22.09.2014

„Leute, besetzt spannende thematische Nischen!“

Der Journalist Florian Treiß hat sich mit mehreren eigenen Newslettern selbstständig gemacht, die mittlerweile einen digitalen Fachverlag bilden. Im Interview mit torial erläutert er, wie man in der Nische profitabel sein kann.

torial: Herr Treiß, Sie waren einst stellvertretender Chefredakteur des Mediendienstes turi2 und sind dann schließlich mit einem eigenen Onlinedienst zum Thema mobiles Internet an den Start gegangen. War es eine leichte Entscheidung, ein eigenes Medium zu gründen?

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mobilbranche.de Gründer Florian Treiß

Florian Treiß: Es war eine absolute Bauchentscheidung. Ich habe gesehen, dass das Thema Mobile innerhalb der Medienbranche immer größer wird – und dann festgestellt, dass es dazu noch keinen passenden Fachdienst gibt. Dann habe ich mobilbranche.de mit nur rund zwei Wochen Vorlauf gegründet.

Nachdem ich einen Dummy an hochrangige Microsoft- und PayPal-Manager geschickt hatte und diese mir bestätigt haben, dass sie unseren Newsletter künftig gern regelmäßig hätten, habe ich dann Vollgas gegeben.

torial: Würden Sie Journalisten, die unabhängiger von Verlagen werden wollen, raten, selbst eigene Internet-Publikationen zu starten?

Treiß: Das war grundsätzlich gar nicht meine Motivation, da ich ja vorher schon bei turi2 gearbeitet habe, was auch zu keinem traditionellen Verlag gehört. Aber ja: Leute, werdet bitte zu „unternehmerischen Journalisten“ und besetzt spannende thematischen Nischen, in denen Ihr Experte seid!

torial: Haben Sie vor, mit Ihrer Firma einmal zu einem größeren Verlag zu werden?

Treiß: Wir betrachten uns schon jetzt als digitaler Fachverlag, der komplett auf Print-Produkte verzichtet. Mit Location Insider haben wir im vergangenen Jahr eine zweite Plattform gestartet, die ebenfalls gut angenommen wird und Entscheider in Handel, Marketing und Medien über Location-based Services und Local Commerce informiert. Dies ist Deutschlands erster Fachdienst zu diesem Thema.

Und ich möchte keinesfalls ausschließen, dass wir in Zukunft weitere Plattformen starten, wenngleich wir uns dieses Jahr erstmal auf den Ausbau von Location Insider konzentrieren.

torial: Womit verdienen Mobilbranche.de und Locationinsider.de ihr Geld? Ist Werbung in der Nische profitabel?

Treiß: Wir setzen auf verschiedene Erlösmodelle und sind tatsächlich profitabel. Zum einen werden wir langfristig von größeren Sponsoren unterstützt wie kaufDA, meinestadt.de und E-Plus. Weiterhin verkaufen wir Textanzeigen in unseren täglichen Newslettern. Und schließlich setzen wir auf Events als wichtige zusätzliche Umsatzquelle.

torial: Es heißt ja immer, durch Online-Werbung macht man nur Peanuts.

Treiß: In der Tat kann man mit klassischer Banner-Werbung kaum was verdienen, zumindest wenn man sich Werbenetzwerken anschließt und dann einen Tausenderkontaktpreis von 1 oder 2 Euro bekommt. Das heißt unterm Strich, ich muss eine Million Besucher im Monat haben, um 1.000 bis 2.000 Euro umzusetzen. So viele Besucher haben wir nicht, sondern bewegen uns nur im fünfstelligen Bereich. Wir setzen daher viel mehr auf Fachwerbung direkt in unseren Newslettern, die wir selbst zu deutlichen höheren Preisen verkaufen.

torial: Sie machen auch noch die besagten angedockten Events.

