Netzwelt-Rückblick April: Internet Health Report, Journalism Festival Perugia, Notre-Dame-Brand
Im April kam der neue Internet Health Report raus, in Perugia fand das International Journalism Festival statt, YouTube verwechselte den Brand von Notre-Dame mit dem 11. September und eine Comedian lehnte sich im Netz gegen eine TV-Kritik auf.
Internet Health Report fordert weniger Monopole und mehr Offenheit
Seit 2017 veröffentlicht die Mozilla Foundation alljährlich den „Internet Health Report“. Im April ist nun die dritte Ausgabe erschienen. Das Konvolut widmet sich fast allen Aspekten digitalen Lebens, im Mittelpunkt der 2019er Ausgabe stehen Künstliche Intelligenz, die Macht der Städte und digitale Anzeigen im Mittelpunkt. Ein besonders Augenmerk legt der Report generell auf Bedrohungen des freien Netzes. Eine gute Zusammenfassung hat Netzpolitik, den ganzen Report gibt es hier.
Wie sich Facebook bei Journalisten wieder lieb Kind machen will
Beziehungsstatus: Es ist kompliziert. Das trifft auf das Verhältnis zwischen vielen Verlagen und Facebook zu. Als Facebook zuletzt an seinem News-Feed-Algorithmus herumschraubte, wirkte sich das sehr negativ auf die Sichtbarkeit von Verlags-Facebook-Seiten aus. Und die Anzeigen, von denen Verlage im Printzeitalter noch so sehr profitierten, sind online massiv zu Facebook und Google abgewandert: Bei den beiden Giganten werden 9 von 10 Online-Anzeigen geschaltet. Deswegen will Facebook in den nächsten drei Jahren weltweit 300 Millionen Dollar in den Lokaljournalismus investieren, wie der Konzern schon im Januar ankündigte. Am 2. April gab Facebook den Start des “Local News Subscriptions Accelerators” in Deutschland bekannt. Das mit 2 Millionen Euro geförderte Programm soll 13 lokale Verlage in Deutschland bei der Weiterentwicklung von digitalen Bezahlmodellen unterstützen, wie es in der zugehörigen Facebook-Pressemitteilung heißt.
Ein andere Maßnahme von Facebook und Google, um das angespannte Verhältnis zum Journalismus zu verbessern, ist ihr Sponsoring des International Journalism Festivals in Perugia. Die Teilnahme ist kostenlos, dafür haben sowohl Facebook als auch Google feste Programmplätze. Daniel Faulhaber hat auf medienwoche.ch einen lesenswerten IFJ19-Rückblick geschrieben, in dem er unter anderem der Frage nachgeht, ob „sich die Branche mit solchen ‚Partnern‘ selbst verrät?“ Tut sie nicht, weil es in Perugia auch viele Google- und Facebook-kritische Panels wie „Criticize Facebook. Sure. Leave? Why?“ gibt. Auch mein BR-Kollege Stefan Primbs war in Perugia und hat die seiner Ansicht nach besten Veranstaltungen zum Bereich Fake News, Verifikation und der Lohn der Lügen zusammengestellt.
YouTube verwechselt Notre-Dame-Brand mit Anschlägen des 11. September
Weltweite Schlagzeilen machte am 15. April der Brand der Pariser Kathedrale Notre-Dame. Live-Streams von dem massiven Brand waren natürlich auch auf YouTube zu sehen, allerdings teilweise versehen mit dem Hinweis: “Die Anschläge des 11. September waren (…) der tödlichste Terroranschlag auf amerikanischem Boden in der Geschichte der USA“ – und das, obwohl es keine Hinweise auf einen Anschlag in Notre Dame gab. „Schuld“ waren die YouTube-Algorithmen. Simon Hurtz fasst die algorithmische Fehlleistung auf sueddeutsche.de zusammen.
Rützel vs Amani: Wie der Streit um eine Fernsehkritik eskalierte
Kommen wir nach Deutschland. Genauer gesagt zum offen im Netz ausgetragenen Streit zwischen der Journalistin Anja Rützel und Stand-Up-Comedian Enissa Amani. Rützel veröffentlichte am 19. April eine Fernsehkritik über die „About You Awards“, einen Preis, den ProSieben an Influencer verleiht. Rützel konnte der Veranstaltung wenig abgewinnen und fasst die acht unangenehmsten Momente zusammen, einer davon ist Enissa Amani gewidmet, die sich in ihrer Rede gegen die Bezeichnung als „Komikerin“ verwahrte, worüber sich Rützel so richtig lustigmachte. Amani fühlte sich davon angegriffen und machte ihrem Unmut auf Instagram Luft. Viele ihrer Fans verstärkten die Kritik und so sah Rützel sich einem kolossalen Shitstorm ausgesetzt. Samira El Ouassil seziert den Streit in einer lesenswerten Kolumne auf Übermedien und macht drei Konfliktebenen aus:
1. “Migrationshintergrund“ versus „Unterschiedliche Humorbewertungen Standupperin/Kolumnistin“
2. Kollision der Medienzugehörigkeiten: Legacy Media versus New Media
3. Privatperson versus Promi bzw. Kunstkritikerin versus Künstlerin.
Kein Netzwelt-Rückblick ohne EU-Urheberrechtsreform…
Nach dem EU-Parlament hat am 15. April auch der EU-Minsterrat dem Reformtext zugestimmt. 19 von 28 Staaten sagten Ja. Für Deutschland stimmte Justizministerin Katarina Barley (SPD) zu – ohne das deutsche Ja hätte die Reform keine Mehrheit im Rat gefunden. Barley steht damit – zumindest in Teilen der Öffentlichkeit – als Wortbrecherin da, spricht sich doch der Koalitionsvertrag gegen Upload-Filter aus. Um diesem Eindruck entgegenzuwirken, hat Barley bei der Abstimmung im Rat eine vierseitige Zusatzerklärung abgegeben, wie die Reform umgesetzt werden solle: ohne Uploadfilter und mit diversen Ausnahmen. Einen guten Hintergrund zum deutschen Ja aber liefert Paul Vorreiter beim Deutschlandfunk.
Tooltime!
Am 2. April war International Factchecking Day, was die amerikanische Journalistenschule Poynter-Institut mit einer großartigen Sammlung von How-To-Artikeln würdigt. Besonders gut finde ich den Ariktel „10 Tools and Tricks to verify Instagram Posts“. Darin dokumentiert der niederländische Recherche-Trainer Henk van Ess die erfolgreiche Lokalisierung eines von der niederländischen Justiz gesuchten Kriminellen via Instagram.
Jeder weiß, wie datenhungrig die meisten Smartphone-Apps und Google-Dienste sind. Wem das ein Dorn im Auge ist und wer ein Android-Smartphone hat, der sollte unbedingt diesen Artikel von Matthias Eberl lesen, in dem er beschreibt, wie man sich ein weitgehend tracking- und googlefreies Android-Smartphone konfiguriert.
Das war’s für den April, ich melde mich schon in den nächsten Tagen wieder: mit einer Sonderausgabe zur re:publica.