16.01.2014

Techniken und Tools zur Verifizierung, Teil 2: Websites, Videos und Twitter-Accounts

„Bund deutscher Juristen“? Bundesverband der im Haushalt helfenden Männer“? Verifizierung braucht es nicht nur bei Fotos.

Als Martina Gedeck 2010 bei der Wahl des Bundespräsidenten Vorab-Ergebnisse über Twitter ausplauderte, überschlugen sich die Eilmeldungen. Auch der Bundesverband der im Haushalt helfenden Männer erfreute sich regen Medieninteresses. Saftige Themen mit einem peinlichen Haken für die berichtende Presse: Sie entpuppten sich als waschechte Fälschungen. Um nicht wie diverse Qualitätsmedien in solche und ähnliche Fake-Fallen zu tappen, dreht sich der zweiten Teil der Serie (Teil 1) um die Verifizierung von Websites, Videos und Twitter-Accounts.

Verifizierung von Websites

  1. Impressum überprüfen: Wenn das sich nicht über ein bis zwei Klicks von der Startseite aus finden lässt, hilft folgender Suchbefehl bei Google und Bing: impressum site:gesuchte-website.com. Fehlt das Impressum, wie seinerzeit beim berühmt berüchtigten Bund deutscher Juristen ist das bereits ein gutes Indiz für die Unseriosität der Seite.
  2. Sind die Infos im Impressum korrekt? Wer ist der Urheber der Website, wann wurde sie wo angemeldet? Für .de-Seiten lässt sich das über Denic ermitteln, bei internationalen hilft ein Who.is Dienst. Finden sich keine Angaben über den Urheber, hat der möglicherweise fragwürdige Gründe um nicht gefunden zu werden.
  3. Um Veränderungen an der Website nachvollziehen zu können, hilft eine Zeitreise via Wayback Machine.

 

Verifizierung von Videos

  1. Ist es geschnitten? Ein Indiz dafür, dass es sich nicht um eine zufällige Momentaufnahme eines unvorbereiteten (unprofessionellen) Augenzeugen handelt.
  2. Wie ist der Ton? Ein kristallklarer Ton ist zwar wunderbar sendetauglich, aber ebenfalls ein Hinweis auf Aufnahmebedingungen, die schlecht zu einem spontanen, unter Lebensgefahr aufgenommenen Augenzeugenvideo passen. Gibt es ungewöhnliche Töne, die sich nicht mit dem Umfeld vereinbaren lassen?
  3. Wie sind die Farben? Wirken sie allzu gesättigt oder unnatürlich, kann auch das ein Hinweis auf eine Überarbeitung sein.
  4. Stimmen Wetter, lokale Kennzeichen, Straßennamen usw. zum vorgeblichen Aufnahmeort und zur Aufnahmezeit (siehe Verifizierung I)?
  5. Passt das Video zu anderen Foto- oder Filmaufnahmen aus der vorgeblichen Region? Finden sich weitere Aufnahmen und Dokumentationen des Ereignisses von derselben und anderen Quellen?
  6. Wird der Inhalt des Videos durch die Berichterstattung von Presseagenturen und regionalen Medien gedeckt?
  7. Sprechen die Menschen im Video den passenden Dialekt? Für freie Journalisten, die weder über entsprechende Sprachkenntnisse verfügen, noch – wie große Redaktionen – auf Auslandskorrespondenten oder lokale Experten zurückgreifen können, keine einfache Aufgabe. Wer eine große und möglichst internationale Twitter-Followerschaft aufgebaut hat, kann hier eventuell die Unterstützung der Crowd in Anspruch nehmen.
  8. Ermittle den Urheber: Welche andern Videos wurden unter demselben Account hochgeladen? Werden hier schon seit über zwei Jahren Zeit Videos aus dem besagten Gebiet veröffentlicht, untermauert das die Behauptung, dass ein vermeintliches Katastrophenvideo tatsächlich am angegebenen Ort entstanden ist. Handelt es sich um das erste veröffentlichte Video oder sind alle anderen veröffentlichten Videos auf einem anderen Kontinent entstanden, ist natürlich Vorsicht geboten. Sind andere Accounts unter demselben Namen im Netz auffindbar? Eine E-mail-Adresse lässt sich möglicherweise über diese Methode herausfinden.

Hier gibt ein Journalist des ZDF Einblick in sein Vorgehen.

Verifizierung von Twitter-Accounts

  1. Was sagt die Twitter Biografie über die Person aus?
  2. Namen und Twitter-Benutzernamen googeln. Über welche anderen Profile verfügt die Person im Netz? Pipl leistet hier gute Dienste.
  3. Mit wem ist die Person vernetzt, wer folgt dem Profil, wie sieht es mit der Vertrauenswürdigkeit des Profils aus? Mentionmap, Followerwonk, Kred und Klout können hier weiterhelfen.
  4. Falls vorhanden: Website analysieren (siehe oben). Wird von der Website etwa eines vermeintlich twitternden Prominenten tatsächlich auf seinen angeblichen Twitterkanal verlinkt?
  5. Seit wann ist die Person auf Twitter aktiv? Liegt der Eröffnungszeitpunkt unmittelbar vor der vermeintlichen Sensationsmeldung ist natürlich Vorsicht geboten.
  6. Gibt es andere (unabhängige) Quellen, die ebenfalls die Meldung tweeten?
  7. Zu welchen Themen twittert die Person sonst? Tweetstats kann dazu Auskunft geben. Passen Thema und Ton der Meldung zum Profil?
  8. Kontakt aufnehmen. Reagiert die Person auf eine Anfrage viaTwitter?

Wer sich für die Verifizierungs-Strategien der Big-Player intessiert: Konrad Weber hat hier eine schöne Übersicht über das Vorgehen von ARD, CNN und BBC zusammengestellt. Seine ebenfalls sehr gelungenen Faktencheck-Liste waren bei der Erstellung dieses Textes ebenso hilfreich wie Jan Eggers (beinahe) 15-Minuten-Quellencheck.

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