Treiß: Genau, seit knapp drei Jahren führen wir im Berliner BASE_camp und auch in anderen Städten die Mobilisten-Talks durch, Podiumsdiskussionen mit anschließendem Networking. Diese Events sind komplett Sponsoren-finanziert. Seit eineinhalb Jahren bieten wir weiterhin Seminare an, wo die Teilnehmer bzw. ihre Arbeitgeber selbst für Ihre Tickets zahlen. Letztes Jahr haben Events rund ein Drittel unseres Umsatzes ausgemacht.

torial: Was halten Sie von umstrittenen Werbeformen wie z.B. „Native Advertising“? Kommen da viele Anfragen rein und wie gehen Sie mit diesen um?

Treiß: Wir bieten im Grunde schon immer fast ausschließlich nur „Native Advertising“ an, auch wenn man das früher noch nicht so genannt hat, denn es ist eine viel effektivere Werbeform als Bannerwerbung. Bei uns sind die „nativen“ Werbeformen konkret die Textanzeigen in unseren täglichen Newslettern, die fast wie eine redaktionelle Meldung aussehen, aber eben sauber mit „Anzeige“ davor gekennzeichnet werden.

Vereinzelt haben wir auf unseren Websites zudem Advertorials. Das sind bezahlte Blogbeiträge, die ebenfalls sauber als Werbung gekennzeichnet werden. Wir legen aber Wert darauf, dass wir solche Advertorials nie selbst für unsere Kunden schreiben – das muss der Kunde schon selbst tun.

torial: Als Kleinverleger, der gleichzeitig auch schreibt, kann es ja zu Konflikten zwischen Werbung und Inhalt kommen – jedenfalls gibt es solche Vorwürfe.

Treiß: Mittlerweile habe ich zwei angestellte Redakteure und bin selbst nur noch selten redaktionell tätig, um da eine saubere Trennung hinzubekommen. Früher, als ich eine Ein-Mann-Firma war, habe ich Gesprächspartnern immer deutlich gemacht: entweder Sie sprechen mit mir jetzt in meiner Rolle als Journalist – oder in meiner Rolle als Anzeigenverkäufer.

torial: Funktionieren kleine journalistische Firmen vor allem zu Fachthemen? Oder wäre es denkbar, dass solche Konzepte auch für ein „General Interest“-Onlinemedium klappen?

Treiß: Ich denke, ein General-Interest-Medium aufzubauen, benötigt grundsätzlich ein höheres Budget, vor allem auch im Marketing, um überhaupt bekannt zu werden. Aber es gibt grundsätzlich natürlich auch etwas „buntere“ Blogs, die erfolgreich sind, oder auch so etwas wie „Heftig“.

Ich glaube aber, die Fachthemen bieten den Vorteil, dass man sich hier relativ schnell und gut vernetzen kann. Durch meine persönliche Präsenz auf Events, Social Media und durch persönliche Weiterempfehlungen ist mobilbranche.de zu so etwas wie einer Pflichtlektüre für Entscheider im Bereich Mobile Marketing geworden.

torial: Glauben Sie, dass es in den nächsten Jahren weitere journalistische Neugründungen geben wird? In den USA nehmen ja einige Risikokapitalgeber richtig viel Geld in die Hand.

Treiß: Schwer zu sagen, Journalismus ist für Investoren grundsätzlich erstmal schwer skalierbar. Ich selbst habe aber z.B. auch schon mit einem Investor geredet, der einen sechsstelligen Betrag locker machen wollte, um bei mir einzusteigen und weitere Plattformen nach ähnlichem Muster hochzuziehen. Ich habe mich dann aber für die Unabhängigkeit entschieden, noch bevor es zu finalen Verhandlungen kam.

torial: Ist Paid Content für kleinere journalistische Unternehmungen eine Alternative?

Treiß: Ich finde das grundsätzlich charmant, habe bei mir auf der Seite auch früher mal Flattr- und PayPal-Buttons gehabt. Aber solange das auf Freiwilligkeit beruht, zahlen höchstens ein paar Geeks.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in: Ideen, Chancen, Risiken

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