05.09.2013

Interview mit Karsten Lohmeyer: „Markenbildung ist wichtig“

Das schreit doch schon mal wieder alles nach „torial“, was Karsten Lohmeyer da sagt…er macht „Lousy Pennies“- einen Blog, in dem es um journalistische Geschäftsmodelle geht.

torial: Herr Lohmeyer, in Ihrem Blog „Lousy Pennies“ geht es um das Geldverdienen mit gutem Journalismus. Wirft die Seite denn selbst schon etwas ab?

Karten Lohmeyer: Ja, aber mehr ideell als finanziell. Wir probieren ja eine Reihe von Monetarisierungsmöglichkeiten wie etwa Google Adsense, Flattr, Spenden und den eBook-Verkauf, aber eher als Versuchslabor. Doch als Markenbildungsinstrument hat die Seite in den vergangenen neun Monaten Unglaubliches erreicht – und mir quasi über Bande Sichtbarkeit und auch Aufträge verschafft.

torial: Der Begriff „Lousy Pennies“ stammt von Verleger Hubert Burda, der meinte, Google und Co. grasten alles ab und überließen den Verlegern nur noch Brotkrumen, lausige Pfennige eben. Stimmt diese Beobachtung?

Lohmeyer: Nicht mehr. Hubert Burda verdient ja heute im Web deutlich mehr als nur Lousy Pennies. Aber man muss auch ehrlich sein: Wirklich viele Pennies verdient man im Netz nicht mit hartem Journalismus. Burda etwa macht ja richtig viel Umsatz mit Tierfutter.

torial: Lange Jahre hieß es, Paid Content sei im Netz nicht durchzusetzen. Nun versuchen es immer mehr Verlage. Gezwungenermaßen oder deshalb, weil es ein offensichtlich nicht zu stoppender Trend ist?

Lohmeyer: Es ist ein Trend und natürlich auch der Zwang, die Arbeit und Investitionen irgendwie zu versilbern. Ob der Trend bleibt, wird sich noch zeigen. Ich glaube, Paid Content hat nur Erfolg, wenn er dem Leser einen echten Mehrwert bietet und nicht ,wie etwa Bild Plus, außer Fußball nur Banalitäten.

torial: Sie selbst sind nach einer journalistischen Ausbildung und zahlreichen Texten für renommierte Medien zum Geschäftsführer einer Corporate-Publishing-Firma geworden. Das Corporate Publishing ist mit seinen Kundenmagazinen auch eine Form von PR. Ist das nicht etwas, bei dem gestandene Journalisten „bäh!“ schreien sollten?

Lohmeyer: Es ist eine ehrbare Profession, die mir viel Spaß macht und die ich mit Leidenschaft betreibe und bei der ich das gesamte Spektrum meines journalistischen Handwerkszeugs einsetzen kann. Und es ist immerhin transparent und klar, wer der Absender ist. Ich verstehe aber sehr gut, dass viele Kollegen „bäh!“ schreien. Ich tue das nicht, freue mich aber natürlich darüber, dass wir auch rein journalistische Medien machen. Durch LousyPennies.de wurde auch etwa die W&V auf mich aufmerksam, für deren Markenschaublog ich jetzt spannende Markenpersönlichkeiten interviewe. Das ist ein schöner, journalistischer Ausgleich.

torial: Wie sieht das ideale Geschäftsmodell eines freien Journalisten heute aus? Ein Bauchladen aus eigenem publizistischem Angebot, PR-Aufträgen und klassischen Medienjobs?

Lohmeyer: Das ideale Modell ist für mich heute der selbstbestimmte, unabhängige Journalist, der seinen Lebensunterhalt mit eigenen Angeboten verdient. Diese sind meist digital. Wenn er daneben noch einen kleinen Bauchladen hat, ist das auch gut. Das ist aber wirklich nur das Ideal. Der aktuell häufigste Bestfall ist ein möglichst großer Bauchladen mit vielen festen Auftraggebern.

torial: Sie schreiben häufig davon, dass Journalisten „Marken“ werden sollten. Warum ist das Ihrer Meinung nach heutzutage wichtig? Reichen nicht auch einfach gute Texte?

