der Strecke bleibt? Oder vielleicht, dass sie zu sehr inhaltlich eingeschränkt werden? Tatsache ist leider, dass man sich als Freier oft wie ein Bittsteller fühlt, dem geradezu das Gefühl vermittelt wird, er kann froh sein, dass man seine Texte überhaupt abnimmt.

Schon bei der Entwicklung der Idee war das mein Hauptansporn. Wie kann es sein, dass zehn Medien die gleiche Sichtweise und manchmal sogar den identischen Text verwenden. Der Grund kann ja nur daran liegen, weil die Chefredakteure in ihren Stühlen sitzen und sich sagen, „Das machen die Anderen, wir müssen das auch machen“. Wir möchten auf unserer Plattform erreichen, dass zu einem Thema mehrere Sichtweisen verbreitet werden und der Leser entscheidet dann über die Relevanz, indem er den Inhalt teilt, kommentiert und bewertet.

Der Algorithmus, der für die Reihung innerhalb der Plattform sorgt, beobachtet genau dieses Verhalten und berechnet daraus eine Reihung. Durch die Spreadtags können unterschiedliche Sichtweisen zu einem Thema zusammengefasst werden, was allen beteiligten Autoren hilft, da viele Inhalte mit dem gleichen Spreadtag ebenfalls bevorzugt gereiht und somit auf der Webseite weiter oben platziert werden.

Und natürlich bleibt Geld auf der Strecke, wenn ein Medium auch Angestellte hat, die mit der direkten Produktion des Inhaltes nichts zu tun haben. Diese Angestellten gibt es bei uns nicht, daher geht einerseits die Barriere verloren, die oft tolle Inhalte verhindert, und das Geld geht direkt zum Verfasser.

Ist eine Bezahlschranke für exklusive Inhalte geplant? Funktionieren Paywalls in der heutigen Zeit überhaupt noch, da es jeder gewohnt ist, alles im Internet umsonst zu bekommen?

Wir bieten für Konsumenten eine Premium-Variante an. Diese bietet dann die Funktion, dass man mehrsprachige Inhalte abrufen kann und die Werbung auf der Seite reduziert wird. Ganz offen gesagt ist uns aber bewusst, dass eine Bezahlschranke schwer durchzusetzen ist. Vor allem für die Inhalte als solches glauben wir nicht daran, dass sich jemals eine Bezahlschranke einführen lässt. Eher wird es klappen, durch Sonderfunktionen die User dazu zu bewegen ein paar Euro zu bezahlen.

Herr Schöttl, wir wünschen Ihnen mit ganzem Herzen Erfolg beim Aufbau Ihrer eierlegenden Wollmilchsau für Blogger, Lokalredakteure und Journalisten. Es wäre sehr wünschenswert, wenn in diesen statischen Bereich Bewegung kommen würde.

Wer sich das Backend für Autoren unverbindlich anschauen möchte, kann sich hier mit dem Benutzernamen testen und Passwort testen einloggen. Dort sind beispielsweise die eigenen Werbeanzeigen, die Bewertungen der Leser, die erzeugten Seitenzugriffe und vieles mehr auf einen Blick sichtbar.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in: JOURNALISMUS & NETZ, Neue Formate

0 Kommentare zu diesem Artikel


  1. Ich verstehe nicht ganz, wie spreadpress seriösen Journalismus vertreten will, wenn Journalisten selbst Werbung auf ihren Seiten einstellen und also auch einwerben können. Wo bleibt da die Trennung zwischen Journalismus und PR?
    Und was ist mit Artikeln aus der rechten Ecke, die bekannterweise viele Klicks kriegen. Bekommen diese Journalisten dann auch besonders viel Geld dafür? Was ist die redaktionelle Ausrichtung?
    Erscheinen seriöse Journalisten mit unseriösen auf einer Plattform? Wer möchte mit allem und jedem in einen Topf geworfen werden?