21.06.2016

Jenseits von Kriegen, Krisen und Klischees – wie die Plattform JournAfrica das Afrikabild deutscher Medien verändern will

Afrika: das sind Kriege, Krankheiten, Katastrophen und Korruption auf 30 Millionen Quadratkilometern. So zumindest das Bild des Kontinents, das die deutsche Medienlandschaft überwiegend vermittelt. Schließlich findet Afrika abgesehen von humanitären Krisen, Epidemien oder dem Terror von Boko Haram medial nicht statt.

Und wir wenn oftmals als homogene Einheit behandelt, in der politische, gesellschaftliche und kulturelle Differenzen der 54 Länder mit ihren 2000 Sprachen zu einem diffusen Gesamtbild verschwimmen. Eine Perspektive, die bei der Berichterstattung etwa über unsere europäischen Nachbarn zu massiven Irritationen führen würde.

Journafrica will das ändern. Das „erste deutschsprachige Nachrichtenportal für „Journalismus aus Afrika“ will eine eurozentristische Außenperspektive unterlaufen und setzt auf einen dezidiert afrikanischen Blick. Statt mit europäischen Korrespondenten arbeiten sie ausschließlich mit einheimischen Journalisten zusammen.

Ein Beitrag über die etwas andere Art der Sarggestaltung in Ghana.

Ein Beitrag über die etwas andere Art der Sarggestaltung in Ghana.

Initiator der Plattform ist Phillip Lemmerich. Der damalige Politikstudent machte bei Reisen durch Afrika die Erfahrung, dass die Situation der Menschen vor Ort selten mit den medial vermittelten Bildern übereinstimmt. Verantwortlich sei dafür auch die Korrespondentenstruktur. Schließlich säßen diese überwiegend in den Metropolen und seien für riesige Gebiete zuständig, die sie logistisch, aber auch aus Sicherheitsgründen oft nicht bereisen könnten. Laut einer Studie des Medienwissenschaftlers Lutz Mükke von 2009, sind Korrespondenten durchschnittlich für 33 Länder zuständig, von denen sie viele noch nicht einmal betreten hätten. Eine undifferenzierte Berichterstattung sei so unvermeidbar.

Ein etwa 20-köpfiges Team aus Journalisten und Studenten mit Afrikanistik-Hintergrund oder anderen Afrika-Bezügen, organisiert das Ende 2014 gestartete Portal. Sie durchforsten Blogs und journalistische Portale nach interessanten Autoren, redigieren Artikel, vereinbaren Texte und lassen sie übersetzen.

Zeitlose Themen statt tagesaktueller Berichterstattung

Statt auf tagesaktuelle Berichte konzentriert sich JournAfrica auf zeitlose Themen und versucht sich an einer Balance zwischen Alltagsgeschichten mit Tendenz zum konstruktiven Journalismus und kritischen Hintergrundberichten. Das Spektrum, das die über 50 Journalisten aus 25 Ländern abdecken, reicht von Reportagen zu Mobile Payment in Malawi über die rechtliche Grauzone von Flüchtlingskindern in Kenia, bis zu den kulturellen Codes hinter den kreativen Sargkonstruktionen in Ghana. Gute Autoren zu finden, die westlichen Lesegewohnheiten und journalistischen Standards entsprechen, war dabei die größte Herausforderung beim Aufbau der Plattform, erläutert Philipp Lemmerich. „Es gibt sehr gute Journalisten und sehr engagierte Journalisten in Afrika, aber vom durchschnittlichen Grad der Ausbildung könnte man da definitiv noch einiges verbessern.“ Mittlerweile greifen sie überwiegend auf Autoren zurück, die mit dem europäischen Kontext vertraut sind und etwa für andere große Medien wie den Guardian oder Radio France en Terre arbeiten. Qualitativ ist allerdings immer noch Luft nach oben. Bislang erinnern viele Texte eher an den Kölner Stadtanzeiger als an die Süddeutsche Zeitung. Dafür eröffnen sie etwa afrikanische Perspektiven auf Migration, die man in hiesigen Medien gemeinhin vermisst.

Um dem Afrikadiskurs in Deutschland eine breitere Plattform zu geben, haben Lemmerich und seine Mitstreiter gerade einen Community-Bereich eröffnet. „Uns haben sehr viele Anfragen von Menschen erreicht, die sich gerne zu dem Thema äußern würden, aber sowohl thematisch aber auch von der Darstellungsform nicht in das Raster unseres Online-Magazins passen. Ich glaube es besteht einfach ein großer Bedarf, dass einfach mal eine Diskussion entsteht“, so Lemmerich.

Kooperationen mit Jetzt.de und der Frankfurter Rundschau

Während die Journalisten nach der Kaufkraftparität ihres Landes bezahlt werden, arbeiten die Journafrica-Macher bislang noch ehrenamtlich. Jeder der Redakteure betreut bis zu 5 Autoren, die in seine Länderkompetenz fallen. Bislang erscheinen rund zwei Texte pro Woche. Redaktionell wäre eine höhere Frequenz kein Problem, ist aber angesichts des begrenzten Budgets von 15.000 Euro bislang noch nicht möglich. Während sich JournAfrica im ersten Jahr überwiegend auf Fördergelder stützte, finanziert sich die Plattform aktuell überwiegend über Crowdfunding und Artikelverkäufe. Die Frankfurter Rundschau übernimmt einmal im Monat einen Artikel, das Magazin des Afrikavereins der deutschen Wirtschaft in ähnlicher Frequenz, Jetzt.de in unregelmäßigen Abständen. Finanziell nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, verschaffen die Kooperationen der Plattform und ihrem Anliegen eine größere Reichweite. Um eine langfristige Finanzierung zu sichern, denken die Macher sowohl über Communityfinanzierung, wie über eine Querfinanzierung durch Projekte etwa für die Privatwirtschaft nach.

JournAfrica finanziert sich aktuell vor allem über Crowdfunding

JournAfrica finanziert sich aktuell vor allem über Crowdfunding

Lemmerichs Vision: die Plattform und ihre journalistische Infrastruktur auf längere Sicht in ein Recherchebüro auszubauen, das andere Medien mit Storys beliefert. Eine Art Correctiv für den Afrikajournalismus. Schließlich sei qualitativ hochwertiger und regelmäßiger Afrikajournalismus in Zeiten ökonomischen Drucks nur kooperativ zu gewährleisten. Und nötiger denn je: „Afrika ist weltweit gesehen einer der größten Zukunftsmärkte. Und wenn Deutschland als Exportland dort Fuß fassen möchte, wird es langsam Zeit. Vor allem: Globale Probleme wie Klimawandel oder Migration lassen sich nicht mehr aus einer europäischen Einzelperspektive lösen. Da führt an Afrika kein Weg vorbei.“

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in: Ideen, Chancen, Risiken, JOURNALISMUS & NETZ

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