04.05.2015

Auf eine Friedenspfeife mit dem Sillicon Valley: Google’s Digital News Initiative

Mit der Digital News Initiative reicht Google europäischen Medienhäusern die Hand und verspricht langfristige Partnerschaften. Dass dahinter nicht nur reiner Altruismus steckt, weiß auch Simon Hurtz und überlegt für torial, was der Deal bedeuten kann.

Google by Carlos Luna, CC BY 2.0

Google by Carlos Luna, CC BY 2.0

„Wir – und viele andere – sind von Google abhängig […] Google braucht uns nicht. Aber wir brauchen Google […] Wir haben Angst vor Google.“ Es ist zeimlich genau ein Jahr her, dass der Axel-Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner diese Sätze sagte. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schrieb er damals einen vielbeachteten offenen Brief an den Google-Verwaltungsratschef Eric Schmidt. Döpfner warnte vor Googles Allmacht und forderte „die freiwillige Selbstbeschränkung des Siegers“.

Am Ende seines Essays fragte der Springer-Chef den Google-Chef: „Ist es wirklich klug, zu warten, bis der erste ernstzunehmende Politiker die Zerschlagung Googles fordert?“ Auch wenn das einschränkende Adjektiv Forderungen wie die von Rainer Brüderle ausklammerte, bleiben genug ernstzunehmende Politiker übrig, die den Ton gegenüber Google seitdem verschärft haben.

Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hat Mitte April ein Kartellverfahren gegen Google eingeleitet, ein weiteres droht wegen dem mobilen Betriebssystem Android. Wie die Financial Times berichtet (Paywall), ist das nur der Auftakt eines härteren Vorgehens gegen amerikanische Tech-Konzerne. Kurzum: Europa will nicht aus dem Silicon Valley regiert werden und wehrt sich mit politischen Mitteln gegen dessen Dominanz im Digitalen.

Google lockt mit 150 Millionen Euro

Ganz offensichtlich nimmt Google diese Maßnahmen ernst und scheint die von Döpfner eingeforderte „freiwillige Selbstbeschränkung“ ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Vergangene Woche reichte Google seinen Kritikern die Hand und verkündete eine Partnerschaft mit acht großen europäischen Verlagen, darunter Die Zeit und die FAZ aus Deutschland. Mit 150 Millionen Euro sollen laut Google Produktentwicklung unterstützt, Innovation gefördert sowie Aus- und Weiterbildungsprogramme aufgebaut werden. Außerdem finanziert Google mehrere Forschungsprojekte zum Wandel der Medienlandschaft und möchte mit dem Reuters Institute Digital News Report ein Pendant zum amerikanischen Pew Research Center etablieren.

Carlo D’Asaro Biondo, bei Google für das Schmieden solcher Allianzen zuständig, sagte zur Digital News Initiative (DNI): „Es stellen sich berechtigte Fragen, wie ein qualitativ hochwertiger Journalismus im digitalen Zeitalter aufrechterhalten werden kann.“ Deshalb werde Google „Hand in Hand mit Zeitungsverlagen und Branchenverbänden zusammenarbeiten“, um gemeinsam nachhaltigere Nachrichtenmodelle zu entwickeln.

Der Guardian zitiert den überraschend selbstkritischen D’Asaro Biondo: „Wir sind fest davon überzeugt, dass Google immer ein Freund und Partner der Verlage sein wollte, aber wir räumen auch ein, dass wir auf diesem Weg einige Fehler gemacht haben.“ Die offizielle Ankündigung geizt zwar nicht mit schönen Worten, großen Zahlen und hochtrabenden Beteuerungen – wohl aber mit konkreten Inhalten. Noch bleibt etwas unklar, worin die Kooperation mit den Medienunternehmen genau bestehen wird.

