Diskriminierungsfreie Sprache: Wo man sich im Netz informieren kann
Political correctness ist, wenn Sie vom Absender einer Botschaft denn überhaupt gewollt ist, manchmal gar nicht so leicht einzuhalten, steckt Sprache doch voller Fallen. Welche Begriffe sollte man als Journalist verwenden und welche nicht? Intensiv und emotional war etwa die Diskussion um die Streichung des Begriffs Neger aus Kinderbüchern wie „Pippi Langstrumpf“ und „Die kleine Hexe“. Die Verwendung des N-Worts für den Sänger Roberto Blanco durch den bayrischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im September hat erneut die Diskussion angefacht. Das in einem Land, in dem selbst der Autor in der Schulzeit „Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann“ spielte. Diskriminierungsfreie Sprache ist ein Thema, das in deutschen Redaktionen noch verhältnismäßig neu auf der Tagesordnung ist. Der torial Blog hat dazu einige hilfreiche Informationsquellen gesammelt:
Glossar der Neuen Deutschen Medienmacher
Der Verein Neue Deutsche Medienmacher (NdM), ein Zusammenschluss von Journalistinnen und Journalisten mit und ohne Migrationshintergrund, der sich als Ansprechpartner für interkulturellen Journalismus versteht, hat ein Glossar mit „Formulierungshilfen für die Berichterstattung im Einwanderungsland“ im PDF-Format veröffentlicht. Der Reader soll als Hilfestellung für die tägliche Redaktionsarbeit dienen. Auf 30 Seiten werden darin Begriffe wie „Einwanderer“, „Zuwanderer“ und „Migrant“ erläutert. Die Begriffe sind in verschiedene Bereiche wie Migration, Kriminalitätsberichterstattung und Islam eingeteilt. „Es geht keineswegs darum zu diktieren, was gesagt und nicht gesagt werden darf, sondern darum, praktische Anregungen für den journalistischen Alltag anzubieten“, sagt NdM-Geschäftsführerin Konstantina Vassiliou-Enz. Das Glossar ist auch in gedruckter Form erhältlich. Im Oktober erschien das 54-seitige Werk in einer Neuauflage. Gleichzeitig wurde auch ein Online-Glossar veröffentlicht. Ergänzt wird das Ganze durch eine Serie von Comedy-Clips mit der Comedian Jilet Ayse alias Idil Baydar. Auch zur Darstellung von Muslimen in den Medien bieten die Neuen Deutschen Medienmacher Informationen.
Flüchtlinge
Im Glossar der Neuen Deutschen Medienmacher ist dem Bereich „Asyl“ ein eigener Abschnitt gewidmet. Darin heißt es zum Beispiel zum Begriff Asylant, den etwa Euronews Mitte September verwendete, dass der Begriff „negativ konnotiert sei“. Er werde „häufig dann verwendet, wenn Geflüchtete als Bedrohung oder Belastung betrachtet werden, und nicht als Schutzsuchende. Weitere Alternativen: Asylsuchende und Asylbewerber“.
Der „Freitag“ schrieb über eine Arte-Doku: „Die Schlepper könnte man besser als ‚Fluchthelfer‘ bezeichnen. Man muss ihre Methoden nicht gut finden, und es gibt sicherlich unter ihnen viele Abzocker, wie in jedem anderen illegalen Gewerbe. Aber es bleibt festzuhalten, dass sich die Flüchtlinge freiwillig an die ‚Schlepper‘ wenden. Und geschleppt werden normalerweise auch eher Gegenstände als Menschen.“
Nennung der Herkunft von Straftätern
Der Journalismus-Professor Horst Pöttker war in einem Meinungsbeitrag in der ZEIT der Auffassung, Journalisten sollten die Herkunft von Straftätern nennen dürfen. Alles andere sei „Selbstzensur“. Damit setzte sich auch der Medienjournalist Stefan Niggemeier in seinem Blog auseinander. Mit der Frage, ob man die Herkunft von Straftätern nennen sollte, hat sich in einer Replik die Journalistin Canan Topçu befasst. Sie weist in ihrem Beitrag auf die Richtlinie 12.1 des Pressekodex hin. Dort heißt es: „In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“
„Dritte Welt“
Noch bis in die Achtziger Jahre hinein war es völlig normal, von erster und dritter Welt zu sprechen, „Eine-Welt“-Läden kamen auf. Später setzte sich die Ansicht durch, dass es Menschen, die in Industrieländern leben, nicht zusteht, von ihrer Herkunft als erster Welt zu sprechen. Seitdem wird von Industrieländern, Entwicklungsländern und Schwellenländern gesprochen. Doch auch der Begriff „Entwicklungsland“ ist nicht ganz unumstritten. Der Berliner Entwicklungspolitische Ratschlag, der Dachverband der entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen, bietet Checklisten zur Vermeidung von Rassismen in der entwicklungspolitischen Öffentlichkeitsarbeit. In dem Reader heißt es, der Begriff der „Entwicklung“ sei „ideologisch aufgeladenen“ und beinhalte „eine Hierarchisierung von Gesellschaftsformen“. Alternativ biete sich das Konzept „gesellschaftlicher Wandel“ an. Andere in dem Dokument thematisierte Begriffe sind „Hilfe“, „Opfer“ oder „Schwarzafrika“.
