29.10.2014

Bloggen unterm Konzerndach

Dem Medienkonzern Bertelsmann ist ein Coup gelungen. Für „Blogwalk“ ließen sich etwa 30 Bloggerinnen zu einem Komplettumzug unters Konzerndach überreden. Wenn klassische Medienunternehmen Blogger integrieren, gewinnen sie damit ein Stück vom Kuchen zurück, den ihnen das Internet genommen hat.

Screenshot Blogwalk

Die Modebloggerin von Royalcoeur bloggt seit neuestem auch für RTL (Screenshot Blogwalk.de)

Auf Blogwalk empfängt einen ein großes Bild einer jungen Frau mit Strickpullover. Klickt man auf einen der Artikel, die darunter angeteasert werden, ploppt in der Mitte des Bildschirms ein Text mit vielen Fotos auf – allerdings so, dass die Blogwalk-Startseite im Hintergrund noch zu erkennen ist. Unter anderem macht sich die Bloggerin von fashion-meets-art über die perfekte Jeans für Frauen Gedanken, die Kollegin von Robyn Byn führt ein luftiges Sommerkleid vor, und Palina Pralina Mini-Handtaschen in verschiedenen Farben. Dazu gibt es Links zu Webshops, auf denen man die vorgestellten Artikel gleich kaufen kann.

Komplettumzug zu RTL
Rund 30 der führenden deutschen Mode-Bloggerinnen habe man für das neue Medienprojekt gewinnen können, heißt es stolz bei RTL interactive, der Digitalabteilung der Bertelsmann-Tochter RTL. Deren Inhalte erscheinen seit Mitte Oktober ausschließlich auf Blogwalk. Die Bloggerinnen hatten teilweise vorher schon ein respektables Publikum für sich gewonnen und ihr persönliches Modejournal professionell oder eher als Freizeitprojekt betrieben. Ihren Webauftritt lassen alle komplett zurück. Sämtliche Inhalte wurden übertragen, und die alte Webadresse leitet automatisch auf Blogwalk weiter. Ein folgenreicher Schritt für die jungen Mode-Journalistinnen.

Anna Maria Heeck, Projektmanagerin für Blogwalk bei RTL interactive, meint, dass das Projekt den Bloggerinnen als Gegenleistung mehr Bekanntheit und neuen Traffic verschaffe. Die RTL Gruppe bewerbe es „massiv“ – online und im Fernsehen. Zur Zeit flimmern kurze Werbespots über RTL und den Schwestersender Vox, und in Zukunft soll es Kooperationen mit der Stylingshow Shopping Queen geben. Zudem glaubt sie, dass die Bündelung der verschiedenen Inhalte und Autorinnen SEO-Vorteile bringt, so dass alle Bloggerinnen durch eine höhere Sichtbarkeit bei Google profitieren.

Werbebanner, Affiliate Links und Sponsored Posts
Modeblogger unterscheidet von vielen anderen Bloggern, dass sie längst ein verlässliches Erlösmodell gefunden haben. Das ist meistens eine Mischung aus klassischen Banner-Einnahmen, Kooperationen mit Modemarken, bezahlten Blogbeiträgen und Affiliate Links, der Goldgrube des Bloggens. Wird auf den Link zu einem Shop geklickt und die im Artikel präsentierte Jeans, Bluse oder auch Halskette gekauft, gibt es eine Provision. Von den Banner- und Affiliate-Einnahmen bekommt Blogwalk in Zukunft etwas ab. Wie viel genau, wird allerdings nicht verraten: „Es ist eine Mischfinanzierung aus Werbe- und Transaktionserlösen, die über Blogwalk generiert werden, an denen die Bloggerinnen beteiligt werden.“

Gerade das Affiliate-Modell macht für RTL interactive strategisch viel Sinn, meint Heeck: „Blogwalk ist ein weiterer Baustein in unserer Strategie, unsere werbeunabhängigen Geschäftsfelder mit Erlösen durch Transaktionen weiter auszubauen.“ Zudem würde so neue, interessante Umfelder für Werbekunden geschaffen.

Blogwalk-RTL_800px

Junge Mode-Bloggerinnen treffen bei einer Blogwalk-Präsentation den Fernseh-Veteranen Peter Klöppel (Bild: RTL interactive)

Bei Konzernen beliebt
Unter Medienmanagern ist Aggregation von Bloggern ein Thema, seitdem es Blogs gibt. Im „Glam“-Netzwerk, an dem der Zeitschriften- und Digitalverlag Burda beteiligt ist, werden neben redaktionell erstellen Artikeln Blogposts prominenter Blogger angeteasert und verlinkt. Das Netzwerk erreicht damit in Deutschland 5 Millionen vor allem junge Nutzerinnen pro Monat, die über die klassischen Verlagsangebote nicht unbedingt zu erreichen wären. Durch solche Kooperationen kommt ein Teil des Publikums, das eigentlich zu Verlags-unabhängigen Webformaten abgewandert ist, wieder zurück in den Konzern-Schoß.