Das Signal, das Google damit aussendet, ist trotzdem eindeutig: Liebe Verleger, wir nehmen eure Sorgen ernst und wollen zusammen mit euch an Erlösmodellen für digitalen Journalismus arbeiten. Bereits 2009 bekannte Eric Schmidt, man habe eine „moralische Verantwortung“, der Nachrichtenbranche zu helfen und fügte hinzu: „Noch wissen wir nicht, wie wir dieser Verantwortung gerecht werden können. Wir suchen nach Ideen.“

Eric Schmidt spürt „moralische Verantwortung“ für den Journalismus

Diese Idee scheint nun offenbar gefunden. Doch neben dieser öffentlichen, scheinbar altruistischen Erklärung gibt es natürlich auch einen pragmatischeren Grund für Googles Umarmungsstrategie. Mit ihrer langjährigen, Google-kritischen bis -feindlichen Berichterstattung hätten viele große Medien maßgeblich dazu beigetragen, den Regulierungsdruck in Europa zu erhöhen, schreibt Emily Bell, Professorin an der Columbia School of Journalism. Zumindest in internen Gesprächen gebe Google offen zu, die 150 Millionen seien auch eine Art Friedensangebot an die Verleger.

In Mountain View registriert man die gallischen Anwandlungen der Europäer also durchaus mit Sorge. Zu wichtig ist der europäische Markt, wo Google so dominant ist wie nirgendwo sonst auf der Welt. 150.000.000 Euro: Für Medienunternehmen ist das eine Zahl mit verdammt vielen Nullen – für Google ist das Taschengeld. 66 Milliarden Dollar, fast 60 Milliarden Euro, hat man 2014 umgesetzt. Das finanzielle Volumen der gesamten, auf drei Jahre angelegten DNI entspricht damit in etwa dem Tagesbrutto von Google, das finanzielle Risiko ist also gering. Wenn es Google mit dieser – im Vergleich zu den drohenden Einbußen durch mehrere Kartellverfahren lächerlichen – Summe gelingt, einige der wichtigsten Meinungsbildner in Europa auf seine Seite zu ziehen, hätte Carlo D’Asaro Biondo, President of Strategic Partnerships, einen ziemlich guten Job gemacht.

Bislang scheint die Strategie aufzugehen. Bereits nach wenigen Tagen sind etliche weitere Medien der Einladung Googles gefolgt, sich der DNI anzuschließen. Google zufolge haben sich „eine Vielzahl von Verlagen, Organisationen und Journalisten mit dem Wunsch einer Beteiligung an die Gründungspartner gewandt“, darunter Der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung (Disclosure: für die ich arbeite).

Viele Verlage folgen dem Ruf von Google –Springer bleibt skeptisch

Vor einem Jahr bekam Mathias Döpfner seine Bühne im Feuilleton der FAZ, wo lange Jahre scharf und bisweilen reichlich alarmistisch gegen Google geschossen wurde. Während die FAZ selbst zu den Gründungsmitgliedern der DNI gehört, ist Döpfners Arbeitgeber skeptisch. Christopher Lauer, seit kurzem für „Strategische Innovation“ bei Springer zuständig, hält die Allianz für „transparente Industriespionage“, bei der vor allem Google gewinne. Wenn Springer Redebedarf mit Eric Schmidt habe, würde Mathias Döpfner schon eine Möglichkeit finden, auch ohne, dass man sich an der „cleveren PR-Aktion“ beteilige. Stattdessen solle sich Google doch bitteschön „an das geltende Recht halten“ und das Leistungsschutzrecht akzeptieren.
Die ablehnende Haltung verbindet Springer mit dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). „Wir waren davon genauso schockiert wie Sie es vielleicht waren“, kommentierte dessen Rechtsanwalt Thomas Höppner das Bündnis zwischen Google und europäischen Medien. Es sei ein geschickter politischer Schachzug von Google, öffentlich den Eindruck zu erwecken, dass man auf die Interessen der Zeitungen eingehe, während tatsächlich das Gegenteil der Fall sei. Er sei „ein bisschen überrascht, dass dabei renommierte Medien wie FAZ (BDZV-Mitglied) und Zeit (kein BDZV Mitglied) mitmachen würden.

