Der eigene Newsserver
Die Abschaltung des Google Readers war für viele Journalisten ein Schock. Ben Schwan erklärt, wie man sich seinen eigenen kleinen Reader zusammenschraubt, um nicht mehr von externen Diensten abhängig zu sein.
Wer als Journalist das Internet zu Recherchezwecken einsetzt und RSS noch nicht kennt, sollte sich schleunigst informieren: Mit der bereits 1999 erfundenen „Really Simple Syndication“-Technik ist es möglich, sich alle neuen Meldungen einer Website bequem in einem Rutsch herunterzuladen, ohne dass man diese persönlich besuchen müsste. So kann man sowohl Überschrift als auch Anreißertexte scannen, ohne lange von Seite zu Seite zu surfen – nur die wirklich interessanten Meldungen werden angeklickt. Und das Beste: Es gibt so gut wie kein Neuigkeiten-orientiertes Angebot im Web, das RSS nicht unterstützen würde. Egal ob nun das Lieblings-Blog die „New York Times“, die „Süddeutsche“, das „Wired“-Magazin, „Heise Online“ oder die skandinavische Lokalzeitung – RSS gab und gibt es überall.
Ich selbst bin daher schon seit vielen Jahren RSS-Junkie. Entsprechend sauer war ich (und mit mir zahllose Kollegen) als Google im Juli auf die Idee kam, seine marktbeherrschende (und kostenlose) RSS-Lesesoftware Google Reader mal eben einzustellen – obwohl der Dienst höchst beliebt war. Mit Reader war es möglich, RSS-Feeds per Web-Anwendung direkt im Browser zu lesen, aber auch diverse andere Leseprogramme – auf dem Mac beispielsweise Reeder, unter Windows FeedDemon – zu nutzen. Toll an Reader waren vor allem die Synchronisationsmöglichkeiten: Ich konnte meiner RSS-Lust am Desktop-Rechner, auf meinem Smartphone oder auf meinem Tablet frönen und Google Reader erledigte den Abgleich; nirgendwo stand etwas doppelt.
Seit dem Ende von Googles RSS-Werkzeug gibt es diverse Alternativen. Zu den Besseren zählen Feedbin (3 Dollar im Monat) oder Feedly (kostenlos, notwendige Zusatzfunktionen wie Suche für 5 Dollar im Monat) und auch NewsBlur (kostenlos, mit mehr Features 24 Dollar im Jahr). All diesen Angeboten ist allerdings gemein, dass die gesamte Infrastruktur beim Dienstleister liegt. Und genau das kann potenziell bedeuten, dass es dem ein oder anderen RSS-Service eines Tages so ergeht wie Google Reader: Sie machen dicht, werden aufgekauft oder verschwinden anderweitig vom Markt. Den Wechselstress möchte man aber eigentlich nicht wieder mitmachen.
Aus diesem Grund habe ich mich nach einer Lösung umgesehen, die ich selbst installieren und kontrollieren kann, die also nicht in der berühmt-berüchtigten „Cloud“ läuft. Zwar ist es möglich, lokale RSS-Leseprogramme auf Smartphones, Tablets und Computern zu installieren, die direkt die RSS-Feeds von Websites abfragen – FeedDemon kann das beispielsweise unter Windows (siehe oben) oder NetNewsWire unter OS X. Hierbei geht aber die bequeme Synchronisation flöten, wie früher beim Google Reader bot und heute bei Alternativen wie Feedly.
Nach längerem Suchen blieb ich daher bei einer Lösung hängen, die der Nutzer auf seinem eigenen Server installieren kann. Die von mir getestete Software heißt Fever und kostet einmalig 30 Dollar. Sie läuft bei nahezu jedem Webhoster, der neben der Web-Sprache PHP auch eine SQL-Datenbank zur Verfügung stellt. Einen solchen Miniserver gibt es bei Firmen wie Strato, Alfahosting oder Hosteurope ab 2 Euro im Monat (fragen Sie vorher nach, ob PHP 4.2.3 und MySQL 3.23 oder höher vorhanden sind).
Die Installation von Fever ist auch für Menschen, die nur selten an ihrer Homepage schrauben, ziemlich einfach: Man richtet sich ein (zunächst kostenloses) Konto ein, lädt den Programmcode herunter, stellt ihn per FTP auf die eigene Website und führt dann eine Internet-Adresse im Browser aus, um zu prüfen, ob sich Fever auch wirklich installieren lässt. Dazu benötigt man auch die Zugangsdaten für den MySQL-Server. Geht alles glatt, kauft man Fever schließlich und trägt die verwendete Domain ein.
Fever läuft standardmäßig im Browser, wie man es von Google Reader kennt – dazu muss man nur die Fever-Adresse auf dem eigenen Server aufrufen und seine Accountdaten eingeben. Die Software hat einen leicht verständlichen Aufbau. Der ist zwar etwas anders als Google Reader und Co., doch die Umgewöhnung dauert nicht lange.
Fever hat einige interessante Funktionen. So gibt es die sogenannte „Hot“-Ansicht, die besonders heiß diskutierte Nachrichten quasi als Fiebertemperatur darstellt. Im Bereich „Kindling“ tauchen alle aktuell zu lesenden Feeds auf. Die Rubrik „Sparks“ sammelt wiederum RSS-Nachrichten von Websites, die man nur ab und zu liest, aber nicht täglich – trotzdem tragen die „Sparks“ zur Bewertung der Gesamtsituation im „Hot“-Bereich bei.
Auch die Synchronisation klappt über Fever: So gibt es eine Mobilversion der Website, die man beispielsweise auf dem Smartphone aufrufen kann. Es gibt auch Apps, die sich mit Fever abgleichen lassen – beispielsweise Reeder für iPhone oder Meltdown für Android. Mit wenig Aufwand hat man sich so seine eigene RSS-Infrastruktur geschaffen, die einem niemand mehr wegnehmen kann.