28.02.2014

„Original-Geschichten sind uns sehr wichtig“

Sebastian Matthes, Chefredakteur der deutschen Ausgabe der „Huffington Post“, über die ersten hundert Tage eines neuen Internet-Mediums.

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torial: Herr Matthes, die deutsche „HuffPost“ ist jetzt seit mehr als hundert Tagen online. Was haben Sie in dieser Zeit über den deutschen Journalismus gelernt?

Sebastian Matthes: Ich habe gelernt, wie viele Journalisten sich für die Innovationen im Mediengeschäft interessieren. Sie verfolgen neue Projekte oder denken sogar selbst über alternative Darstellungsformen nach. Es ist ja auch eine spannende Zeit. Noch nie wurde so viel über Innovationen gesprochen. Und noch nie haben Medienunternehmen in aller Welt so viel ausprobiert. Das bewegt sehr viele Kollegen – auch, weil es um ihre Zukunft geht. Daher betrachten viele die Entwicklung auch besonders kritisch.

torial: Und über das Starten eines neuen, originären Internet-Mediums?

Matthes: Es bringt großen Spaß – und es ist total anstrengend. Aber durch unseren sehr guten Start motiviert es uns jeden Tag aufs Neue, mit frischen Ideen und provokanten Thesen seinen frischen Blick auf die Dinge zu werfen. Denn wir sind nicht nur eine neue Nachrichtenseite. Wir sind auch eine Plattform für die unterschiedlichsten Stimmen und Ideen. Zugleich verstehen wir uns aber auch als Experimentierfeld für neue Ideen im Nachrichtenjournalismus.

torial: Mittlerweile scheint der erste Hype abgeflaut, jedenfalls im Hinblick auf die – anfangs oft auch harsche – medienjournalistische Kommentierung der deutschen „HuffPost“. Ist das eine Art Ruhe vor dem Sturm oder wird die „HuffPost“-Mischung mittlerweile als Teil des Journalismus auch hierzulande begriffen?

Matthes: Wir können uns über mangelndes Interesse überhaupt nicht beklagen. Aber Berichte über uns sind mir gar nicht so wichtig. Mich interessiert viel mehr, was die Leserinnen und Leser von unseren Texten halten und wie sich unsere Community bei uns engagiert. Und da sind wir auf einem sehr guten Weg: Einige unserer Texte wurden Zehntausende Mal bei Facebook geteilt, einer sogar über 100.000 Mal mit „Gefällt mir“ markiert. Der Zuspruch von Lesern ist die wichtigste Währung.

torial: Wie deutsch ist die deutsche Ausgabe der „HuffPost“ jetzt? Oder anders gefragt, was machen Sie anders als die US-Kollegen?

Matthes: Zunächst einmal ist unser eigenes deutsches Team noch wesentlich kleiner. In den USA arbeiten weit über 600 Journalisten für die „Huffington Post“. Daher hat deren Seite ein beeindruckend breites Themenspektrum. Davon profitieren wir aber. Denn wir können uns aus den Reporter-Stücken aus aller Welt bedienen. Ganz besonders freue ich mich auf die Texte der neuen brasilianischen Kollegen in diesem Sommer. Wir versuchen bei alledem einen deutschen Blick auf die Dinge zu werfen. So berichten etwa unsere französischen Kollegen ganz anders über die Europawahl als wir.

torial: Wie verteilt sich mittlerweile der Anteil an Geschichten externer Blogger und der der Redaktion?

Matthes: Das ist sehr unterschiedlich. Der Anteil von Blogs an den veröffentlichten Texten liegt je nach Nachrichtenlage zwischen fünf und 20 Prozent.

torial: Wenn ein Journalist bei Ihnen anfragt, ob er für die „HuffPost“ schreiben kann, muss er das als unbezahlter Blogger tun?

Matthes: Nein. Unsere Journalisten werden bezahlt. Wer bloggen will, kann die „Huffington Post“ gern als Plattform für seine Ideen und Kommentare nutzen.

torial: Es gab einiges an Kritik bezüglich der Substanz der Beiträge. Mancher Beobachter warf Ihnen vor, zu sehr an Agenturen zu kleben und auf Links zu setzen – letzteres gilt als Hauptmangel auch der US-Ausgabe. Was setzen Sie dem entgegen?

Matthes: Ich würde empfehlen, genauer hinzuschauen. Natürlich sind uns Nachrichten wichtig. Wir sind eine News-Seite. Wir haben zudem aber regelmäßig exklusive Interviews auf der Seite, die von Nachrichtenagenturen übernommen werden. Wir veröffentlichen Analysen, die so niemand hat. Und wir haben nicht zuletzt Gastautoren, die teilweise schon eine beachtliche Fan-Community haben.

torial: Wie wichtig sind Original-Geschichten?

Matthes: Sehr. Und den Anteil originaler und vor allem origineller Texte werden wir in den nächsten Monaten auch deutlich erhöhen.

torial: Die deutsche Ausgabe ist eine Kooperation zwischen AOL und TOMORROW FOCUS. Wie muss man sich die Zusammenarbeit mit den Kollegen von „Focus Online“ vorstellen?

Matthes: Die Zusammenarbeit ist sehr eng und vertraut. Die Kollegen haben schon mehrfach erfolgreiche Online-Projekte aufgebaut. Das Portal „Finanzen100“ zum Beispiel. Diese Erfahrung hilft uns sehr dabei, früh die richtigen Prioritäten zu setzen. Redaktionell sind wir aber eigenständig. Wir verstehen uns ein bisschen so wie die kleine, freche Schwester von „Focus Online“.

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