07.08.2019

Journalismus&Netz im Juli: Geringe Zahlungsbereitschaft, fünf Jahre Krautreporter, Hate Aid

Wie viel Geld wollen Nutzer für Journalismus im Netz ausgeben? Wie haben sich die Krautreporter entwickelt und was steckt hinter der Initiative „Hate Aid?“

Medienökonomie

Schmerzgrenze 10 Euro im Monat: Netflix für Journalismus gefragt

Titelseite der Studie zu Zahlungsbereitschaft im Netz

Titelseite der Studie zu Zahlungsbereitschaft im Netz

„Money for nothing and content for free?“ lautet in Anspielung auf einen Hit der Dire Straits der Titel einer Nutzerstudie, in der die Landesanstalt für Medien NRW die Zahlungsbereitschaft im Netz untersucht hat. Die Ergebnisse ähneln dem Digital News Report des Reuters Instituts, über den wir in der Juni-Ausgabe berichtet haben: Die Zahlungsbereitschaft für journalistische Inhalte ist gering, am ehesten zahlen Nutzer für persönlich relevante, nutzwertige Themen. Die Preisschwelle liegt bei etwa 10 Euro im Monat, gefragt wäre also eine Art Netflix oder Spotify für Journalismus. Die ganze Studie gibt es ebenso wie eine zweiseitige Zusammenfassung auf der Website der Landesanstalt für Medien NRW.


Krautreporter generieren Themen mit Hilfe ihrer Community

In der deutschen Medienlandschaft fast ein bisschen untergegangen ist das fünfjährige Jubiläum der Krautreporter. Im Sommer 2014 hatten sie in einer Aufsehen erregenden Crowdfunding-Kampagne 1,38 Millionen Euro eingesammelt. Mittlerweile ist man zu einem Mitglieder-Modell übergangen. Christine Schmidt blickt für das amerikanische Nieman Lab auf fünf Jahre Krautreporter zurück und arbeitet dabei heraus, wie sehr das Krautreporter-Team bei seinen Recherchen auf Input, Fragen aber auch Wissen aus der eigenen Community setzt.

1E9: neues Online-Magazin für Tech-Themen

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch die im Juli gestartete Digitalmarke 1E9, die sich als „Denkfabrik für die Zukunft“ sieht und neben einem Online-Magazin auch eine Community und Events wie die am 11. Juli erstmals abgehaltene 1E9-Konferenz anbietet. Thematisch dreht sich 1E9 um neue Technologien wie künstliche Intelligenz, Elektromobilität oder das Internet der Dinge. Gründer und Chefredakteur ist Wolfgang Kerler, zuletzt Chefredakteur des 2018 eingestellten Tech-Magazins WIRED Germany.

Medienethik

Jay Rosen: Journalisten dürfen eine Haltung haben und sollen sie transparent machen

Auch in der Schweiz gibt es ein mitgliederfinanziertes Magazin: Republik.ch. hatte gerade den international bekannten Journalismus-Professor Jay Rosen von der Universität New York zu Gast und sprach mit ihm über den Wandel des journalistischen Berufsbildes: Rosen hat ein Problem mit dem klassischen Neutralitäts-Gebot, nämlich dann, wenn sie „falsche Ausgewogenheit fördert: zwei Positionen als gleichwertig einstuft und darstellt, obwohl sie das nicht sind.“ Statt dessen fordert Rosen die Journalisten auf, ihre eigene Haltung transparent offenzulegen und dem Publikum zu erklären, wie sie zu ihren Schlüssen kommen.

Hate Aid hilft Opfern von Hate Speech

Hass im Netz als Phänomen kennt jeder, aber wie fühlt es sich an, wenn man selbst betroffen ist? Und vor allem: Was kann man dagegen tun? An diesem Punkt setzt die Organisation Hate Aid an, die Opfer von Hate Speech und Anfeindungen im Netz unterstützt, indem Sie rechtliche Schritte gegen die Täter einleitet. Lars Wienand stellt die von der Kampagnenorganisation Campact und dem Verein Fearless Democracy gegründete Organisation am Beispiel einer betroffenen Journalistin vor. Campact war auch an der Erstellung einer repräsentativen Studie zum Hass im Netz beteiligt. Tagesschau.de hat die zentralen Ergebnisse zusammengefasst.

