26.06.2013

Das kleine Einmaleins der Themenfindung

Wer darf wann und unter welchen Bedingungen, welche Themen bearbeiten und publizieren? Grundsätzliche Informationen von Themenauswahl über Ideenklau bis zum Unterlassungsanspruch.

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Bild: rabble.ca Lizenz: CC/BY

 

Gibt es Tabus bei der Themenauswahl?

Bei der Auswahl eines Themas gibt es für Journalisten keinerlei Einschränkungen. Die Aufgabe der Presse besteht grundsätzlich darin, stets dem öffentlichen Informationsinteresse zu dienen, wie man dieses auch immer definiert. Welche Themen im Informationsinteresse liegen, darf jede Redaktion für sich selbst entscheiden. Anderenfalls wäre unsere Pressefreiheit laut Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz nichts wert. Auch wenn uns der Gesetzgeber keine Inhalte vorschreibt, so wird uns Journalisten bei der Information der Bevölkerung eine hohe Verantwortung übertragen, die man sich immer wieder bewusst machen sollte. Wer den nächsten Schritt gehen möchte, die juristischen Grundlagen der Recherche werden hier ausführlich beschrieben.https://blog.torial.com/2013/06/juristische-grundlagen-der-recherche/

Was darf der Chefredakteur alles tun?

Das Recht auf freie Themenwahl gilt gegenüber dem Gesetzgeber, nicht aber gegenüber dem Chefredakteur des jeweiligen Auftraggebers. Der Vorgesetzte entscheidet eigenmächtig darüber, welche Themen in ein Medium passen und welche nicht. Der Chefredakteur oder der Chef vom Dienst dürfen auch inhaltlich Einfluss auf den Beitrag üben, dagegen kann man sich weder als Festangestellter noch als Freiberufler wehren. Die Mitarbeiter sind an das Weisungsrecht des Vorgesetzten gebunden. Das Zensurverbot gilt zwar für den Staat, nicht aber für den Leiter der Redaktion. Die Grenze zulässiger Weisungen wird an dem Punkt überschritten, wo jemand von einem Redakteur verlangt, dass dieser in seinem Beitrag etwas Unzulässiges wiedergeben soll. Oder aber er soll einen Beitrag mit seinem Namen zu versehen, der überhaupt nicht seiner Auffassung entspricht. Eine solche Anweisung würde das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Journalisten verletzen. Alle anderen Spezifikationen des Beitrages wie Länge, Umfang, Inhalt, Bebilderung, Schnittfolge, Musik etc. werden von der Leitung der Redaktion oder vom Verlag etc. festgelegt. Rein theoretisch müssten sich freie Mitarbeiter nicht an die Weisungen des Auftraggebers halten, weil sie über keinen Arbeitnehmerstatus verfügen. Allerdings müssen sie dann damit rechnen, dass man ihre Beiträge künftig nicht mehr nimmt und sie auf das vorher vereinbarte Honorar verzichten müssen. Die Pflichten der fest angestellten Mitarbeiter sind umfangreicher. Sie unterliegen der sogenannten Treuepflicht und dürfen die Weisungen der Vorgesetzten nicht verweigern. Ausnahme ist und bleibt, dass sie nicht dazu gezwungen werden dürfen etwas unter ihrem Namen zu veröffentlichen, womit sie sich absolut nicht identifizieren können. Aus einer solchen Weigerung darf dem festangestellten Mitarbeiter kein Nachteil wie eine Kündigung oder Abmahnung entstehen.

Sind Themenvorschläge vor dem Zugriff Dritter sicher?

Weil das deutsche Recht Ideen in den wenigsten Fällen schützt, sollte man sich beim Austausch mit seinen Kollegen zurückhalten. Wer spannende Themen für neue Artikel oder Rundfunkbeiträge offenbart, dem kann auch kein Anwalt mehr helfen. Das Urheberrecht schützt lediglich fertig ausformulierte Texte, Grafiken, Bilder oder Filme. Die Idee für ein Thema kann dadurch nicht vor dem Zugriff Dritter bewahrt werden. Wer sich um sein Honorar betrogen fühlt, kann sich den Gang zum Juristen sparen. Könnte man jede Idee schützen, käme wahrscheinlich der komplette Journalismus zum Erliegen, weil ständig Vorwürfe im Raum stehen würden, jemand habe die Idee eines Dritten entwendet.

Das bedeutet aber auch, dass man bereits in anderen Medien behandelte Themen aufgreifen, vertiefen und ebenfalls darüber berichten darf. Auch das Leistungsschutzrecht kann keinen Verlag oder ein Online-Portal davor bewahren, dass ihre exklusiven Artikel von der Konkurrenz verwertet werden. Gerade im Online-Journalismus wird der Ideengeber nur in den seltensten Fällen genannt oder sogar verlinkt. Voraussetzung ist aber, dass die Artikel nicht einfach wortwörtlich übernommen werden.

