11.01.2012

Das externe Gedächtnis – Teil II

Virtuelle Zettelkästen in der Cloud: Evernote, der Allesmerker

Unterwegs kommen einem laut Sprichwort die besten Ideen. Also auf der Wiese, in der Stadtlandschaft oder beim Browsen durchs Internetuniversum. Ideenschleudern und Kreativitätsbolzen, die vorm Rechner nicht ständig einen Notizblock im Anschlag halten oder ständig zwischen diversen Programmen switchen wollenkann mittlerweile geholfen werden.

Angebote wie Evernote wollen das Vergessen abschaffen und analoge Erinnerungsstützen in der Cloud überholen. Post-It Chaos, digitale Dokumentenberge und Notizbuchwirrwarr sollen so Vergangenheit werden. Wer unterwegs von einer Idee geschüttelt oder von einem Projektentwurf heimgesucht wird, kann diese per Evernote-App ins Smartphone skizzieren. Durch die automatische Synchronisierungs-Funktion kann man dann auch vom Bürorechner, Heimcomputer, Tablet oder Laptop auf die eigenen Geistesblitze zugreifen – ohne sie erst umständlich als Email an sich selbst zu senden. Die Cloud macht‘s möglich.

Wer zum Tippen gerade zu bequem ist, oder im Meeting aufs Mitschreiben verzichten will, kann Evernote auch als Diktiergerät benutzen. Zusatzapps wie Voice2note transkribieren die Diktate in durchsuchbaren Text. Notizen können nach Titel, Ort, Zeit und Schlagwort gesucht werden. Mit einem Klick lassen sie sich von einem Notizbuch – Evernotes Entsprechung für den guten alten Ordner – in ein anderes Verschieben. So verzetteln sich Themenfelder wie „Wirtschaftskrise“ nicht mit Kontaktadressen, Kochrezepten oder Lieblingsmemen. Notizen, auf die man ständig zugreift, können per Drag and Drop in die Menüzeile der Desktopanwendung gelegt werden.

Das Multitool Evernote bietet auch eine Alternative zu Instapaper und Konsorten.
Wie Instapaper bietet Evernote eine praktische Methode um sich nicht den Browser mit hunderttausend Tabs lahmzulegen, oder sich selbst die Lesezeichenliste vollzuspammen. Wenn man während der Recherche auf interessanten Artikel oder verlockende Links stößt, aber gerade keine Zeit zu lesen oder zu klicken hat, können die per Browser-Plugin gespeichert werden. Wahlweise die ganze Seite, der entsprechende Artikel, ein viel versprechender Absatz oder einfach die URL. Im Unterschied zu Instapaper können erste Ideenskizzen auch direkt unter den entsprechenden Artikel geschrieben werden. Dann weiß man beim Lesen auch wieder, was man eigentlich damit anfangen wollte.

Evernote bietet aber auch Hilfe bei der Kontakt-Koordination. Kommt man von Tagung, Konferenz oder Recherche-Reise zurück hat man häufig die Taschen voller Visitenkarten. Aber im entscheidenden Moment ist das wichtigste weiße Kontakt-Kärtchen natürlich gerade nicht zu finden. Evernote will Abhilfe schaffen. Per Smartphone-Kamera oder Laptop-Webcam wird die frisch erhaltene Geschäftskarte fotografiert und als Notiz abgespeichert. Eine Worterkennungssoftware liest gedruckten oder handgeschriebenen Text und macht Kontaktperson Max Mustermann zum suchbaren Schlagwort. Das funktioniert erfreulich gut.

Für alle, die sich nicht ständig selber Emails schicken wollen und eher kleine Datenpakete schnüren, ist Evernote auch eine Alternative zu Dropbox. Das aktuelle Stück, an dem man am Büro-Desktoprechner arbeitet, wird bei Evernote eingespeist und kann dann auf dem Heimrechner fortgeschrieben werden. In der kostenlosen Version können monatlich 64 MB hochgeladen werden. Solls ein wenig mehr sein, kann man auf die Premium-Version umsatteln. Die kostet 5 Dollar im Monat, bzw. 45 Dollar im Jahr. Dann gibt’s einen monatlichen Upload von 1 GB. Während man in der Freeware-Version Notizbücher mit Freunden oder Kollegen teilen kann, kann man Premium auch gemeinsam daran arbeiten. Über eine Notehistory können Änderungen verfolgt und rückgängig gemacht werden.

Mittwochs um 15 Uhr ist der Wolkenspeicher zeitweilig gesperrt. Um diese Zeit finden die regulären Wartungsarbeiten statt. Dann muss man ein wenig warten, bis der allesschluckende Zettelkasten in der Cloud wieder in-sync ist. Oder man schaut in der Zeit mal bei der Konkurrenz von Memonic, Springpad oder Catch Notes vorbei.

Text: Tobias Lenartz

Bild: flickr/Peej’s Photos

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in: JOURNALISMUS & TECHNIK, Organisieren & Archivieren, Suchen & Finden
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