19.12.2014

Vertrauen verdient noch kein Geld

Noch nie gab es so viel hochwertigen Journalismus wie heute. Trotzdem wird gerade mal wieder munter über das stetig schwindende Vertrauen in Journalismus debattiert. Was ein ziemlicher Unfug ist: Die Journalismus-Krise hat mit mangelndem Vertrauen nichts zu tun. Im Gegenteil: Die ökonomischen Probleme haben auch damit zu tun, dass es ein riesengroßes Angebot an gutem Journalismus gibt.

Guten Journalismus gibt es in Hülle und Fülle. Modelle, mit denen sich auch im digitalen Zeitalter damit Geld verdienen lässt, leider weniger...(Foto: Jakubetz)

Guten Journalismus gibt es in Hülle und Fülle. Modelle, mit denen sich auch im digitalen Zeitalter damit Geld verdienen lässt, leider weniger…(Foto: Jakubetz)

Seit ich in diesem Beruf arbeite – und das sind jetzt dann doch schon fast drei Jahrzehnte – begleiten mich diese Begriffe:

Krise! Vertrauen! Systempresse! Qualitätsverlust!

Es ließen sich mühelos noch einige andere hizufügen, je nach Bedarf und Mediengattung. Alles in allem aber bleibt bei oberflächlicher Betrachtung der Eindruck, dass man es wahlweise einigen glücklichen Zufällen oder diversen Verschwörungen zu verdanken hat, überhaupt noch in diesem Beruf arbeiten zu können.

Dabei sind es, von einigen Verschwörungstheoretikern abgesehen, eher die Journalisten selbst denn das geneigte Publikum, die sich und ihre Kollegen regelmäßig in den nahenden Untergang reden. Man muss nicht mal sonderlich lange danach suchen. Journalistenkongresse, Redaktionsgespräche, diverse Medienseiten oder auch Medienblogs (Offenlegung: Ich schreibe selber eines) verbreiten gerne mal eine düstere Grundstimmung. Derzufolge konventioneller Journalismus eine bedrohte Gattung ist und sich das auch noch ausschließlich selbst zuzuschreiben hat. Wo man auch hinschaut: Unfähigkeit, Unflexibilität und Unseriösität. Und schafft es eine Seite wie “Bildblog” nicht inzwischen schon seit zehn Jahren, nahezu täglich Belege dafür zu liefern, wie wenig man diesen Medien noch trauen kann?

Klar lässt sich auf Medien und Journalisten leicht schimpfen. Nicht nur von außen, sondern auch in den inneren Zirkeln. Wer heute beispielsweise einen Blogbeitrag veröffentlicht, in dem er behauptet, es gehe uns alles in allem doch ganz gut, wird weitaus weniger Aufmerksamkeit ernten als jeder Untergangsprophet.

Dabei sind wir mit der eigentlichen Problematik nicht alleine. Als die Digitalisierung irgendwann mal begann, auch den Buchmarkt auf den Kopf zu stellen, waren die Kulturpessimisten sofort zur Stelle: Internet und E-Books würden nicht nur zur Verflachung und zur Auflösung von Lesekultur führen, sondern generell dazu, dass weniger gelesen werde (eine ähnliche Klage gab es übrigens auch schon bei der Einführung von Radio, Kino, Fernsehen und allem anderen, was vom Lesen ablenken könnte). Tatsächlich wird heute mehr gelesen denn je – nur anders als früher.

Gibt es in der durchdigitalisierten Welt weniger Interesse an Journalismus? Nicht mal der größte Sketipker käme auf diese Idee. Das alles entscheidende Problem des Journalismus ist das Wegbrechen der bisherigen Geschäftsmodelle.  Da kann man natürlich mit ein bisschen Häme auf die Dinosaurier der analogen Medienwelt zeigen. Tatsache ist aber, dass auch in der digitalen Welt die Suche nach tragfähigen Lösungen immer noch anhält. Egal, wohin man schaut, die funktionierenden Dinge, die es gibt, funktionieren eben nicht für jeden.

Die Digitalisierung zerlegt gerade unsere Branche. So wie sie es mit vielen anderen Branchen auch getan hat oder noch tun wird. Der Zusammenhang zwischen Inhalt und Ökonomie ist allerdings nicht wirklich vorhanden. Als die Musikbranche vor Jahren plötzlich vor den neuen Phänomenen wie iTunes oder inzwischen Spotify  stand, ist niemand auf die Idee gekommen, den Musikern eine kreative Krise zu attestieren. Musik ist heute nicht besser oder schlechter als vor der Digitalisierung. Nur das Geschäftsmodell hat sich geändert und wird sich weiter ändern.