Darf ein Beitrag vorab verboten werden?

Nicht selten versuchen bekannte Vertreter der Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft die Entstehung von Beiträgen zu verhindern. Sie drohen dem Betreiber mit juristischen Konsequenzen, falls sie in einer bestimmten Art und Weise negativ dargestellt werden. In solchen Fällen muss vor einer Veröffentlichung zusammen mit einem Rechtsanwalt geprüft werden, ob durch die Ausstrahlung von Bildern oder Videos des Betroffenen die jeweiligen Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Grundsätzlich kann aber niemand eine geplante Veröffentlichung vorab gerichtlich verbieten lassen. Wehrt sich der Prominente schon vorher gegen eine Publikation und stimmt der Veröffentlichung seiner Bilder und Videos nicht zu, so müssen diese aus dem Beitrag entfernt werden. Trotzdem kann und muss man sich nichts verbieten lassen, sofern die Persönlichkeitsrechte berücksichtigt werden. Journalisten sind die Anwälte der Allgemeinheit, die Presse gilt sogar als die vierte Staatsgewalt. Wir haben die Aufgabe, auch oder gerade über solche Dinge zu berichten, die Dritten unangenehm sind. Wir sollen die Dinge ans Tageslicht bringen, die dem öffentlichen Informationsinteresse dienen. Dazu gehört auch, den Staat und Unternehmen zu kontrollieren und Missstände aufzudecken.

Trotzdem ist es wichtig zu verhindern, dass nach außen dringt, woran die Redaktion gerade arbeitet. Betroffene können nämlich versuchen, kurz vor Fertigstellung des Beitrages gerichtlich einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch geltend machen. Der gilt nur, soweit ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass sich der Anspruchsgegner (die Redaktion) in naher Zukunft rechtswidrig verhalten wird. Dies ist beim Medienzivilrecht der wichtigste Anspruch, weil eine nachträgliche Entschädigung keinen Sinn macht. Ist der Beitrag erst rausgegangen, ist das Ansehen des Betroffenen unwiderruflich beeinträchtigt. Neben der Rechtswidrigkeit des Inhalts des Beitrages muss die Veröffentlichung unmittelbar bevorstehen. Eine Befragung im Rahmen der allgemeinen Recherche reicht dafür als Anhaltspunkt nicht aus. Kann die Redaktion alle Tatsachenbehauptungen belegen und die Persönlichkeitsrechte wurden berücksichtigt, wird der Kläger vor Gericht aber wenig Aussicht auf Erfolg haben.

Sperrfristen und Exklusivverträge

Häufiger treffen im Redaktionsbüro Pressemitteilungen ein, die mit einer Sperrfrist versehen wurden. Damit möchte man die Veröffentlichung eines Artikels vor einer bestimmten Uhrzeit verhindern. Sofern kein anderer Vertrag abgeschlossen wurde, gilt diese Sperrfrist lediglich als Bitte. Doch wer Informationen vorschnell verarbeitet und der Bitte nicht nachkommt, muss mit negativen Konsequenzen rechnen. Bei nächster Gelegenheit wird der Verfasser der Pressemitteilung seine Daten erst dann preisgeben, wenn die Sperrfrist schon abgelaufen ist. Dann hinkt man der Konkurrenz bei der Aufarbeitung des Themas weit hinterher.

Exklusivverträge werden zumeist zwischen einem Informanten und einem Medienunternehmen geschlossen. Vor allem Zeitschriftenverlage nehmen dieses Mittel gerne in Anspruch, um sich Aussagen, Bilder oder Videos exklusiv zu sichern. Im Gegenzug erhält der Lieferant eine vorher vereinbarte Bezahlung für seine Dienste. Hält sich der Vertragspartner nicht an die Regelung, muss er eine Vertragsstrafe zahlen. Für staatliche Stellen sind Exklusivverträge grundsätzlich verboten. Diese Möglichkeit erschließt sich lediglich Privatpersonen und privaten Unternehmen. Der Deutsche Presserat ist von solchen Methoden allerdings wenig begeistert, weil sie den Wettbewerb deutlich einschränken.

Wann geht’s los?

Das Thema ist erst dann reif für die Bearbeitung, sobald alle Tatsachenbehauptungen bewiesen werden können. Anderenfalls droht nach der Veröffentlichung des Beitrages möglicherweise eine Klage wegen übler Nachrede. Anderenfalls hat der Betroffene gute Chancen, vor Gericht Abwehransprüche geltend zu machen oder sogar eine Strafanzeige zu stellen. Wer ein wenig Orientierung bei juristischen Auseinandersetzungen benötigt, sollte sich unseren Blogbeitrag dazu in Ruhe anschauen.https://blog.torial.com/2013/05/anspruche-gegen-die-presse-was-tun-wenns-knallt/

 

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