Eine größere Dimension hat das bei Youtubern. Einige dieser deutschen Videoblogger haben mehr als 1 Millionen Followers angesammelt, sie lassen damit das eh nicht sonderlich junge Fernsehen noch älter aussehen. Allerdings sind einige der erfolgreichen Youtuber doch schon wieder bei den großen privaten Fernsehkonzernen unter Vertrag. RTL hat sich im Herbst 2013 mit noch schüchternen 26% in das europaweit größte Youtuber-Netzwerk Divimove eingekauft, Pro7/Sat1 hat mit Studio71 ein eigenes Netzwerk gegründet und vertritt unter anderem den erfolgreichsten deutschen Youtuber Gronkh mit mehr als 3 Millionen Followers.

Die Text-, Bild- und Video-Blogger geben, je nach Modell, einen Teil ihrer Selbständigkeit auf. Im Idealfall erhöhen sie damit ihre eigenen Einnahmen. Während es gerade bei mittleren und niedrigen Reichweiten schwer ist, sich eigenständig zu vermarkten, klappt das bei der geballten Reichweite verschiedener Blogger besser, zumal die Netzwerke erfahrene Anzeigenabteilungen haben. Die Bloggerin Luísa Lión hatte längst schon ein relevantes Publikum und ein Geschäftsmodell gefunden. Trotzdem betritt sie werbetechnisch Neuland, wie sie sich in einem Interview zitieren lässt: „Was neu ist, sind Werbeeinnahmen durch Ads und Bannerwerbung, da ich dieses Werbemittel zuvor kaum genutzt habe.“

Für die Medienkonzerne ist das Modell wie ein Sechser im Lotto, sie bekommen neue Erlöse und neues Publikum quasi frei Haus. Bei Blogwalk bringen die Bloggerinen ihre mehr oder weniger große Leserinnenschaft und ihr bisherigen Geschäftsmodelle mit und teilen beides mit RTL. Die Konzerne gewinnen dadurch ein Stück Hoheit zurück, dass ihnen durch die Möglichkeiten des sozialen Netzes genommen wurde.

0 Kommentare zu diesem Artikel


  1. Der Begriff „Mode-Journalistinnen“ ist aber außerordentlich euphemistisch. Es handelt sich vielmehr fast immer um gezieltes Fashion Product Placement, welches meist über entsprechende Affiliate-Links honoriert wird. Kann man machen, Torial sollte es aber nicht ernsthaft Journalismus nennen.

  2. Wenn die Verlage das mal vor zehn Jahren gemacht hätten, wäre das ja was Innovatives gewesen, jetzt ist das doch nur der Versuch sich aus dem Sumpf zu ziehen, in den man sich selbst reingeritten hat, weil man dachte, man wisse wie das läuft.

    Was wäre das geniales mit dem Beginn des Web 2.0 gewesen, wenn u.a. danna auch Lokalzeitungen Bloggern eine Plattform gegeben hätten. Man hätte unter einer etablierten Marke bloggen können, die Zeitungen hätten Jugend bekommen und nebenbei die Presse- und Meinungsfreiheit gestärkt. Aber damals war man sich ja zu fein dafür, hatte das nicht nötig, und nun eiert man sichtlich bemüht hinterher. Inzwischen gibt es CMS und Webspace für umme und man macht sein Blog halt selbst. Wenn einem nicht schon facebook reicht.

  3. Ich würde mir bei Torial manchmal wünschen bei solchen Themen (Blogwalk) mehr in die Tiefe zu gehen und den Sachverhalt von mehreren Seiten ausgewogen zu beleuchten.

    Denn ein Blick ins Netz zeigt zum Beispiel, dass die führenden deutschen Mode-Bloggerinnen (bis auf 1 Ausnahme – also quasi als Zugpferd) schon im Vorfeld dankend abgelehnt haben. So eine Plattform ist nichts Neues. Oft probiert, meistens gescheitert. Klingt fast nach der deutschen Huffington Post. Und wer gibt schon freiwillig seine erfolgreiche URL ab? Ok, es sei denn Frau Mode-Bloggerin will umbedingt ins Fernsehen. Was steckt also dahinter?

    Weil viel Traffik oder Interaktion ist auf und rund um „Blogwalk“ bisher nicht zu registrieren, in anbetracht der gewaltigen Ladung an Frauenpower. Die 30 Bloggerinnen sind da eher unter sich…

    Ein Coup ist es für das Medienunternehmen auf alle Fälle. Denn man hat kostenlosen Content generiert. Okay, aber wer soll diesen Inhalt konsumieren? Die RTL-Zielgruppe?

    Ob Konzerne mit einer solchen Plattform etwas vom (Werbe)Kuchen zurückgewinnen oder ihren Ruf im Netz völlig ruinieren bleibt abzuwarten. Ich würde den Unternehmen gerne Erfolg wünschen. Aber müssen sie nicht eher neue Felder dazugewinnen? Innovation und so?


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