Im Journalismus ist das ähnlich. Wenn Menschen eine Zeitung abbestellen oder sich erst gar nicht mehr für eine neue entscheiden, dann muss das nicht zwingend etwas damit zu tun haben, dass der Nicht-mehr-Leser plötzlich beschlossen hat, seinem Blatt zu misstrauen oder ihm wenigstens eine handfeste Krise zu unterstellen. Viel wahrscheinlicher ist, dass er wahlweise kein Papier mehr zu Hause haben will, sich vom Netz sehr viel schneller informiert fühlt oder aber nicht mehr die Bereitschaft hat, jeden Monat im Voraus einen Pauschalbetrag für ein Produkt zu bezahlen.

Wir glauben euch gerne, aber wir bezahlen euch nicht

Mangelndes Vertrauen, Journalismus-Krise also?

Nein. Stattdessen gibt es ein Paradox, das nicht so leicht oder womöglich gar nicht zu erklären ist. Dieses Paradox ist nicht neu. Aber in seiner digitalen Ausprägung ist es womöglich noch schwerer zu verstehen als ohnehin schon. Menschen vertrauen einem Medium, nutzen es aber nur wenig. Fragt man also beispielsweise junge Menschen zwischen 14 und 19, welchem Medium sie am meisten vertrauen, dann antworten sie: Tageszeitung!  Das ist tatsächlich ein kleines bissschen irre, weil gleichzeitig Tageszeitungen momentan darüber klagen, wie schwer sie sich tun, noch neue und junge Leser zu gewinnen. Müssten den Zeitungen nicht angesichts dessen, wie viel Vertrauen man ihnen entgegen bringt, neue Leser in Scharen zufliegen? Das Phänomen ist allerdings keineswegs neu und nicht auf die Tageszeitung beschränkt: Die gute, alte “Tagesschau” hat von den großen Nachrichtensendungen im deutschen Fernsehen gemeinsam mit der “heute” das älteste Publikum, jüngere Zuschauer bevorzugen eindeutig das, was die Privaten Nachrichten nennen. Geht es dagegen um die Frage nach der Vertrauenswürdigkeit, dann haben die öffentlich-rechtlichen Nachrichten die Nase immer noch weit vorne.

Es ist also – leider – ein Trugschluss zu glauben, dass Vertrauenswürdigkeit und Seriosität automatisch belohnt würden. Oder anders gesagt: Nur, weil man Journalisten vertraut, heißt das noch lange nicht, dass man ihre Arbeit andauernd nutzt. Geschweige denn, sie zu schätzen weiß. Das ist ein bisschen wie mit der Polizei: Man schimpft gerne mal auf sie und ab und an unterstellt man ihr vielleicht sogar ein paar unschöne Dinge. Aber trotzdem gibt es genügend Situationen, in denen man ganz glücklich ist, eine Polizeiuniform in seiner Nähe zu sehen.

Natürlich gibt es immer wieder Verschwörungstheoretiker. Solche, wie den ehemaligen FAZ-Redakteur Udo Ulfkotte, der es geschafft hat, ein Buch über “Gekaufte Journalisten” in die Bestseller-Listen zu bringen. Das ist ein Beleg für alles mögliche, nur nicht für eine Vertrauenskrise des Journalismus. Jede Wette: Würde heute irgendjemand ein Buch mit vergleichbarem Inhalt und dem Titel “Gekaufte Polizisten” schreiben, es würde ein ähnlicher Erfolg werden. Auf die Idee, die Polizei befinde sich gerade in einer veritablen Vertrauenskrise, käme trotzdem kaum jemand. Über jeden, der in irgendeiner Weise so etwas wie Macht ausübt, existieren auch Verschwörungstheorien, gekoppelt mit ein paar griffigen Beschimpfungen. “Nieten in Nadelstreifen” hieß beispielsweise mal ein Bestseller, der belegen sollte, dass in Deutschlands Management-Etagen weitgehend ebensolche Nieten zu finden sind. Halbwegs differenzierten Betrachtungsweisen halten solche Verschwörungstheorien nicht stand. Nicht mal dann, wenn sie Journalisten als Gegenstand haben.

Was immer noch fehlt

Kann es also sein, dass wir in den ganzen Debatten über die Zukunft unserer Branche ein paar Dinge in einen Topf werfen, die da gar nicht reingehören? Tatsächlich ist das größte Problem jetzt und in den nächsten Jahren ein ökonomisches. Die Suche nach Geschäftsmodellen, nach neuen Ideen für Vertrieb und Vermarktung bestimmen die Debatten auch in der Zukunft. Natürlich kann man jeden Tag in irgendeinem Medium irgendein Stück finden, dass kritikwürdig ist. Tatsächlich aber gab es noch nie ein derart umfangreiches Angebot an hochwertigem und interessantem Journalismus wie heute. Auch und gerade im Netz.