Medieninnovation

10 Tipps für die interdisziplinäre Produktentwicklung

Zum Medienwandel gehört auch die Entwicklung neuer journalistischer Formate und Produkte und das wiederum gelingt am besten in interdisziplinären Teams – meint Datenjournalistin Ulrike Köppen (eine Kollegin von mir beim Bayerischen Rundfunk). Uli Köppen ist gerade von einem einjährigen Fellowship an der Harvard Universität zurückgekehrt. Was sie dort über die journalistische Produktentwicklung gelernt hat, hat sie in zehn Empfehlungen zusammengefasst.

Häufige Innovationshürden – und wie man sie überwindet

Innovations-Ideen im Alltag auch tatsächlich umzusetzen ist gar nicht so einfach und stößt gerade in der deutschen Verlagslandschaft immer wieder auf Hindernisse. Bei einer Tagung des MediaLabs Bayern haben 50 Medien-Innovatoren vier immer wiederkehrende Innovations-Hindernisse definiert und gleich ein paar Lösungsideen erarbeitet. Wer selbst eine Innovations-Idee für Medien hat und diese in Ruhe ausarbeiten möchte, kann sich beim Media Lab gerade für ein Research&Development (kurz: R&D)-Fellowship bewerben.

Online-Recherche 

Verifikation von Online-Inhalten kommt oft zu kurz

Eine Herausforderung für Journalisten – gerade in Breaking-News-Situtationen – ist der Umgang mit Online-Quellen, speziell Inhalten aus sozialen Netzwerken. Florian Wintterlin von der Uni Münster hat sich in seiner Dissertation mit der Frage beschäftigt, in welchem Umfang Journalisten Online-Quellen verwenden und wie sie die Vertrauenswürdigkeit dieser Quellen überprüfen. Eines der Ergebnisse: Journalisten befinden sich oft in der Zwickmühle zwischen dem Druck, schnell berichten zu müssen und der Sorgfaltspflicht, die gebietet, Informationen zu verifizieren. Oft entscheiden sich die Journalisten dafür, Social-Media-Material ohne aufwändige Überprüfung der Vertrauenswürdigkeit zu verwenden. Konkrete Verifikationsstrategien sind in deutschen Redaktionen noch wenig standardisiert, schreibt Wintterlin in einer Zusammenfassung seiner Forschungsergebnisse für den Blog von Martin Fuchs aka Hamburger Wahlbeobachter.

Diese Tools helfen bei der Verifikation von Online-Inhalten

Gängige Verifikations-Tools und Techniken hat Jacob Granger auf journalism.co.uk zusammengefasst, darunter die erweiterte Google-Suche, Verifikation und Lokalisierung von Bildern und Videos sowie die Suche in Archiv-Diensten. Sehr lesenswert.

Detaillierte Tipps speziell zur Suche auf Instagram gibt es auf dem Blog osintcurious, der generell eine gute Anlaufstelle für praktische Anleitungen zum Thema Online-Recherche ist.

Tooltime

– Auf der Lernplattform virtuelle Hochschule Bayern bieten Journalistik-Professoren von bayerischen Unis einen kostenlosen Medienethik-Kurs an.

– Richard Gutjahr stellt auf seinem Blog seine neueste Mobile-Reporting-Ausrüstung vor.

Einen sommerlichen August wünscht

Bernd Oswald

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in: JOURNALISMUS & NETZ, NEU
  • Über Bernd Oswald

    Bernd Oswald, Jahrgang 1974, ist Autor und Trainer für digitalen Journalismus. Mich fasziniert es, wie die Digitalisierung (nicht nur) den Journalismus verändert: mehr Quellen, mehr Transparenz, mehr Interaktion, ganz neue Möglichkeiten des Geschichtenerzählens, vor allem visuell und mit Daten. Über diese Phänomene schreibe, blogge, twittere und lehre ich seit 2009.

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