01.07.2014

„Ich glaube, dass es notwendig ist, gegen Google vorzugehen, wo man kann“

Jakob Augstein spricht im torial-Interview über den aktuellen Stand beim „Freitag“, den Streit der Verlage mit Google und die Frage, was die „Krautreporter“ jetzt tun müssen.

torial: Herr Augstein, 2008 haben Sie den „Freitag“ übernommen – erstaunliche sechs Jahre ist das mittlerweile wieder her. Wie geht’s Ihrem Blatt?

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Das blaue Sofa / Club Bertelsmann

Jakob Augstein: Wir wachsen. Das ist mehr als die meisten Zeitungen von sich sagen können. Wir hatten uns damals ja vorgenommen, zugleich eine moderne linke Wochenzeitung zu machen und ein integriertes Online-Print-Medienprojekt – und das mitten in der Finanzkrise. Das war ziemlich gewagt. Aber es hat funktioniert. Für mich ist das ein Grund zur Freude. Aber kein Grund zum Jubeln: Wir sind noch nicht aus dem Gröbsten raus.

torial: Im letzten Jahr gab es eine Sparrunde.

Augstein: Auch die schönste Zeitung muss sich am Markt bewähren. Das kostet viel Zeit – und Geld. Um es mal im Wirtschaftsdeutsch zu sagen: Wir haben unsere Verluste reduziert, um schneller in die Gewinnzone zu kommen.

torial: Würde der „Freitag“ ohne den „Spiegel“-Erben Jakob Augstein noch existieren? Ist es gemein, wenn man behauptet, er sei – auch – ein verlegerisches Hobby?

Augstein: Naja, meine Hobbys sind eigentlich weniger aufwendig. Als ich den Freitag übernommen habe, ging es der Zeitung nicht gut. Wir haben sie neu gegründet, ihr ein neues Gesicht gegeben, sie für neue Leser geöffnet, sie fröhlicher gemacht. Eine kluge, lebensoffene, linke Zeitung, das war unser Ziel. Das haben wir erreicht.

torial: Anfangs ging es beim „Freitag“ im Internet auch darum, eine möglichst aktive Community zu bilden. Wie weit ist man hierbei gekommen? Oder sind Sie inzwischen desillusioniert?

Augstein: Im Gegenteil. Ich bin immer noch überrascht, wie gut das funktioniert, was wir uns damals erhofft hatten. Wir haben im Lauf der letzten zwei Jahre den Anteil der redaktionellen Texte im Netz immer weiter heruntergefahren, weil wir unsere Zeitung nicht dauerhaft verschenken wollten. Trotzdem ist unsere Seite weiter gewachsen und vor allem über die Social Media erreichen wir immer mehr Leser. Das haben wir nur unserer hervorragenden Community zu verdanken und den Kollegen, die sie betreuen.

torial: Der Konflikt zwischen Medien und „dem Netz“ scheint sich auf eine neue Zuspitzung hinzubewegen. Mit dem umstrittenen Leistungsschutzrecht haben die Verlage, die Mitglied in der VG Media sind, nun Google verklagt und wollen einen nicht unerheblichen Umsatzanteil. Wie bewerten Sie diese Aktion?

Augstein: Ich glaube, dass es notwendig ist, gegen Google vorzugehen, wo man kann. Darum sollte man den Verlagen in dieser Sache Glück wünschen – soweit Google betroffen ist. Ob das Leistungsschutzrecht das richtige Instrument ist, da habe ich meine Zweifel.

Es hindert offenbar „focus.de“ nicht daran, sich ausgiebig beim bezahlten Netz-Angebot der „Bild-„Zeitung zu bedienen. Jedenfalls werfen die „Bild“-Leute das ihren „Focus“-Kollegen vor. Da sehen Sie: manchmal ist gar nicht der ferne Netzgigant der böse Gegner, sondern der altbekannte Kollege von nebenan.

torial: Dann wäre da noch das „Recht auf Vergessen“, das ja vielleicht auch größere Auswirkungen auf den Journalismus haben könnte.

Augstein: Sie meinen, weil Leute, die in Artikeln vorkommen, den Anspruch erheben könnten, nach einer gewissen Zeit aus dem Archiv gelöscht zu werden? Lustige Idee. Das glaube ich nie und nimmer. Es gibt jetzt schon sehr erprobte Regeln, wann jemand in einer Zeitung auftauchen darf, Stichworte „öffentliches Interesse“ oder „Person der Zeitgeschichte“.

torial: Reine Internet-Medien tun sich in Deutschland bislang schwer. Die Rudolf-Augstein-Stiftung, in deren Vorstand Sie sitzen, hat 1000 Mitgliedschaften der „Krautreporter“ gekauft. Was machen Sie jetzt damit?

Augstein: Die Stiftung wird die Abos gemäß ihrem Zweck, sich um die Förderung des Journalismus zu kümmern, an Studenten und Journalistenschüler weiterreichen.

torial: Manche Kritiker sehen die Großinvestition problematisch. Zumindest kann man sagen, dass sie dem Projekt enorm geholfen hat.

Augstein: Ich habe die Kritik nicht verstanden. Wer glaubt, dass die Stiftung inhaltlichen Einfluss auf die „Krautreporter“ nehmen kann, kennt weder die „Krautreporter“ noch die Stiftung noch die Regeln, unter denen so eine Förderung abläuft. Es wurde da viel dummes Zeug getwittert.

torial: Sind die „Krautreporter“ tatsächlich ein Vorhaben, dass den Online-Journalismus in Deutschland „retten“ kann?

Augstein: Ich würde nicht sagen, dass der Online-Journalismus gerettet werden muss. Aber Klingeln gehört zum Geschäft. Zumal, wenn man etwas so Neues und Ambitioniertes auf die Beine stellen will wie die Kraut-Kollegen. Da muss man schon ein bisschen Wind machen. Ich halte auch immer weniger von der Trennung von Online- und Print-Journalismus.

Ich sagen Ihnen voraus: Man wird mit dieser Unterscheidung sehr bald nichts mehr anfangen können. Lassen Sie uns einfach über Journalismus reden. Manche journalistische Gattungen und Kanäle erfordern bestimmte Textformen. Ein Kommentar ist keine Reportage. Eine Online-Kolumne ist kein Essay. Aber alles ist Journalismus. Warten wir also ab, ob die „Krautreporter“ guten Journalismus machen.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in: JOURNALISMUS & NETZ, Produzieren, Publizieren

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