Redaktionen wie die der SZ, der FAZ, der ZEIT, des Spiegel fluten jeden Tag den Markt mit meistens solide-gutem und manchmal herausragendem Journalismus.  Das bewegte Bild hat im Netz auch journalistisch eine völlig neue Dimension bekommen und unter den abertausenden Podcasts finden sich etliche Perlen. Es gibt weitaus mehr lesenswerte Blogs als wie sie auch ein überdurchschnittlich interessierter Mensch jemals lesen könnte. An jedem beliebigen Bahnhofs-Kiosk findet sich ein riesiges Portfolio gut gemacher Blätter. Und selbst das viel gescholtene Fernsehen wird tendenziell eher wegen seiner miserablen Unterhaltungs-Ressorts kritisiert – und nicht wegen journalistischer Fehlleistungen (es sei denn, man will über RTLII-Nachrichten wirklich als journalistisches Produkt reden).

Gab es jemals mehr guten und hochwertigen Journalismus als heute? Und wenn ja: Wann soll das gewesen sein?

Natürlich: Es lässt sich auch an jedem Bahnhofs-Kiosk jede Menge Quatsch finden und im Fernsehen auch und im Netz sowieso. Das allerdings ist kein wirklich neues Phänomen. Auf diese Idee käme nicht mal mehr der größte Früher-war-alles-besser-Nostalgiker.

Das Problem bleibt dennoch ein ökonomisches. Eines, mit denen auch ambitionierte neue Projekte wie das wunderbare Wissenschaftsmagazin “Substanz” oder die “Krautreporter” zu kämpfen haben werden.

Das “Problem” ist sogar genau diese Anhäufung von gutem und lesenswertem Journalismus: Immer mehr gute Angebote kämpfen um einen nicht nennenswert größer werdenden Kuchen. Das gilt sowohl für die Aufmerksamkeit als auch für die daraus resultierenden Erlöse. Noch so ein Paradox also: Je mehr gute Angebote hinzukommen, desto schwieriger wird es sein, sie alle zu finanzieren.

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0 Kommentare zu diesem Artikel


  1. „Gibt es in der durchdigitalisierten Welt weniger Interesse an Journalismus? Nicht mal der größte Sketipker käme auf diese Idee.“
    Dann bin ich halt der allergrößte Skeptiker, denn ich befürchte eben sehr wohl, dass das ganze digitale Heroin, die neue Oberflächlichkeit, die Slotmachine in der Hosentasche es enorm erschweren, hintergründigen und vielleicht auch komplexen Journalismus zu vermarkten. Unbewiesen und vielleicht nur die Sorge eines „alten Mannes“, aber wenn der durchschnittliche 27jährige durchschnittlich 62x am Tag sein Smartphone einschaltet, wird es schon extrem schwierig bei dieser Kundschaft noch einen etwas längeren und hintergründigen Text zu platzieren. Auch wenn er ganz bunt ist und voller Infografiken und gamifiziertem Design und Bildchen und Filmchen…

  2. noch eines: ich denke schon, dass die ökonomische Knappheit auch zwangsläufig auf die Qualität schlagen wird und es vermutlich auch schon tut. Ist das nicht zwangsläufig so? Weniger Personal, weniger teures Personal, weniger Zeit für Recherche und Produktion, gleichzeitig wachsende Ansprüche an die mediale Gestaltung, keine tragfähigen Geschäftsmodelle und die richtig beschriebene neue Flut an Content. Das ist ein guter Nährboden für die Annahme, dass Journalismus anfällig sein könnte für unlautere Einflussnahme. Und der dümmlich bornierte Umgang der Medien mit solcher Kritik tut ein Übriges…

  3. Nein. Der grundlegende Denkfehler ist, dass Bedürfnis nach „Information“ mit einem Bedürfnis nach dem, was wir derzeit „Journalismus“ nennen, gleichzusetzen. Und da kommt auch das Thema „Vertrauen“ ins Spiel. Wenn das Vertrauen in VW schwindet, gute und sichere Autos zu liefern, können sie zusperren. Wenn das Vertrauen in den Journalismus schwindet, dass er die Informationen liefert, die wir haben wollen- warum sollte es anders sein?


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  1. Zum Jahresschluss. | Heinrich graut's 31 12 14