Unterwegs im Googleversum II
Kollektives Schreiben – Google Docs und die Etherpads
Schon einmal, in der Frühphase des world wide web, in den 1990er Jahren wurde der Tod des Autors erklärt: mit dem Hypertext. Und auch wenn sich der emphatische Ton im Alltag des Netzes verloren hat, so ist zumindest ein Ergebnis kollektiver Autorschaft doch unverrückbarer Bestandteil unserer Digitalkultur geworden: die Wikipedia. Neben dem Wiki als Schreibumgebung für die Sicherung und Sammlung von Wissen haben sich inzwischen auch andere Schreibplattformen ganz selbstverständlich etabliert, die sich für die gemeinsame Arbeit an einem Text ausgezeichnet eignen. Denn das Herumschicken von Worddokumenten mit roten und gelben Einträgen, mit lästigen Markups und Versionschaos ist nicht die einzige Möglichkeit. Google Docs, auf deutsch auch als Google Texte und Tabellen, sowie die open source Pads der Etherpad Foundation bieten Online-Umgebungen an, bei denen alle Autoren in Echtzeit an einem Dokument schreiben und dadurch stets auf dem aktuellen Stand sind.
An den Versuchen, gemeinsam zu schreiben, haftet also nichts Absurdes mehr – wie noch bei dem von den Surrealisten erfundenen Spiel Cadavre Exquis, das heute wenn überhaupt noch auf Kindergeburtstagen gepflegt wird und in der Form „Onkel Otto sitzt pfeifend in der Badewanne…“ eine zweifelhafte Berühmtheit erlangte. Doch im Grunde war das Schreiben immer auch ein kooperativer Vorgang. Ein Text, der gut sein sollte, wurde und wird gegengelesen, redigiert, überarbeitet, umgeschrieben. Ob gemeinsame Autorschaft oder redaktionelle Überarbeitung – Google Docs und das Etherpad zeichnen sich durch eine einfache und stabile Handhabung aus. Interessanterweise beruhen beide Schreibplattformen auf der gleichen Technologie: EtherPad.
Die Software wurde Ende 2009 von Google aufgekauft, kam zunächst in Google Wave zur Anwendung und ist nun in die kollaborative Schreibumgebung Google Docs eingebunden worden. Bei Google Deutschland ist sie bei dem Reiter „Mehr“ unter „Texte und Tabellen“ zu finden. Hier können Dokumente hochgeladen und geschrieben, gesichert, überarbeitet und zur Verfügung gestellt werden. Weitere Autoren, Redakteure oder Leser werden per E-mail eingeladen, müssen jedoch über ein Google-Konto verfügen, um an dem Dokument arbeiten zu können.
Anders ist das bei den Pads der Etherpad Foundation. Nach der Übernahme der Software durch Google wurde aufgrund von Protesten ehemaliger User des Etherpads der Code veröffentlicht, so dass die freie Nutzung als Open Source Projekt möglich wurde. Zahlreiche Server bieten inzwischen die Nutzung der Technik an: dabei erzeugt man ein eigenes Pad, also ein Dokument, an dem beliebig viele Autoren schreiben können, mit einem einzigen Klick. Dieser erzeugt eine URL, auf der die Schreibsoftware läuft. Anderen Autoren muss man nur den Link per Mail oder instant Messanger mitteilen – farbliche Markierungen erlauben die Kennzeichnung der einzelnen Autoren, die Markierungen können aber auch entfernt werden. Zudem ist ein Weiterschreiben an früheren Versionen möglich, weil in Echtzeit alle Fassungen gespeichert werden und man an frühere Punkte zurückspringen kann.
Neben Etherpad Lite gibt es eine Vollversion, die den Schutz eines Dokuments mit Passwort ermöglicht. Denn bei der Lite-Version kann theoretisch jeder, der die URL kennt, auf das Dokument zugreifen und mitschreiben. Insofern empfiehlt es sich bei sensibleren Themen, ein Gruppenkonto anzulegen. In Deutschland laufen Pads zum Beispiel auf dem Server der Piratenpartei – Piratenpad.de bietet einen freien Etherpad-Server. Dort kann man auch ein Konto erstellen, über das passwortgesichertes Schreiben möglich ist.
Text: Jochen Thermann
Bild: flickr/whiskeygonebad