Journalismus&Netz im August: Redaktionsfusion beim Spiegel, Shitstorm-Anatomie, CSYou-Flop
Der Spiegel legt seine Print- und Online-Redaktion zusammen, Sascha Lobo erklärt die Anatomie eines Shitstorms und die CSU erntet einen solchen für ihr neues Format CSYou.
Borowskis Plädoyer für nutzerdatenbasierten Journalismus
In der Reihe „Mein Blick auf den Journalismus“ des Journalist Magazins war im August Sascha Borowski an der Reihe. Der Noch-Digital-Chef der Augsburger Allgemeinen, der im Herbst zur Allgäuer Zeitung wechselt, plädiert dafür, dass Journalisten ihre Beiträge viel stärker als bisher am Leserinteresse ausrichten. Und zwar nicht am vermuteten Leserinteresse, sondern am durch Tracking, Datenauswertung und Leserforschung gemessenen Leserinteresse. Wer das weiß, könne „Inhalte in der passenden Form – Text, Bild, Video, Stream, Audio, Newsletter, WhatsApp, Push – zur passenden Zeit dem richtigen Nutzer präsentieren“, findet Borowski.
Machtkampf in der SZ-Chefredaktion
Borowski verlinkt in seinem Essay auch auf den Mein-Blick-auf-den-Journalismus-Beitrag von Sz.de-Chefredakteurin Julia Bönisch, die im Mai geschrieben hatte: „Wir brauchen gute Manager an der Spitze von Redaktionen“. Wegen dieses Beitrags, in dem Bönisch unter anderem schreibt, dass eine Redaktionsleitung, die sich ausschließlich über Inhalte definiert, zunehmend der Vergangenheit angehöre, steht sie hausintern seit Monaten extrem in der Kritik. Die Kontext-Wochenzeitung fasst den Machtkampf bei der SZ zusammen.
Spiegel fusioniert Print- und Online-Redaktion
Auch beim Spiegel ist die Verzahnung von Print- und Online-Redaktion in den letzten Jahren alles andere als geräuschlos abgelaufen. Viele Chefredakteure sind an dieser Aufgabe gescheitert, nun unternimmt der Spiegel mit dem „Projekt Orange“ einen neuen Fusions-Versuch. Am 1. September wurden Print- und Online-Redaktion tatsächlich weitgehend zusammengelegt, im kommenden Jahr wird die Website relauncht, sie wird dann nicht mehr Spiegel Online sondern nur noch „Der Spiegel“ heißen. Über den schwierigen Transformationsprozess berichten die beiden Projekt-Orange-Leiter Susanne Amann und Birger Menke auf Medium, eine Zusammenfassung davon gibt es bei wuv.
Lobo erklärt die Anatomie eines Shitstorms
Wo wir schon beim Spiegel sind: Hier ist – hoffentlich auch in Zukunft – Sascha Lobos Kolumne „Die Mensch-Maschine“ zuhause. Im August hat der Internet-Erklärer mit dem Irokesen-Schnitt die „Anatomie eines deutschen Shitstorms“ aufgeschrieben. Schon im Teaser steht das sehr prägnant: „Ein Politiker provoziert, Journalisten spitzen zu, Twitter explodiert.“ Aufhänger für Lobos Kolumne – ohne dass Lobo das explizit erwähnt – war die Aussage des CDU-Politikers Carsten Linnemann, ein Kind, das kaum Deutsch spreche und verstehe, habe auf einer Grundschule noch nichts zu suchen. Die Nachrichtenagentur dpa machte daraus die Überschrift „CDU-Politiker: Grundschulverbot für Kinder, die kein Deutsch können“. Das ist eine unzulässige Zuspitzung, wie dpa-Nachrichtenchef Froben Homburger kurz darauf in einem Thread auf Twitter einräumte, was aber immerhin von einem vorbildlichen Umgang mit eigenen Fehlern zeugt.
CSYou: Der YouTube-Flop der CSU
Einen Shitstorm erntete auch die CSU mit ihrem neuen YouTube-Format #CSYOU. Die „Social-Media-Show der CSU im Bundestag“ ist offensichtlich als Reaktion auf die Rezo-Debatte entstanden. Moderator Armin Petschner greift vor allem Greta Thunberg und die Grünen an und lobt die Arbeit der Großen Koalition. Beim YouTube-Publikum kam das Video eher schlecht an. Stand 9.9. gibt es 4300 Likes und 180.000 Dislikes, auch in vielen der mehr als 50.000 Kommentare kommt das Video ziemlich schlecht weg. Die CSU musste sich sogar den Vorwurf gefallen lassen, anfangs kritische Kommentare gelöscht zu haben. Vivien Stellmach kommentiert auf Basic Thinking, dass die erste Ausgabe von CSYou ein Reinfall war. Vice-Redakteur Sebastian Meineck hat die Behauptungen Petschners einem Faktencheck unterzogen.
Facebook will Verlags-Inhalte lizensieren
Facebook unternimmt einen weiteren Versuch, Verlage gewogen zu stimmen. Im Herbst will Facebook eine neue Funktion namens News Tab einführen, in der Nachrichten aus renommierten Medienhäusern wie der Washington Post , ABC News oder Bloomberg zu lesen sind. Für die Lizensierung dieser Inhalte bietet Facebook einem Wall Street Journal-Bericht zufolge bis zu drei Millionen US-Dollar pro Jahr.
Bei News Tab sollen Mensch und Maschine zusammenarbeiten: Wie die New York Times berichtet, plant Facebook, für News Tab erfahrene Journalisten einzustellen, die die Algorithmen bei der Auswahl der wichtigsten Nachrichten trainieren.
Falschmeldungen können nun auch auf Instagram gemeldet werden
Facebook weitet sein „Third Party Fact-Checking Program (3PFC)“ nun auch auf Instagram aus. Auf den drei Punkten rechts oben neben einem Beitrag kann man einen Beitrag, dessen Inhalt man für falsch hält, melden. Dann kommt die Auswahlmöglichkeit „Dieser Inhalt ist unangemessen“ und wenn man das ausgewählt hat, kann man am Ende einer zehn Gründe umfassenden Liste „Falschmeldung“ auswählen. Dann werden die Fact-Checking-Organisationen, mit denen Facebook zusammenarbeitet, tätig. In Deutschland ist das zum Beispiel Correctiv.