Den Verlagen geht es um mehr als nur ums Geld

Was also erhoffen sich die Verlage von der Kooperation mit Google? Klar, 150 Millionen sind 150 Millionen, doch wichtiger als das Geld dürfte die Möglichkeit einer langfristigen strategischen Partnerschaft sein. Während die Print-Reichweiten einbrechen, wächst die Zahl der Online-Leser – und die Suchmaschine sorgt dafür, dass Leser die Angebote der Verlage finden. Mittlerweile gilt Google mehr Menschen als glaubwürdige Quelle für Nachrichten als die Medien, deren Inhalte Google aggregiert. Man sei davon überzeugt, dass Google ein Interesse daran habe, „seine Macht zu nutzen, um ein nachhaltiges Ökosystem für Nachrichten und Journalismus zu unterstützen“, begründet Tony Danker, International Director beim Guardian, die Zusammenarbeit.

Ins gleiche Horn stößt Guardian-CEO David Miller: „Wir haben uns zu lange über die Plattform beschwert, die uns gewaltige Reichweite beschert.“ Statt auf europäischen Protektionismus zu setzen, müsse man sich mit Google verbünden. Er habe seit Monaten an der Allianz gearbeitet und im vergangenen Herbst nicht zuletzt zu diesem Zweck den ehemaligen Google-Mitarbeiter David Gehring zum Guardian gelotst.

Man werde daran arbeiten, Google News besser an die Bedürfnisse der Verlage anzupassen, damit dort auch kostenpflichtige Inhalte – wie etwa die Artikel der Financial Times – dargestellt werden, die Google bislang nur eingeschränkt indexiert. Doch nicht nur die Sichtbarkeit der eigenen Inhalte dürfte eine Rolle gespielt haben. Emily Bell zufolge hätten sich Verleger bei Hintergrundgesprächen darüber beschwert, dass Google mehr über ihre Leser wisse als sie selbst. Diese Daten könnten den Medien helfen, funktionierende Erlösmodelle aufzubauen, glaubt z.B. Journalist Jeff Jarvis.

Skeptischer Optimismus statt Warten auf Wunder

Doch Wunder sollte niemand erwarten, die DNI alleine wird die Probleme der Nachrichtenbranche nicht lösen. In den vergangenen zwei Jahren hat Google die darbenden französischen Verlage mit rund 60 Millionen Euro unterstützt (eine Übersicht der Verteilung der Fördermittel bei Le Monde), Milch und Honig fließen deshalb noch lange nicht. Man muss es nicht so pessimistisch sehen wie Peter Welchering, der einen angstgetriebenen „verlegerischen Offenbarungseid“ wittert. Der „skeptische Optimismus“ von Mathias Blumencron dürfte zielführender sein als die komplette Verweigerungshaltung.

Tony Danker vom Guardian trifft es ganz gut, wenn er sich zuerst selbst fragt, unter welchen Voraussetzungen die Kooperation ein Erfolg werden könnte, um dann die nötigen Umdenkprozesse bei Google zu skizzieren: „Um es kurz zu machen, bedarf es mehr Arbeit in Mountain View als in Brüssel.“ Viele Verleger würden die Zusammenarbeit mit Google als „unfairen Kampf“ wahrnehmen – doch vielleicht müsse es gar kein Kampf sein, vielleicht könnten beide Seiten profitieren: „Wir sind bereit, uns für eine Weile darauf einzulassen und zu versuchen, das digitale Zeitalter in ein goldenes Zeitalter für den Journalismus zu verwandeln. Es wird spannend sein zu beobachten, ob Google das auch will.“

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in: Dynamik am Markt, JOURNALISMUS & NETZ

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