19.03.2013

Düstere Medien-Science-Fiction

Der britische Medienkritiker Charlie Brooker ist unter die Drehbuchautoren gegangen und präsentiert in der TV-Serie „Black Mirror“ Geschichten, wie sie die Medienzukunft schreiben könnte. In Großbritannien lief gerade die zweite Staffel. Ben Schwan hat sie gesehen.

 

Man darf sich schon die Frage stellen, warum es in Deutschland niemanden gibt wie Charlie Brooker. Der britische Medienkritiker hatte höchst sehenswerte Formate wie „Screenwipe“ und „Newswipe“ auf BBC4, in denen er genauso ernsthaft wie humorvoll hinter die Kulissen des Fernseh- und Nachrichtengeschäfts blickte. (Einen Beispielklassiker gibt’s auf YouTube.)

Nun hat sich Brooker ins ernsthafte Fach gewagt. Sein jüngstes Werk heißt „Black Mirror“, eine Serie auf Channel 4, für die er auch die meisten Drehbücher liefert. Die Show erinnert ein wenig an das legendäre US-Format „Twilight Zone“, nur dass es hier um die nächste Medienzukunft geht, um YouTube, Facebook, Gamification, Nachrichtenbeschleunigung und vieles mehr.

Science-Fiction ist ja oft am besten, wenn technische Neuerungen nur ganz leicht weitergedreht werden – so leicht, dass es realistisch bleibt, aber stark genug, dass es sich merkwürdig anfühlt und zum Nachdenken anregt. Das macht Brooker mit Bravour.

Die jeweils knapp 50 Minuten langen Folgen von „Black Mirror“ bleiben im Gehirn haften. In der ersten Staffel geht es unter anderem um einen Ministerpräsidenten, der von Internet-Gangstern, die sich als Medienkünstler erweisen, zu einer unfassbaren Tat gedrängt wird. Es geht um das Leben in einer Nintendo-Spielewelt und die Frage, was passiert, wenn wir wirklich alles speichern, was uns passiert (und technisch ist das nicht weit entfernt).

Die zweite Staffel von „Black Mirror“ lief gerade auf Channel 4. Besonders stark war die Folge „Be Right Back“, bei der die Protagonistin Kontakt zu ihrem verstorbenen Liebsten aufnimmt, dessen Identität allein aus Facebook-Postings, Twitter-Nachrichten und E-Mails zusammengepuzzelt ist. An solchen Ideen arbeiten Forscher bereits.

Leider lässt sich die zweite Staffel von „Black Mirror“ auf regulärem Weg in Deutschland noch nicht ansehen: Der eigentlich tolle „Catch-up“-Dienst von Channel 4 steht außerhalb Großbritanniens – wie leider so häufig – aus rechtlichen Gründen nicht zur Verfügung. Immerhin kann man sich die erste Staffel auf DVD als UK-Import für vergleichsweise günstige knapp 14 Euro bei Amazon besorgen.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in: JOURNALISMUS & NETZ, NEU
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