Schwarze und Rassismus
Die schwarze Mediawatch-Organisation, hinter der vor allem die frühere 1Live-Moderatorin Noah Sow steht, hält Informationen für Journalisten bereit. In Form von FAQ werden Fragen geklärt wie „Warum gibt es keine ‚Farbigen‘“, „Wie stellen die Medien Schwarze denn falsch dar“, „Wie ist die politisch korrekte oder diskriminierungsfreie Bezeichnung für Schwarze (oder Schwarze Deutsche)?“ oder „Warum nennen manche Schwarze sich selbst oder gegenseitig ‚N…er‘“? Die Webseite von Der braune Mob e.V. wird zurzeit überarbeitet und ist nicht aufrufbar, die FAQ lassen sich aber über archive.org noch abrufen. Der braune Mob verlinkt auf weitere Dokumente, wie auf die „Informationen für Journalisten zum korrekten sprachlichen Umgang mit rechtsextremistischen oder rassistisch motivierten Straftaten“, die von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, der Amadeu Antonio Stiftung, dem Verein schwarzer Frauen Adefra und der stern-Aktion „Mut gegen rechte Gewalt“ veröffentlicht wurden. Informationen aus dem Infoblatt finden sich auch auf Publikative.org. Einen ähnlichen Formulierungs-Ratgeber hat auch die Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlicht. Der Landesfilmdienst Sachsen erklärt in einer PDF die Problematik von Begriffen wie „Mohr“, „Eingeborene“, „Kaff“, „Indianer“, „Eskimo“ oder „Aborigines“.
Auch der genannte Reader des Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlags befasst sich auch mit Exotismus, „wohlgemeintem Rassismus“ sowie mit Fotografien („Stereotype und koloniale Bildtraditionen vermieden (z. B. Weiße stehen, Schwarze sitzen, oder auch umgekehrt: Schwarze stehen hinter sitzenden Weißen, statt Darstellung auf Augenhöhe)?“).
Umstrittener Begriff „Zig…er“
Beim Zentralrat deutscher Sinti und Roma heißt es: „Der Begriff Zigeuner ist nicht wertneutral. Ein Blick in die deutschen Mundart-Wörterbücher zeigt deutlich die Verbindung mit extrem negativen Vorurteilen bis hin zu rassistischen Stereotypen. Die international gebräuchliche Bezeichnung Roma, in Deutschland Sinti und Roma – Sinti ist die seit über 600 Jahren im deutschen Sprachraum ansässige Gruppe – ist schlicht und einfach die Selbstbezeichnung der Minderheit.“
Gemeinsam haben der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, der Interkulturelle Rat in Deutschland und der Förderverein Pro Asyl die Broschüre „Was Sie schon immer über ‚Zig…er‘“ wissen wollten herausgegeben. Darin heißt es: „Der Begriff ‚Zigeuner‘ ist eine ins Mittelalter zurückreichende und von Vorurteilen überlagerte Fremdbezeichnung der Mehrheitsbevölkerung; sie wird von den meisten Angehörigen der Minderheit als diskriminierend abgelehnt. In der 2. Auflage des Dudens sinn- und sachverwandter Wörter aus dem Jahr 1986 wird zum Beispiel unter dem Stichwort ‚Zigeuner‘ auf die Begriffe ‚Abschaum‘ und ‚Vagabund‘ verwiesen.“
Während die Stadt Hannover den Begriff „Zigeuner“ schon länger von den Karten ihrer Kantinen gestrichen hat, war dieser zumindest im Oktober letzten Jahres in der Kantine des deutschen Auslandssenders Deutsche Welle noch am Leben. In Hannover ist seit mehreren Jahren nur noch die Rede von „Schnitzel Balkan Art“ oder „Schnitzel Budapester Art“, doch selbst der Begriff „Balkan“ ist umstritten. Die Neue Zürcher Zeitung befasste sich ebenfalls mit dem Begriff und wies darauf hin, dass die Schweizer Wochenzeitung „Weltwoche“ von „Roma-Raubzügen“ schrieb und sich mit einem provokanten Titelblatt eine Rüge des Presserates einhandelte. Der Vizechef des Zentralrats, Silvio Peritore, gab Spiegel Online ein Interview zur Forderung eines Sinti- und Roma-Vereins aus Hannover an Lebensmittelhersteller, ein Produkt, das „Zigeunersoße“ hieß, umzubenennen.
Entscheidend ist am Ende jedoch eines: Wichtiger als versehentlich oder unwissentlich verwendete problematische Begriffe ist, was man denkt und wie man handelt, ist ernsthaftes Interesse an fremden Sichtweisen und Toleranz. Und: Eine Sprachpolizei darf es nie geben. Angehörige von Minderheiten müssen jedoch das Recht haben, selbst zu bestimmen, wie sie bezeichnet werden. Das Totschlagargument „Das wird man doch noch sagen dürfen“ darf nicht missbraucht werden, um Menschen zu verletzen oder zu diskriminieren. Im Zweifel gilt: Einfach mal einen Betroffenen fragen anstatt sich journalisten-like aufzuschwingen und zu glauben, man wisse, wie dies oder jenes zu nennen ist – ganz normale Recherche eben.