Lohmeyer: Nein. Weil es Texte wie Sand am Meer gibt. Natürlich dienen tolle Texte der Markenbildung. Aber nur wenn der Leser den Text auch mit dem Autor verbindet und sagt: „Texte von diesem Autor will ich immer lesen, ich folge ihm auf Twitter und Facebook“, dann habe ich nachhaltig etwas erreicht und bin zur Marke, unabhängig von meinem Medium geworden. Das ist so wichtig, da es heute keineswegs mehr sicher ist, dass ich bis ans Ende meines Berufslebens nur für ein Medium arbeite.                     Ich will aber meine treuen Leser nicht dem Verlag schenken, sondern die dauerhaft mitnehmen, egal wo ich arbeite. Erkennt mich der Leser nicht als Marke, wundert der sich dann vielleicht, dass die Texte in seinem Lieblingsmedium anders geworden sind, weiß aber gar nicht, wo er die tollen Texte nun finden soll.

torial: Interessieren sich Leser für Medienmarken oder eher für einzelne Autoren? Oder anders gefragt: Hilft die journalistische Markenbildung tatsächlich?

Lohmeyer: Natürlich neigen wir Journalisten gerne dazu, die eigene Marke zu überschätzen. Aber die Marke kann ja auch ein eigenes Angebot sein, wo der Name des Journalisten nicht so wichtig ist. Aber ob man nun die persönliche Marke aufbaut oder eine Produktmarke – der Wiedererkennungswert ist wichtig. Wenn man erstmal Fans statt nur Leser hat, ist das die halbe Miete. Mir persönlich hat die Markenbildung auf LousyPennies.de sehr viel gebracht.

torial: Verlage behandeln Journalisten nicht gut. Die Freienetats werden seit Jahren kaum oder gar nicht erhöht, Verträge höhlen die Urheberrechte aus. Sind eigene journalistische Modelle, mit denen Leser direkt angesprochen werden, auch eine Reaktion auf den Leidensdruck, der sich zunehmend aufbaut?

Lohmeyer: Ja. Die Leser lassen sich heute nicht mehr verarschen – und immer mehr Journalisten auch nicht. Ich finde es unglaublich schade, wie Journalisten heute in vielen Verlagen behandelt werden und freue mich für jeden einzelnen, der den schweren Schritt in die Unabhängigkeit wagt und es dann auch schafft.

torial: Kann ein Journalist mit einem eigenen Internet-Dienst auskömmlich leben? Die Beispiele, die es in Deutschland gibt, scheint man an zwei Händen abzählen zu können.

Lohmeyer: Ich bin absolut überzeugt davon und habe mit vielen Kollegen auf LousyPennies.de Interviews geführt, die zumindest auf einem guten Weg dorthin sind. Aber ja, die Möglichkeit des Scheiterns ist groß und man braucht schon ein paar Jahre, bis man durchstartet. Wie schon gesagt: Wenn ich wirklich Geld im Netz verdienen will, sollte ich vielleicht Tierfutter verkaufen und kein journalistisches Angebot starten.                                                                                                                                                                                        Ich bin aber überzeugt, dass wir uns erst ganz am Anfang befinden und wir noch viele tolle Angebote von Journalisten sehen werden. Viele werden den Start durch ihren Bauchladen querfinanzieren müssen.

torial: Und wie sieht es in den USA und anderswo aus?

Lohmeyer: Genauso wie bei uns. Die Kollegen kämpfen mit genau den gleichen Problemen und versuchen ebenfalls diverse Lösungen zu finden. Pro Publica ist eine Idee des stiftungsfinanzierten Journalismus, aber auch die Huffington Post, die jetzt nach Deutschland kommt und ja heftigst umstritten ist, ist eine Idee, die aus der Medienkrise heraus entstanden ist. Der Blick in die USA lohnt auf jeden Fall, da man dort mal wieder ein paar Jahre weiter ist und sich viele Ideen vielleicht auch für uns adaptieren lassen.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in: Ideen, Chancen, Risiken, JOURNALISMUS & NETZ, NEU

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